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Vor 275 Jahren geboren
Der Astronom Johann Hieronymus Schroeter

Teneriffa, Chile, Kalifornien oder Hawaii sind heute Standorte großer Sternwarten. Praktisch vergessen ist, dass vor rund 200 Jahren eines der größten Observatorien der Welt im kleinen Ort Lilienthal bei Bremen stand. Diese Sternwarte wurde von Johann Hieronymus Schroeter gegründet.

Von Dirk Lorenzen | 30.08.2020
    Amtmann und Amateurastronom: Johann Hieronymus Schroeter (1745-1816)
    Amtmann und Amateurastronom: Johann Hieronymus Schroeter (1745-1816) (Quelle: Westermayr)
    "Johann Hieronymus Schroeter ward 1778 bei der hannöverschen Regierung angestellt und später Justizrat und Oberamtmann zu Lilienthal im Herzogtum Bremen, wo er eine Privatsternwarte errichtete, auf der er wichtige Beobachtungen der Planeten und des Mondes anstellte."
    So beschreibt ein Lexikon aus dem 19. Jahrhundert das Wirken von Johann Hieronymus Schroeter, der am 30. August 1745 in Erfurt auf die Welt kam. Während seines Studiums der Rechtswissenschaften in Göttingen hörte er nebenher Vorlesungen über Physik und Astronomie. Zudem war er häufiger Gast auf der Sternwarte.
    Die meisten Teleskope selber gebaut
    Als sich Johann Hieronymus Schroeter im Alter von 33 Jahren vor den Toren Bremens niederließ, baute er dort ein eigenes Observatorium, erklärt Axel Wittmann, Astronom im Ruhestand an der Universität Göttingen: "Er hatte allerlei Teleskope, von denen die meisten von ihm selber gebaut worden sind. Da er aber kein Physiker war und keine physikalische Ausbildung hatte, hat ein Herr Schrader aus Kiel und sein Gärtner, der hieß Harm Gefken, ihm dabei geholfen, die Spiegel herzustellen, zu gießen und zu schleifen."
    Im Park neben seinem Amtshaus errichtete Johann Hieronymus Schroeter im Laufe der Jahre vier Beobachtungsgebäude mit immer größeren Teleskopen.
    "Nunmehro kann ich mit Vergnügen melden, dass das kühne Unternehmen eines 25füßigen reflectierenden Teleskops glücklich vollführt, und dass dessen Aufstellung, wie mich dünkt, zweckmäßig gerathen sey."
    Zweitgrößtes Teleskop der Welt
    Stolz berichtet Johann Hieronymus Schroeter von seinem Instrument, das er Ende 1793 fertiggestellt hat. Mit fast acht Metern Brennweite und einer Öffnung von fünfzig Zentimetern war es das zweitgrößte Teleskop der Welt. Sein Tubus war aus Mahagoni-Holz gefertigt, und das riesige Instrument stand im Freien in einer drehbaren Konstruktion neben dem Beobachtungshaus.
    Axel Wittmann: "Er hat vor allem die Planeten beobachtet, fast nicht Fixsterne, sondern er hat sich auf das Planetensystem konzentriert. Also die Sonne, die Venus, den Mars und den Mond, vor allem aber die Venus und den Mond."
    Johann Hieronymus Schroeter bestimmte zum Beispiel, wie schnell sich die Planeten Jupiter und Mars drehen, und er hat eine vielbeachtete Mondkarte gezeichnet. Er war Amateurastronom im besten Sinne des Wortes – er liebte das Universum und blickte mit einer gewissen Schwärmerei in die Tiefen des Kosmos:
    "Rührend und seelerhebend muss es für jeden nachdenkenden Beobachter seyn, wenn er immer entferntere Sonnen und neue Spuren einer noch ungleich größeren Ausdehnung des Schöpfungsgebietes findet."
    Begeisterung verführte zu allerlei Unfug
    Mit seinem lichtstarken Teleskop hat Schroeter in Bereiche der Milchstraße geblickt, die kaum jemand vor ihm gesehen hat. Allerdings verführte ihn seine Begeisterung auch zu allerlei Unfug: So war er überzeugt, Berge auf der Venus zu beobachten, was aufgrund der dicken Wolkenhülle des Planeten völlig unmöglich ist.
    Axel Wittmann: "Seine größte astronomische Leistung, würde ich sagen, war die Förderung von Friedrich Wilhelm Bessel und dessen Weg in die Astronomie. Denn Bessel wurde einer der bedeutendsten Astronomen und Direktor der Sternwarte Königsberg. Schroeter hat Bessel nicht entdeckt, sondern Bessel hat sich ihm selber vorgestellt. Aber er hat ihn daraufhin gefördert."
    Nach seiner Kaufmannslehre in Bremen nahm Friedrich Wilhelm Bessel 1806 eine Stelle an der Lilienthaler Sternwarte an. Zwei Jahre zuvor hatte Schroeters Mitarbeiter Karl Harding einen Kleinplaneten entdeckt, der jenseits des Mars um die Sonne läuft – dieser Fund hatte weltweit für Aufsehen gesorgt.
    Französische Truppen brannten Lilienthal ab
    Bald setzten die Wirren der Befreiungskriege der kurzen astronomischen Blüte ein Ende. Axel Wittmann: "1813 wurde es geschleift von französischen Truppen. Lilienthal wurde teilweise abgebrannt. Schroeter konnte nur drei seiner Manuskripte aus den Gebäuden der Sternwarte noch retten, in sein Amtshaus hinein. Alles andere war verloren."
    Von diesem Schlag erholte sich Johann Hieronymus Schroeter nicht mehr. Drei Jahre später, Ende August 1816, ist er gestorben – einen Tag vor seinem 71. Geburtstag.