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Vor 30 Jahren
Die Flugschau-Katastrophe von Ramstein

Bei einer Flugschau auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in der Pfalz kollidierten vor 30 Jahren drei italienische Düsenjets, einer stürzte in die Zuschauer. Die Bilder des Feuers und der panisch umherlaufenden Menschen sind bis heute unvergessen.

Von Wolfgang Stenke | 28.08.2018
    Ein Jet der italienischen Kunstflugstaffel "Frecce tricolori" stürzt in die Zuschauer des Flugtags in Ramstein.
    31 Menschen starben sofort, auch drei Piloten fanden den Tod. Bis zum November 1988 forderte die Katastrophe von Ramstein noch 36 weitere Todesopfer (dpa/Rainer Kling)
    Es war 15:45 Uhr, als am 28. August 1988, einem Sonntag, beim Flugtag auf der US-Luftwaffenbasis Ramstein die Hölle losbrach.
    Augenzeugin: "Ich hab’s nur knallen hören und sah das Feuer und bin dann weggerannt. Und ich dachte, ich verbrenne. (…) Die, die unmittelbar davorstanden, in der anderen Richtung, die konnten sich gar nicht retten."
    Vor über 300.000 Zuschauern kollidierten in Ramstein drei Düsenjäger der italienischen Kunstflugstaffel "Frecce Tricolori", die mit ihren grün-weiß-roten Kondensstreifen eine komplizierte Figur an den Himmel malen wollten: das "durchstoßene Herz". Dabei teilten sich neun Maschinen der Zehnerformation in zwei Gruppen. Die zehnte Maschine sollte dieses Herz nach oben hin schräg durchstoßen – wie ein Pfeil. Was dann geschah, das hielt der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zum "Flugunglück von Ramstein" wie folgt fest:
    "Bei diesem Manöver stieß der Solopilot mit den Luftfahrzeugen Nummer 1 und Nummer 2 der ersten Teilformation zusammen, weil er ca. 4 Sekunden zu früh und in zu tiefer Flugbahn den vorgesehenen Kreuzungspunkt erreichte. Die beiden betroffenen Luftfahrzeuge der Fünferformation schlugen im Bereich des südlichen Rollweges auf und brannten aus. Das brennende Luftfahrzeug des Solopiloten stürzte in Fortsetzung seiner ursprünglichen Bewegungsrichtung auf den Zuschauerbereich hin ab und explodierte beim Aufprall."
    Der Flugtag sollte ein Fest werden
    Trümmerteile flogen in die Menge, eine Wolke von brennendem Kerosin ging auf die Zuschauer nieder. 31 starben sofort, auch drei Piloten fanden den Tod. Etwa 1.000 Menschen wurden verletzt. Viele hatten schwere Verbrennungen und Splitterwunden. Bis zum November 1988 forderte die Katastrophe von Ramstein noch 36 weitere Todesopfer. Es war ein Desaster, auch aus der Sicht von Katastrophenmedizinern, denn es gab keine hinreichende Koordination zwischen deutschen Hilfsdiensten und denen der U.S. Air Force. Amerikaner transportieren Verletzte unversorgt in Bussen und auf Pritschenwagen ab, Rettungshubschrauber mussten sich ihre Ziele auf eigene Faust suchen, Spezialkliniken blieben leer. Ein Desaster, in der Tat. Aber ein Desaster, vor dem nicht nur Friedensgruppen, denen die Demonstration fliegender Kriegsmaschinen ein Gräuel war, gewarnt hatten. – Die SPD-Politikerin Rose Götte, damals Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Kaiserslautern, in dem Ramstein liegt:
    "Wir haben Verständnis dafür, dass die Öffentlichkeit fragt, wie es kommen konnte, dass so viele Bitten, Resolutionen, Warnungen, Gespräche, die gerade in meinem Wahlkreis mit dem Ziel geführt wurden, diese Flugschau zu verhindern, bei den Verantwortlichen ohne Wirkung geblieben sind."
    Der Flugtag sollte ein "Fest der deutsch-amerikanischen Freundschaft" werden – mit Barbecue, Bier, Icecream und eben: Luftakrobatik. Kritik, die vorab von Politikern aus der lärmgeplagten Umgebung der US-Luftwaffenbasis gekommen war, wies das für die Genehmigung zuständige Bundesverteidigungsministerium zurück. Ein Schreiben von Staatssekretär Würzbach (CDU) an einen Abgeordneten des rheinland-pfälzischen Landtages:
    "Die Bürger unseres Landes, denen u.a. aufgrund der Tieffliegerausbildung (…) ein hohes Maß an Lärmbelästigung zugemutet werden muss, haben als Staatsbürger ein Anrecht darauf, zu erfahren, wie die von ihnen aufgebrachten erheblichen finanziellen Mittel für die Verteidigung (…) umgesetzt werden."
    Ansprüche der Opfer bereits drei Jahre später verjährt
    Viele, die die Katastrophe überstanden, sind bis an ihr Lebensende gezeichnet. Ein Mann, der in Ramstein Frau und Kind verlor und selbst schwerste Verbrennungen erlitt:
    "Die Verletzungen, die ich habe, unter denen muss ich immer noch leiden, und die sehe ich jeden Tag. (…) Von daher gibt’s eigentlich keinen Tag, an dem ich das Ganze mal ein bissel auf die Seite schieben kann oder vergessen kann, das geht net."
    Während für den Tod von Angehörigen, für Sachschäden, medizinische Behandlungen und physische Schmerzen Gelder aus einem Entschädigungsfonds gezahlt wurden, gingen die Opfer posttraumatischer Belastungsstörungen leer aus. Laut Urteil des Landgerichtes Koblenz waren ihre Ansprüche bereits drei Jahre nach dem Inferno von Ramstein verjährt. Die Psychotherapeutin Sybille Jatzko, die viele Jahre mit Selbsthilfegruppen arbeitete:
    "Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die deutschen Betroffenen und Hinterbliebenen von dem eigenen Staat im Stich gelassen wurden."