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Vor 50 Jahren gestorben
Eisprinzessin und Hollywood-Diva Sonja Henie

Immer ihrer Zeit voraus: Die Norwegerin Sonja Henie revolutionierte mit ihrem Stil das Eiskunstlaufen und schlug aus ihrem Können finanzielles Kapital: Als Revue- und Hollywoodstar verdiente sie Millionen. Sie war emanzipiert und selbstbewusst - womit sie sich nicht nur beliebt machte.

Von Eduard Hoffmann | 12.10.2019
    Die erfolgreiche norwegische Eiskunstläuferin Sonja Henie
    Sonja Henie, norwegische Eiskunstläuferin, erkannte früh das kommerzielle Potenzial des Eiskunstlaufs. Sie ging in die USA und erfand eine neue Show-Gattung: die Eisrevue. (dpa/ UPI)
    "Nummer 52, Fräulein Henie, Norwegen" (Beifall)
    Reporter: "Soeben wurde die Weltmeisterin und mehrfache Olympiasiegerin Sonja Henie angekündigt, die jetzt ihren Dreierparagraphen rechts rückwärts auswärts laufen wird, die fünfte Pflichtfigur."
    Olympische Winterspiele 1936 in Garmisch Partenkirchen. Die 23-jährige norwegische Eiskunstläuferin ist auf dem Weg zur nächsten Goldmedaille.
    "Jetzt ist der Schlangenbogen dran, sie kommt auf vorwärts einwärts, dicht geht der Spielfuß heran an den Standfuß, damit die Wendung tadellos gelingt. Und in einer souveränen, königlichen Haltung ist sie mit der Figur fertig."
    Mit ihrer Kür gewinnt Sonja Henie ihr drittes olympisches Gold in Folge. Die Krönung einer unglaublichen Karriere mit zehn Welt- und sechs Europameistertiteln.
    Vom Vater extrem gefördert
    Der wohlhabende Vater, ein Pelzhändler und selbst Radleistungssportler, habe seine 1912 in Oslo geborene Tochter gefördert, wo er nur konnte, sagt der Kölner Sporthistoriker Ansgar Molzberger:
    "Er hat eine Eisbahn bauen lassen, er hat die besten Trainerinnen und Trainer für sie engagiert, sie hat Ballettunterricht genossen, und all das zusammen mit ihrem Trainingsfleiß und der Steuerung des Vaters hat dann dazu geführt, dass sie sehr jung sehr erfolgreich schon war."
    Noch als Kind, mit elf Jahren, startete sie 1924 bei den ersten Olympischen Winterspielen in Chamonix. Und verblüffte Publikum und Fachleute gleichermaßen mit ihrem leichten, unbeschwerten und anmutigen Lauf auf dem Eis.
    "Was neu war für die damalige Zeit, was man ihr zuschreibt, eben dass sie im kurzen Röckchen angetreten ist. Bis dahin hatte man Eiskunstlaufen, die Frauen, ja im langen Kleid praktiziert. Sie hat choreographisch gearbeitet, das In-Szene-Setzen, was in dieser Sportart ja sehr wichtig ist, das hat sie sehr früh perfektioniert."
    Vom Publikum geliebt - und von den Nazis
    Die junge, temperamentvolle Norwegerin setzte auf tänzerische Eleganz und künstlerische Ausdruckskraft. Sie wagte als Erste Doppelsprünge, ein höheres Tempo und brachte so neuen Schwung in den Eiskunstlauf. Der bis dahin eher behäbige Sport wurde nun auch für das Publikum attraktiver. Mit ihren flotten Auftritten hatte sie als Teenager schon die Berliner im Sportpalast begeistert.
    Bald bemühten sich auch die Nazis um den blonden Star. Hitler lud sie mehrmals zum Essen ein, Joseph Goebbels unterstützte ihre Filmkarriere in Deutschland, und 1942, nach der Besetzung Norwegens, verschonten deutsche Offiziere Sonja Henies Besitz.
    Erfinderin der Eisrevue
    In einer Zeit, in der sich Sport zum Massenphänomen entwickelte, erkannte die geschäftstüchtige Norwegerin früh das kommerzielle Potenzial des Eiskunstlaufs. Sie ging in die USA und erfand eine neue Show-Gattung: die Eisrevue.
    "Ich bin Professional geworden in 1936 in Madison Square Garden in New York. Ich habe damals gestartet Hollywood Eisrevue. Und wir haben ungefähr 250 Leute mitgebracht und das war eine sehr schöne Show und wir haben da großen success gehabt in Madison Square Garden."
    Die Shows füllten riesige Stadien. Sonja Henie machte das Eiskunstlaufen weltweit populär und sich selbst zu einer der reichsten Frauen. Gleichzeitig drängte sie ins Filmgeschäft. Von 1937 bis 1948 entstanden in Hollywood zwölf erfolgreiche Eisrevue-Filme, von der Diva selbst choreographiert und natürlich mit ihr in der Hauptrolle.
    Rücksichtlos - oder als Frau nur ungewöhnlich selbstbewusst?
    Immer wieder behaupteten Kolleginnen und Freunde, sie sei selbstsüchtig und rücksichtslos gewesen. Das ungewohnt kesse und selbstbewusste Auftreten Sonja Henies, so Sporthistoriker Ansgar Molzberger, habe aber durchaus zum neuen, emanzipierten Frauenbild gepasst, das sich in den 1920er-Jahren besonders auch im Sport entwickelt habe.
    "Beim Mann hätte man vielleicht gesagt, er hat seine Karriere vorangetrieben, und im Frauenbild der damaligen Zeit wird dann gesagt, das ist aber mit Ellbogen und rücksichtslos. Also es heißt immer, sie hätte zur damaligen Zeit bereits ein Vermögen von circa 50 Millionen Dollar angehäuft. Und das erreiche ich wahrscheinlich nicht, indem ich immer zu allen lieb und brav und rücksichtsvoll bin, also da muss ich schon, wie man heute so schön sagt, mein Ding durchziehen."
    Die "Königin auf dem Eis", die dem Leistungssport Kindheit und Jugend geopfert hatte, erkrankte 1968 an Leukämie. Am 12. Oktober 1969, als sie zu einer Bluttransfusion von Paris nach Oslo reiste, starb Sonja Henie während des Fluges in ihre Heimatstadt.