Dienstag, 19. März 2024

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Vor 250 Jahren in Dillingen
Die Exekution des "Bayerischen Hiasl"

Wildernd zog Matthias Klostermayr im 18. Jahrhundert mit seiner Bande durch das heutige Schwaben – und wurde als der "boarische Hiasl" zum Volkshelden. Nach einem Verrat ging er der Obrigkeit ins Netz und wurde am 6. September 1771 hingerichtet. Was den Mythos umso mehr belebte.

Von Carola Zinner | 06.09.2021
    Ein zeitgenössischer Kupferstich von Georg Philipp Rugendas zeigt die Hinrichtung des "Bayerische Hiasl", Matthias Klostermayer 1771 in Dillingen 1-H828-E1771-10 (89272) 'Die Execution des famosen Bayrischen Hiesels (...)' Hiesel, Bayerischer Hiesel, eigentl. Matthias Klostermayer; Räuberführer und Wildschütz; 1736-1771. - 'Die Execution des famosen Bayrischen Hiesels (...)'. (Dillingen, 6. September 1771; Tod durch Rädern). Kupferstich, zeitgenössisch, von Georg Philipp Rugendas (1771-74) und Johann Lorenz Rugendas (1730-99).
    Erdrosselt, gerädert und gevierteilt: die Hinrichtung des Wilderers Matthias Klostermayer 1771 in Dillingen (picture alliance / akg-images )
    "Ich bin der bayerisch Hiesl, kei´ Kugel geht mir ein; - drum fürcht ich auch kein Jager, und sollts der Teufel sein." -Kugelfest soll er gewesen sein und der beste Schütze weit und breit, ein Widersacher gegen die Obrigkeit und Beschützer der Armen. Matthias Klostermayr, genannt der "Boarische Hiasl", ging als eine Art bayerischer Robin Hood ein in das kollektive Gedächtnis seiner Heimat.
    "Drum thu ich d´Felder schützen mit meine tapfern Leut´. Und wo ich auch nur hinkomm, O Gott, da ists a Freud."

    Wilderei als Ernteschutz

    Es war der ewige Streit um das Jagdrecht, in dem Klostermayr zur Symbolfigur wurde – er stand für das einfache Volk, das aufgrund der Gesetze jener Zeit, des 18. Jahrhunderts, keine Möglichkeit hatte, die mühsam bebauten Äcker gegen das Wild zu schützen. Alle Klagen über Ernteschäden prallten bei der Obrigkeit ab; für sie zählte ausschließlich, dass genügend Beute vorhanden war für die höfischen Jagden, diese groß inszenierten Lustbarkeiten des Adels. Doch immer wieder waren Wilderer unterwegs wie der "Boarische Hiasl", die der Obrigkeit ihr Jagd-Privileg streitig machten:
    "Das Wild auf freier Erde ist freies Eigentum/ drum lass i mi net hindern / denn wer´s nit schießt wär dumm."
    Wer war der Mann, der der Oberschicht derart frech die Stirn bot, dass man ihn dafür sogar im Volkslied besang.

    Festanstellung als Jesuiten-Schütze

    Matthias "Hias" Klostermeier, geboren 1736 im bayerischen Kissingen, entstammte als Sohn eines Taglöhners selbst jener Schicht, die am Existenzminimum lebte und für die jede Missernte das Ende bedeuten konnte. Dem jungen Mann, der bereits als 12-Jähriger ein exzellenter Schütze war, schien allerdings zunächst das Glück zu winken: Er bekam eine feste Stelle als Jagdgehilfe auf einem Jesuiten-Gut. Doch verscherzte er sich im wahrsten Sinne des Wortes die Chance, als er sich in einer Faschingsrede öffentlich über einen Pater lustig machte, der bei der Jagd anstelle eines Hasen eine Katze erlegt hatte: Der geistliche Herr sorgte prompt für die Entlassung des jungen Übermuts, der sich fortan auf eigene Faust durchschlagen musste.

    Adel und Klerus das Wild weggeschossen

    Was lag da näher, als es mit dem Metier zu versuchen, das er perfekt beherrschte: mit der Jagd. Wildernd zog der "boarische Hiasl" an der Spitze einer Bande von Gleichgesinnten durch das Grenzland zwischen Bayern und Schwaben, schoss dem Adel und der hohen Geistlichkeit die Hirsche und Wildschweine weg und sorgte so, gleichsam nebenbei, dafür, dass den Bauern, mit denen er gelegentlich auch die Beute teilte, die Ernte erhalten blieb. Kein Wunder, dass ihn das Volk schon bald verehrte und immer wieder vor den staatlichen Häschern versteckte, und dass die Wände der einfachen Behausungen häufig der billige Druck schmückte, auf dem der lächelnde Wildschütz zu sehen war, den Stutzen in der Hand, einen jungen Helfer und seinen riesigen Hund Tyras an der Seite: "Kein Haus war auf dem Land, kein Haus fast in der Stadt / wo nicht der Hiasl stund auf einem Kupfer-Blatt."

    Verriet eine Wirtstochter den "Hiasl"?

    Allerdings stieg dem jungen Mann, wie es ja öfter mal vorkommen soll, der Ruhm allmählich zu Kopf. Die Aktionen der Bande wurden immer wilder und aggressiver. Sie lieferte sich schlimme Prügeleien mit den Jägern und Soldaten und unternahm Raubüberfälle, und irgendwann gab es dann das erste Todesopfer. Damit begann auch der Rückhalt in der Bevölkerung zu schwinden. Eine Wirtstochter soll es schließlich gewesen sein, die den "Hiasl" an die Obrigkeit verriet.
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    Er wurde verhaftet, vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Bei der Vollstreckung am 6. September des Jahres 1771 soll sich Klostermayr, so wird berichtet, mindestens ebenso tapfer gezeigt haben wie zuvor bei seiner Verhaftung: Ganze 300 Soldaten waren damals notwendig gewesen, um ihn nach mehrstündigem Kampf herauszuholen aus dem Wirtshaus, in dem er sich mit den Kumpanen verbarrikadiert hatte. Er war eben ein Volksheld - ganz nach der bayerischen Art.