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Vor 30 Jahren: "Waterkantgate"
Uwe Barschels "Ehrenwort"

Es war einer der größten Polit-Skandale der Bundesrepublik, als herauskam, dass der schleswig-holsteinische CDU-Ministerpräsident Uwe Barschel seinen SPD-Kontrahenten Björn Engholm angeblich abhören ließ. Am 18. September 1987 schwört Barschel öffentlich seine Unschuld - drei Wochen später ist er tot.

Von Andreas Baum | 18.09.2017
    Uwe Barschel weist bei einer Pressekonferenz am 18. September 1987 mit einem "Ehrenwort" alle Beschuldigungen zurück. - Der frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) wird nach den neuesten Erkenntnissen aus dem "Schubladenausschuss" über die Kieler Affäre von 1987 "posthum" zum Teil entlastet. Danach kann nicht bewiesen werden, dass Barschel 1987 den Auftrag für die von seinem Referenten Reiner Pfeiffer im Wahlkampf gegen Björn Engholm (SPD) organisierten Aktionen gab. Selbst eine bloße Mitwisserschaft Barschels an der Bespitzelung des damaligen Oppositionsführers sei nicht belegt.
    "Ich wiederhole: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort" - Uwe Barschel, am 18.9. 1987 vor der Presse. (dpa)
    Am 31. Mai 1987 gegen 22 Uhr 15 startet ein kleines Geschäftsflugzeug vom Flughafen Köln-Bonn in Richtung Lübeck. Einer der Passagiere: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Uwe Barschel.
    In Norddeutschland herrscht schlechte Sicht. Kurz vor der Landung streift die Maschine einen Funkmasten und stürzt ab. Der Chef des kleinen Flughafens von Lübeck-Blankensee, Harry Kleinschmidt, nach dem Unglück: "Wir haben mit Helfern die Personen geborgen, die wir gesehen haben. Der Ministerpräsident Dr. Barschel ist leichter verletzt, aber stand doch unter Schockwirkung."
    Die Piloten und ein Leibwächter überleben nicht. Barschel dagegen wird nach kurzer Zeit aus dem Krankenhaus entlassen und kehrt zurück in den Wahlkampf seines Bundeslandes.
    Auf seine Anhänger und die Wähler wirkte der 43-Jährige nach dem Unfall verändert. Manche sagten: geläutert. Trutz Graf Kerssenbrock, CDU-Abgeordneter, später Obmann im Untersuchungsausschuss, nahm ihm seine Verwandlung von Anfang an nicht ab:
    "Ich kann nur sagen: Es war glänzend geschauspielert. Er war ein absoluter Profi in diesen Dingen, der ja auch teilweise unter aufputschenden Mitteln stand, und der dann, durch diese auch Selbstüberschätzung, diese Rolle, die er da spielte, noch in extenso ausspielte, das muss man sagen."
    Denn Barschel war sehr viel schwerer verletzt, als er zeigte. Björn Engholm, der Kandidat der SPD, wirkte im Vergleich zu ihm entspannt und ruhig, freundlich und verbindlich. Frauen mochten ihn, er galt als weltgewandt und würdig, das Land zu repräsentieren.
    Barschel ließ das keine Ruhe, so Graf Kerssenbrock: "Er war furchtbar geknickt und elektrisiert, wenn Engholm im Grunde relativ inhaltsleere, aber sehr viel besser ankommende Reden im Landtag hielt, als er selbst. Und er hat natürlich immer mehr gespürt, dass die Mehrheit baden ging."
    Medienreferent Pfeiffer - Der Mann fürs Grobe
    Ärzte hatten Barschel starke Schmerzmittel verschrieben - und ein Psychopharmakon. Nach außen wirkte er allerdings unangreifbar. Am 7. September 1987 veröffentlichte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" Details aus dem Wahlkampf: Der Ministerpräsident sollte angeordnet haben, Herausforderer Engholm als pädophil und bisexuell zu verunglimpfen, hieß es.
    Später bestätigte sich, was dort stand: Privatdetektive hatten Engholms Liebesleben ausgespäht, Barschels Medienreferent Reiner Pfeiffer hatte ihm eine HIV-Infektion angedichtet.
    Reiner Pfeiffer am 16.9.1987 neben einem Zeitungskiosk in Hamburg
    Der einstige Sprecher von Uwe Barschel, Reiner Pfeiffer , am 16.9.1987 an einem Zeitungskiosk in Hamburg (Picture Alliance / dpa / Peters)
    Als Barschel seinen "Mann fürs Grobe" allerdings beauftragt hatte, eine Wanze zu besorgen, die er in seinem eigenen Telefon anbringen wollte, um – nach einer inszenierten Durchsuchung – Engholm einen Abhörskandal anzuhängen, hatte selbst Pfeiffer
    Skrupel bekommen und war zu einem Notar gegangen – und, Anfang September, zum "Spiegel". Der zögerte nicht – und veröffentlichte. Barschels Reaktion: "Das einzige, was an dem Artikel stimmt, ist die Schreibweise meines Namens!"
    Landtagswahlen enden unentschieden
    Die Landtagswahlen vom 13. September 1987 ergaben ein Patt: CDU und FDP hatten ebenso viele Sitze erlangt wie die Oppositionsparteien SPD und Südschleswigscher Wählerverband. Während um die Regierungsbildung gerungen wurde, diskutierte die gesamte Republik über den Skandal, der als "Waterkantgate" Geschichte schrieb. Als Uwe Barschel am 18. September 1987 vor die Mikrophone trat, widerlegte er Punkt für Punkt die Vorwürfe. Aber das war nicht alles.
    O-Ton Uwe Barschel: "Über diese Ihnen gleich vorzulegenden eidesstattlichen Versicherungen hinaus gebe ich
    Ihnen, gebe ich den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Schleswig-Holsteins und der gesamten deutschen Öffentlichkeit mein Ehrenwort – ich wiederhole: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort! – dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind."
    Der ungeklärte Tod in Genf
    Aber die Journalisten recherchierten weiter. Als sie Barschel der ersten Lügen überführten und herauskam, dass er seinen Fahrer und seine Sekretärin zu Falschaussagen gezwungen hatte, trat er zurück, freilich ohne echte Reue zu zeigen.
    Uwe Barschel im Wortlaut: "Es bleibt die Tatsache, dass die Taten Pfeiffers aus der Pressestelle der Landesregierung heraus begangen wurden. Dafür übernehme ich die politische Verantwortung, obwohl sie ohne mein Mitwirken und auch ohne mein Mitwissen geschehen sind."
    Neun Tage später war Barschel tot. Ein Reporter fand ihn in einer Badewanne eines Hotelzimmers im Genfer Hotel Beau Rivage. Er starb an einem Medikamentencocktail. Ob es sich um Mord oder Selbstmord, Sterbehilfe oder eine versehentliche Überdosierung gehandelt hat, ist bis heute ungeklärt.