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Vor 250 Jahren
Samuel Wallis ankert als erster Europäer vor Tahiti

Am 18. Juni 1767 ankerte der britische Weltumsegler Samuel Wallis vor Tahiti. Er gilt somit als europäischer Entdecker der südpazifischen Insel. Seine Reiseberichte weckten in Europa das Bild von Tahiti als eines erotischen Paradieses.

Von Mathias Schulenburg | 18.06.2017
    Eine Bucht in Tahiti mit dichter Vegetation und bizarr geformten Bergen, im Vordergrund ein typisches Auslegerboot mit Netzen von Fischern der einheimischen Bevölkerung. Aufnahme von 1985.
    Durch die schwärmerischen Berichte der Crew der "Dolphin" wurde Tahiti in Europa zum Südseeparadies schlechthin. (picture alliance / dpa / Jack und Francoise Rocchio)
    Beide Kapitäne liefen zur gleichen Zeit, Ende August 1766, in Plymouth, England, aus: Samuel Wallis mit der Dolphin, Philip Carteret mit der Swallow. Ihr Auftrag, unter anderem: herauszufinden, ob der große, vermutete südliche Kontinent Terra Australis existierte und diesen – wenn "ja" und es dort etwas zu holen gab – für das Vereinigte Königreich zu beanspruchen. Die Swallow war in einem beklagenswerten Zustand, anders als die Dolphin, und die beiden Schiffe wurden bald dauerhaft durch einen schweren Sturm getrennt. Die Swallow entdeckte später Pitcairn Island, wo die Meuterer von der Bounty Zuflucht finden sollten, Kapitän Wallis aber entdeckte ein Paradies, Tahiti, auch wenn es zunächst nicht so aussah.
    Anfangs gab es Missverständnisse
    Ob es nun daran lag, dass er der erste Europäer war, den die Tahitianer zu Gesicht bekamen und diese ihn als Eroberer wahrnahmen oder dass seine schwere Skorbut-Erkrankung ihn reizbar gemacht hatte – Kapitän Samuel Wallis’ erste intensive Begegnung mit den Einheimischen sechs Tage nach der Ankunft seines Schiffes am 18. Juni 1767 war blutig: Die Dolphin lag im Hafen, umgeben von 600 Kanus, die einen regen Tauschhandel mit dem Schiff trieben: Schweine, Hühner und Früchte gegen Nägel, Glasperlen und Ähnliches. Wallis’ Logbuch hält fest:
    "In vielen Booten saßen drei, vier Mädchen in einer Reihe, die laszive Bewegungen machten und alle vorstellbaren Verführungen darboten. In der Zeit näherte sich ein Boot dem Schiff und ich sah, dass es große Mengen schwerer Kieselsteine an Bord hatte – als Ballast, wie ich vermutete."
    Schließlich gab einer der Bootsführer ein offenbar verabredetes Zeichen:
    "Jetzt entließ jedes Kanu einen Steinhagel, der alle Teile des Schiffes traf. Da befahl ich meinen Leuten, zu feuern. Sie hielten eine zeitlang stand, aber dann zerstörten ein paar unserer Kanonen mehrere ihrer großen Kanus."
    Einen zweiten Enterversuch parierten die Engländer mit schwerem Geschütz, und die Tahitianer flohen.
    Dann folgten zartere Begegnungen
    Aber das Missverständnis klärte sich auf und es kam zu zarteren Begegnungen in der Gestalt von Liebesdiensten, die die Mannschaft mit Schiffsnägeln entgalt, die teils aus dem Schiff selbst gezogen wurden, bis die Dolphin ihren Zusammenhalt zu verlieren drohte.
    Auch Kapitän Wallis erfuhr menschliche Wärme, schrieb der Chronist John Hawkesworth:
    "Er war ziemlich krank und schwach, als sie in Tahiti ankamen und setzte erst zwei Wochen danach seinen Fuß auf die Insel. Angesichts seines Zustandes wies die Königin ihre Leute an, ihn in ihr Haus zu tragen, wo ihn junge Mädchen zu massieren hatten. Als er wieder zu Kräften gekommen war, bot ihm die Königin an, getragen zu werden. Wallis bestand darauf, selbst zu gehen. Aber die Königin nahm ihn am Arm und half ihm auf dem Rückweg über Schlamm und Pfützen hinweg."
    Ein sinnliches Südseeparadies
    Als das Schiff schließlich Tahiti verließ, soll sie geweint haben. Er auch, aber einer anderen wegen. Durch die schwärmerischen Berichte der Crew wurde Tahiti in Europa zum Südseeparadies schlechthin.
    Eigentlich war für den Rückweg die Suche nach dem sagenhaften Kontinent Terra Australis – Land des Südens – geplant gewesen, aber, so Hawkesworth ...
    "... mit einem Schiff, das leckte und fast nicht zu steuern war, entschied sich Wallis einen Monat später für die Heimfahrt über Tinian, Batavia und das Cap der Guten Hoffnung. Er fand verschiedene kleinere Inseln, aber keine war mit Tahiti vergleichbar."
    Kein Matrosenleben fiel dem Skorbut zum Opfer
    Die Dolphin erreichte England im Mai 1768. Da er bei der Versorgung der Mannschaft reichlich Gebrauch von Sauerkraut und anderen Vitamin-C-haltigen Speisen gemacht hatte, verlor Wallis keinen einzigen Mann durch Skorbut, zu dieser Zeit ein bemerkenswerter Umstand.
    Wallis erholte sich langsam von den Strapazen der Reise und bekam Kommandos für andere Schiffe. Er wurde später zum Commissioner der Navy befördert, ein Titel, den er bis zu seinem Tod behielt – er starb 67-jährig in London.