Freitag, 19. April 2024

Archiv

Vor 40 Jahren im Bundestag
Gleichbehandlung von Frauen im Arbeitsleben wird Gesetz

Es klang bedeutsam: "Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz". Am 25. Juni 1980 wurde es vom Bundestag verabschiedet. Doch das Gesetz war lediglich ein Appell an das Wohlverhalten der Arbeitgeber. Konkrete Verbote enthielt es nicht.

Von Monika Köpcke | 25.06.2020
    Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD, r) sitzt 1980 auf der Regierungsbank im Bonner Bundestag und liest den General-Anzeiger. Bundesaußenminister Hans Dietrich Genscher (FDP, M) liest mit. Links Innenminister Gerhart Baum (FDP).
    Regierungsbank 1980: Innenminister Gerhart Baum (FDP, v.l.), Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) und Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) (dpa/picture-alliance/ DB Bundespresseamt)
    "Bei den Beamten beobachtet man, dass der Anteil der Beamtinnen in dem Maße abnimmt, wie ihre Stellung innerhalb der Beamtenhierarchie steigt. Und eine Kollegin sagte einmal: Ganz oben gibt es nur noch Spurenelemente."
    "Wenn wir die Zukunft sehen, doch zwei Lösungsmöglichkeiten sich anzudienen scheinen. Einmal die: zurück mit der Frau mehr in den Haushalt und zu dem Kinde. Oder ist insbesondere die jüngere Generation bereits psychisch so weit umgeformt, dass sie also diese Lösung überhaupt schon gar nicht mehr akzeptiert? "
    "Die Lufthansa hat einer Pilotin geschrieben auf ihre Bewerbung hin: Wir stellen grundsätzlich keine Frauen als Pilotin ein. Daraufhin hat sie jetzt einen Musterprozess geführt, der ist noch anhängig. Und dieser Prozess basiert nur auf dem Grundgesetz, auf dem Artikel 3, wonach Frauen und Männer gleichberechtigt sind. "
    Beiträge aus einer Rias-Diskussionsrunde über die Berufstätigkeit von Frauen in der Bundesrepublik aus dem Jahr 1975. Das Grundgesetz war zu diesem Zeitpunkt schon seit 26 Jahren in Kraft, doch Papier ist bekanntlich geduldig.
    Jahrzehntelang keine Gleichberechtigung im Arbeitsleben
    Erst 1977, mit der großen Familienrechtsreform, wurde die sogenannte Hausfrauenehe abgeschafft. Frauen durften erstmals allein entscheiden, ob und wie sie erwerbstätig sein wollten. Im Arbeitsleben selbst herrschte damit noch lange keine Gleichberechtigung. Männer besetzten die interessanten Arbeitsplätze, stiegen eher auf und verdienten auch bei gleicher Arbeit mehr als ihre Kolleginnen.
    Im November 1978 meldeten die Nachrichten: "Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, betrug der durchschnittliche Bruttostundenlohn von Arbeitern in diesem Monat zwölf Mark 68, während Arbeiterinnen nur neun Mark 24 erhielten."
    Bundestagsdebatte zum Weltfrauentag - "Gleichstellung ist kein Naturgesetz"
    Anlässlich des Weltfrauentags am Sonntag debattiert der Bundestag über die Situation von Frauen in Deutschland. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey fordert, den Frauenanteil in deutschen Parlamenten zu erhöhen. Frauen müssten in allen Lebensbereichen dieselben Chancen wie Männer haben.
    Die Bundesregierung nahm das Thema lange nicht ernst - im Gegensatz zur Europäischen Gemeinschaft. 1975 und 1976 wurden zwei Richtlinien europäisches Recht, nach denen Frauen weder bei der Einstellung, der Entlohnung noch beim beruflichen Aufstieg benachteiligt werden durften.
    Wie alle EG-Mitgliedsstaaten musste auch Deutschland seine Gesetze den europäischen Richtlinien anpassen. Doch so richtig eilig hatte es die sozialliberale Koalition damit nicht. Erst als der Europäische Gerichtshof mit einem Verfahren drohte, stampfte das Kabinett ein neues Gesetz aus dem Boden. Am 25. Juni 1980 wurde das "EG-Anpassungsgesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz" im Bundestag verabschiedet.
    Lächerliche Strafe
    "Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder Kündigung nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen."
    Das klang gut - vor allem in den Ohren der Arbeitgeber. Denn das Gesetz war lediglich ein Appell an ihr Wohlverhalten, konkrete Verbote enthielt es nicht.
    Der FDP-Abgeordnete Dieter-Julius Cronenberg: "Weil wir das Vertrauen haben, dass der gute Wille der Arbeitgeber das gleiche Ergebnis erzielen wird. Und weil wir es einfach nicht lieben, unnötig mit dem Knüppel zu drohen. Lassen Sie den Arbeitgebern doch die Chance, das zu praktizieren, was der Gesetzgeber will, ohne gleich mit der Strafe zu drohen."
    Schon bald wurde das neue Gesetz als "Porto-Paragraf" verspottet. Denn die Strafe für eine nachgewiesene Benachteiligung war lächerlich: Der Arbeitgeber musste lediglich die angefallenen Kosten für die Bewerbung erstatten. Auch in Brüssel war man mit dieser laschen Umsetzung nicht zufrieden und erteilte Deutschland eine Rüge. Für Nachbesserungen ließ man sich auch diesmal viel Zeit: Erst 1994 trat das "Zweite Gleichberechtigungsgesetz" in Kraft, das schmerzhaftere Sanktionen enthielt.
    Und seit 2006 soll das "Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz" auch Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts verhindern. Auf dem Papier ist also alles klar. Dass Frauen aktuell bei gleicher Qualifikation nur 28 Prozent der Führungspositionen besetzen, dass sie 21 Prozent weniger Geld als ihre männlichen Kollegen verdienen und dass ihre Rente fast um die Hälfte niedriger als die der Männer ist - all das steht auf einem anderen Blatt.