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Vor 40 Jahren gestorben
Oskar Kokoschka: Maler des Expressionismus

Oskar Kokoschka begann als avantgardistischer Maler in Wien, stellte sich aber zeitlebens gegen Genreschubladen. Der Künstler, der ab 1934 im Exil in Prag und London lebte, wandte sich mit Bildern und Worten gegen den Nationalsozialismus und die Gräuel des Zweiten Weltkriegs.

Von Carmela Thiele | 22.02.2020
    Oskar Kokoschka, Maler, Grafiker, Dichter, steht auf dem Dach des Axel Springer-Hauses in Berlin an der Leinwand und malt
    Oskar Kokoschka unterstellte seine Kunst keinen Konventionen (picture alliance / Sven Simon)
    Es gibt viele Geschichten über Oskar Kokoschka: Die des avantgardistischen Malers in Wien, der sich in Alma Mahler, die Witwe des Komponisten Gustav Mahler, verliebte. Die Erzählung vom Porträtisten großer Persönlichkeiten, darunter Arnold Schönberg, Ezra Pound und Konrad Adenauer. Oder die Geschichte eines einfachen Jungen aus Österreich, der unter der Schulbank heimlich Weltliteratur las. Die meisten Versionen dieses Epos stammen vom Künstler selbst, denn Kokoschka kontrollierte - wenn möglich - die Texte, die andere über ihn und sein Werk schrieben. Beispielsweise hielt er nichts von Stil- und Genre-Schubladen. Ihm ging es um das Universelle.
    "Meinen Schülern halte ich immer vor Augen, dass weder Dogmen noch Theorien zum Wesen der bildenden Kunst gehören. Die bildende Kunst ist vornehmlich als Expression eines Erlebnisses zu verstehen, wie es den Menschen schockartig aus seiner Alltäglichkeit herausreißt, ihn anspringt und ihn in eine geistige Ebene erhebt."
    Im Umkreis der Wiener Werkstätten
    Kokoschka war kein Maler, der sich morgens um neun an die Staffelei stellte, um malerische oder theoretische Probleme zu lösen. Da war vielmehr ein diffuser Wunsch nach Ausdruck, der den 1886 in Pöchlarn geborenen Sohn eines Handlungsreisenden im Alter von 18 Jahren an die Kunstgewerbeschule in Wien brachte. Dort trieb der Jugendstil exotische Blüten, Erkenntnisse über die Evolution und die aufkommende Psychoanalyse brachten das bisherige Menschenbild ins Wanken. Im Umkreis der Wiener Werkstätte fand der junge Kokoschka seinen ersten Förderer, den Architekten Adolf Loos:
    "In der Zeit, in der ich in der Kunstgewerbeschule war, hat Loos mich immer überzeugt, dass der Mensch hinter diesen ganzen Dekorationen stecken muss, der wirkliche Mensch. Und er sagte: Du machst jetzt Porträts von Leuten, die ich dir zeige."
    Oskar Kokoschka (r.), Maler, Dichter, Grafiker, malt Konrad Adenauer, CDU-Politiker und Alt-Bundeskanzler, der mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger auf Kokoschka deutet.
    Oskar Kokoschka malt den Politiker und Alt-Bundeskanzler Konrad Adenauer (picture alliance / Sven Simon)
    Die Bildnisse gerieten jedoch so dramatisch, dass kaum einer der Dargestellten sie kaufen wollte. Mit züngelndem Pinselstrich modellierte Oskar Kokoschka die Figuren aus dem dunklen Bildgrund. Über Adolf Loos lernte Kokoschka auch den Berliner Schriftsteller Herwarth Walden kennen, den Gründer der Avantgarde-Zeitschrift "Der Sturm". Dort fanden Expressionisten, Futuristen und Abstrakte gleichermaßen eine Plattform für ihre Ideen, die sich gegen die offiziell geltende, akademische Kunst wandten.
    "Es waren doch damals Kunstmoden herrschend, die absolut autoritative Geltung hatten. Und trotzdem: die Jugend hat das abgelehnt und hat die geistigen Ideen des ‚Sturm‘ aufgenommen, eine Richtung gegen den Formalismus, gegen Ideologien, nicht nur mit Worten, sondern mit Taten. Plötzlich malten die Leute alle anders, in Paris, Spanien, Portugal, in Südamerika, jeder Vogel sang sein Lied."
    Reisen in den Nahen Osten und nach Afrika
    Als der Galerist Paul Cassirer Kokoschka 1915 unter Vertrag nahm, wütete schon der Erste Weltkrieg. Vier Jahre später wurde der Maler Professor an der Kunstakademie Dresden. In jener Zeit bereiste er jedoch hauptsächlich Europa, den Nahen Osten und den Norden Afrikas. Diese Episode des Erfolgs und der Freiheit endete mit dem Erstarken der nationalsozialistischen Kräfte in Deutschland. 1934 emigrierte Kokoschka nach Prag. Von dort aus flüchtete er nach London. Am Radio verfolgte er den Verlauf des Zweiten Weltkriegs. Als Dresden bombardiert wurde, empfand er das als humane Katastrophe.
    "Aus diesem Grunde habe ich dann eine Reihe von politischen Bildern in England gemalt (...). Denn man muss immer den Mut zu seinen Überzeugungen haben. Ein politisches Bild ist für mich nicht im Sinne eines Pamphlets zu verstehen. Ich will ja nicht Menschen oder Gesellschaftsordnungen verbessern. Aber ich habe das Recht, zu sagen, was ich mit eigenen Augen sehe."
    Seine Malerei lebte seit den 1930er-Jahren wieder von seinem hypernervösen Pinselstrich. Seine allegorischen, figurativen, nun aber buntfarbigen Gemälde mit verschachtelten Bildräumen wirken heute wie Vorläufer des Bad Painting und der Malerei der Neuen Wilden. Diese Tendenzen hat Oskar Kokoschka, der am 22. Februar 1980 in der Schweiz starb, jedoch nicht mehr miterlebt. Wohl aber konnte er sich noch über das Erscheinen der vierbändigen Ausgabe seiner Dramen, Vorträge und Aufsätze freuen. Ein Baustein mehr, um seine Vision der Kunst der Nachwelt zu überliefern.