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Vor 50 Jahren gestorben
Fritzi Massary - Berlins Publikumsliebling der 20er

Sie hatte sich die Bühne zäh erkämpfen müssen: Fritzi Massary stieg in den 1920er-Jahren zur gefeierten Revue- und Operettensängerin auf, Berlin lag ihr zu Füßen. Mit der Entscheidung, 1939 in die USA zu emigrieren, endete jedoch Massarys Karriere. Vor 50 Jahren verstarb sie mit 86 Jahren.

Von Beatrix Novy | 30.01.2019
    Fritzi Massary mit Hut und Schirm
    Fritzi Massary war eine gewissenhafte Arbeiterin des Gute-Laune-Genres (pictuce alliance / dpa / akg-images)
    Als die 86-jährige Fritzi Massary am 30. Januar 1969 starb, wurde sie in Hollywood begraben. Und nicht in Berlin - der Stadt, die ihr jahrzehntelang zu Füßen gelegen hatte.
    "1904 kam ich nach Berlin, was ich geliebt habe. Ich habe die Luft geliebt, die die beste war."
    Eine jahrelange Liebes-Affäre
    1932 wurde die Berliner Luft giftig. Randalierende Nazis belehrten die bis dahin unpolitische Fritzi Massary mit Sprechchören, dass sie Jüdin, also unerwünscht war - wie so viele Künstler, die im Berlin der Weimarer Zeit die Theatersäle gefüllt hatten. Noch bevor Hitler an die Macht kam, entschieden sich Fritzi und ihr Mann, der große Charakterkomiker Max Pallenberg, das Land zu verlassen. Damit endete die Karriere einer Revue- und Operettensängerin, deren Erfolg ein echtes Phänomen war.
    "Zwischen der Massary und dem deutschen Publikum bestand eine jahrelange Liebesaffäre. Wilhelminische Offiziere, ostelbische Junker, preußische Adlige waren vernarrt in sie. Auch die Frauen liebten sie."
    Besonders Letzteres wunderte den Regisseur Fritz Kortner. Auch nicht ganz selbstverständlich war die Ergebenheit so vieler Kritiker, denen ihre Rezensionen ebenfalls zu Liebeserklärungen gerieten.
    Kritiker gingen vor Massary in die Knie
    "Ihr Hamlet-Monolog bestand aus einem Wort: Olala!"
    Diese Worte des Schriftstellers Ludwig Marcuse galten damals noch als Anerkennung. Vor Fritzi Massary gingen sogar Kritiker in die Knie, die den überbordenden Berliner Varieté- und Operettenbetrieb im Allgemeinen für teuren Schund hielten.
    Alfred Döblin, Kurt Tucholsky, Alfred Polgar, Heinrich Mann und so viele andere – wieso erhöhten sie das Trallala zu "göttlicher Mittelmäßigkeit" oder "abgründiger Obszönität"? Wieso vermochte diese nicht sehr große Stimme, die ununterbrochen Gesangsunterricht brauchte, das Publikum so lange bei der Stange zu halten?
    "Ich finde, das Erfolghaben ist nicht so arg, ist nicht so schwer, wenn man Talent hat. Einen Erfolg zu halten, 30 Jahre, das finde ich, ist eine Leistung, die ich also anerkenne, auch mir gegenüber."
    Gewissenhafte Arbeiterin des Gute-Laune-Genres
    Die 1882 in Wien geborene Tochter jüdischer Kaufleute hatte sich den Weg zur Bühne zäh und manchmal hungernd erkämpft, bevor sie im Berliner Metropol-Theater endgültig zum Star aufstieg. Mit opulenten Ausstattungsrevuen, mit Operetten von Franz Lehár, Jacques Offenbach, Leo Fall, Oscar Straus. Es galt als Spezialität dieser besonders gewissenhaften Arbeiterin des Gute-Laune-Genres, noch aus Nichts etwas zu machen.
    "Proben, ach, das ist das Beste und Schönste. Da spürt man, dass man begabt ist, was man am Abend nicht so spürt."
    Üben Üben Üben: Minimale Bewegungen, flüssiger Wechsel von dreister Anzüglichkeit und zarter Intonation, kleine Pausen im Lied - alles exakt geplant. Dazu das extreme Stilgefühl einer Frau, die es auch in der urbanen Emanzipationswelle der wilden 20er-Jahre vorzog, ganz Dame zu bleiben - der absterbenden Operette hat Fritzi Massary zu letzten Triumphen verholfen.
    1932. Oscar Straus hat der Massary noch einmal eine Operette geschrieben: "Eine Frau, die weiß, was sie will". Die Premiere läutete ihren Abschied ein. Fritz Kortner kommentierte:
    "Und an jenem Abend einte sie noch einmal schon hoffnungslos gegeneinander verhetzte Menschen."
    1934, in der Emigration, kam Max Pallenberg, Fritzi Massarys sehr geliebter Ehemann, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Fünf Jahre später zog sie zu ihrer Tochter in die USA. Bei der Ankunft in New York begrüßten sie Charlie Chaplin und Greta Garbo, so weit hatte der Ruhm sie getragen.