Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Vor 400 Jahren
Als Kepler herausfand, wie die Planeten sich bewegen

Bis Mitte des 16. Jahrhunderts glaubten die Astronomen, die Erde stünde in der Mitte des Universums. Dann rückte Nicolaus Copernicus die Sonne ins Zentrum. Doch auch er konnte nicht genau erklären, wie die Planeten um die Sonne herum laufen. Das gelang erst 75 Jahre später Johannes Kepler.

Von Dirk Lorenzen | 15.05.2018
    Johannes Kepler, Kopie eines verlorengegangenen Originals von 1610
    Johannes Kepler (1571-1630), Entdecker der Gesetze der Planetenbewegung (Kepler)
    Fast ein Vierteljahrhundert lang hatte sich Johannes Kepler über den Lauf der Planeten den Kopf zerbrochen. Anfangs rein philosophisch, ab dem Jahr 1600 mit Hilfe der Beobachtungsdaten des dänischen Astronomen Tycho Brahe. Immer neue Berechnungen sollten das Geheimnis des Kosmos lüften – Fehlschlag folgte auf Fehlschlag. Doch Kepler ließ sich nicht entmutigen. Zu sehr hoffte er, ihm würde sich ein wunderschönes, gleichsam göttliches Gesetz offenbaren, das den Aufbau des Planetensystems erklären könnte.
    "Am 8. März des gegenwärtigen Jahres 1618 kam mir die Lösung in den Kopf. Ich hatte aber keine glückliche Hand und als ich die Lösung durch Berechnungen nachprüfte, verwarf ich sie als falsch. Schließlich fiel sie mir am 15. Mai wieder ein und besiegte bei einem neuen Angriff die Finsternis meines Geistes."
    Endlich war es gelungen. In seinem Werk "Harmonices Mundi", die "Weltharmonik", veröffentlichte Johannes Kepler die Rechenregel, um die Entfernungen der Planeten zu ermitteln – heute als 3. Keplersches Gesetz bekannt, erklärt der Physiker David Walker vom Förderverein Hamburger Sternwarte.
    "Das 3. Keplersche Gesetz macht eine Aussage darüber, wie man aus der Umlaufzeit eines Planeten, die eine messbare Größe ist, die Entfernung eines Planeten berechnen kann, die keine direkt messbare Größe ist zunächst. Man kann einfach durch Beobachtung dann die Entfernung der Planeten zur Sonne herausbekommen. Muss dazu allerdings die Entfernung Erde-Sonne kennen, ansonsten bekommt man immer nur relative Maße, also alle Planetenentfernungen in Einheiten der Entfernung Erde-Sonne."
    Noch kein rein rationaler Astronom
    Johannes Kepler wusste nun, dass Mars knapp doppelt so weit von der Sonne entfernt ist wie die Erde – Jupiter etwa fünfmal. Diese Entdeckung gelang ihm nur Tage vor dem Prager Fenstersturz. Kepler selbst war als Protestant etliche Male in die Wirren der Gegenreformation geraten, hatte mehrfach umziehen und zudem seine Mutter aus einem sich lange hinziehenden Hexenprozess herauspauken müssen. Welch ein Triumph für ihn, gerade jetzt sein großes Ziel erreicht zu haben.
    "Vergeblich grollt, murrt, brüllt der Kriegsgott und versucht, mit seinen Bombarden, Trompeten und seinem ganzen Tatrata zu stören. Lasst uns das barbarische Getön verachten, das durch diese edlen Länder hallt, und unser Verständnis für die Harmonien und unser Sehnen nach ihnen wecken."
    Johannes Kepler war noch kein rein rationaler Astronom. Seiner schwärmerischen Überzeugung nach konnten nur musikalische Harmonien dem Abstand der Planeten zugrunde liegen. Tatsächlich hatte er nun seine ersehnte "Weltharmonik" gefunden, die Regel für den Aufbau des Sonnensystems. Doch die Bedeutung seines Dritten Gesetzes hat er letztlich nicht erfasst. Es taucht in seinem Werk erst als achter von dreizehn astronomischen Hauptsätzen auf – dabei markiert es den Anfang der modernen Astrophysik, erklärt David Walker:
    "Kepler hat gezeigt, wie die Planeten sich bewegen. Im Grunde ist es eine Widerspiegelung des Gravitationsgesetzes, das dann ja von Newton kam, aber erst ungefähr 100 Jahre später."
    Abstand und Umlaufzeit an der Erde geeicht
    Manche halten es für eine der größten Leistungen Isaac Newtons, im Gestrüpp von Keplers Text die Kernaussage des Dritten Gesetzes entdeckt zu haben. Newton vollendete es 1687 zur Theorie der Gravitation, nach der die Massenanziehung der Sonne die Planeten auf ihre Bahnen zwingt. Aber auch Isaac Newton konnte nur die relativen Abstände im Planetensystem angeben, weil die absolute Entfernung der Erde von der Sonne noch unbekannt war. Das änderte sich erst nach 1769:
    "Im 18. Jahrhundert gab es eine Expedition in die Südsee, die von James Cook geleitet wurde. Da versuchte man anhand eines Venusdurchgangs der von verschiedenen Stellen auf der Erde beobachtet wurde, diese Entfernung herauszubekommen. Bis dahin war die Entfernung Erde-Sonne nur recht ungenau bekannt, heute macht man es mit Radarmessungen, an der Venus zum Beispiel."
    Nach Cooks Expedition war klar, dass zwischen Erde und Sonne rund 150 Millionen Kilometer liegen. Damit war der Zusammenhang von Abstand und Umlaufzeit an der Erde geeicht – und so ließ sich sofort die Kilometer-Entfernung aller Planeten angeben. Mittlerweile vermessen die Astronomen mit Radarwellen den Abstand zu unserem Nachbarplaneten Venus. Für alle weiteren Objekte im Sonnensystem kommt dann das dritte Keplersche Gesetz zum Einsatz. Das ist heute so aktuell wie eh und je.