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Vor 50 Jahren Käthe Kruse gestorben
Die berühmteste Puppenmutter

Feste Stoffkörper in perfekten Proportionen, erstklassige Kleidung, ernste Gesichter mit sanftem Blick: Käthe-Kruse-Puppen begeisterten Generationen von Kindern - und sind heute gefragte Sammelobjekte. Künstlerische und handwerkliche Qualität waren der Firmengründerin immer ein besonderes Anliegen.

Von Carola Zinner | 19.07.2018
    Die Kunsthandwerkerin Käthe Kruse mit zwei von ihr gestalteten Puppen, aufgenommen 1955
    Die Kunsthandwerkerin Käthe Kruse mit zwei von ihr gestalteten Puppen, aufgenommen 1955 (dpa)
    Begonnen hat alles 1904 mit einem - Handtuch.
    "Das ich mit warmem Sand gefüllt habe, und die vier Zippel waren Arme und Beine und als Köpfchen war eine eingebundene Kartoffel, und das wurde glühend geliebt!"
    Unzählige Male hat Käthe Kruse die Schöpfungsgeschichte ihrer Puppen erzählt und immer begann alles damit: Die junge Mutter fertigt für ihre kleine Tochter mit primitivsten Mitteln eine "Bambina" an, weil der Vater im fernen Berlin sich weigert, eine der starren Porzellanpuppen aus dem Kaufhaus zu schicken.
    "Ick finde se scheußlich. Macht euch selba welche."
    Und Käthe Simon "macht". Wie sie stets alles tut, was der große Max Kruse ihr sagt.
    "Der schönste Mann von Berlin."
    Über Nacht berühmt
    Und zudem ein berühmter Bildhauer, 30 Jahre älter als die 1883 geborene Schauspielerin Katharina Simon. Max wird nicht nur ihr Liebhaber, sondern auch Vaterersatz. Er ist es - auch das ist Teil der immer wieder erzählten Geschichte -, der die geistig-künstlerische Entwicklung der jungen Frau in Gang setzt, indem er sie zusammen mit den beiden kleinen Töchtern ins Ausland schickt:
    "Berlin is nüscht für Kinder!"
    Ein Häuschen im Aussteigerparadies am Monte Verità im Tessin wird zur Kinderstube und Kreativwerkstatt. Als sich die erste Puppe in ihre Bestandteile auflöst, folgen neue, stabilere, ausgestopft mit Watte und Sägespänen.
    "Es war schmiegsam, es war schwer und natürlich unzerbrechlich. Und da kam eine Ausstellung in Berlin: 'Spielzeug aus eigener Hand'. Und da habe ich ausgestellt und da war ich über Nacht eine berühmte Frau."
    Strenge Endkontrolle
    Feste Stoffkörper in perfekten Proportionen, erstklassige Kleidung, ernste Gesichter mit sanftem Blick: Diese Puppen begeisterten Generationen von Kindern.
    "In der Nacht, wenn niemand mehr da war, ging sie in die Werkstätte, nahm jede einzelne in die Hand und befestigte an den Körpern die von allen Mitarbeitern gefürchteten Zettelchen: 'Ach lieber Herr Müller, die guckt aber stier!' – 'Ach bester Herr Hirschfeld, es tut mir so leid, aber die schielt wirklich, bitte ändern sie das!' – 'Dieser Ärmel, nein, wer hat denn den eingesetzt?'"

    Keine Puppe, so erinnerte sich der Sohn Max Kruse, jüngstes der insgesamt acht Kinder in seinen Memoiren, verließ die Werkstätten in Bad Kösen - und später im bayerischen Donauwörth - ohne diese Endkontrolle. Das galt für die lebensgroßen Schaufensterpuppen ebenso wie für die daumenlangen fürs Puppenhaus. Und natürlich für Friedebald und Ilsebill, für Schwätzchen und Hannele und wie sie alle hießen, die, das Markenzeichen "KK" auf der Fußsohle, verpackt in rotweiße Kartons, hinausgingen in die ganze Welt.
    Eine Mitarbeiterin der Manufaktur des Deutschen Unternehmens Käthe Kruse GmbH arbeitet am 29.01.2014 in Nürnberg (Bayern) während der 65. Internationalen Spielwarenmesse an einer Puppe. Die weltweit größte Spielwarenmesse dauert vom 29. Januar bis 3. Februar. Foto: Daniel Karmann/dpa | Verwendung weltweit
    Auf Messen und Auktionen erzielen Käthe-Kruse-Puppen heutzutage Höchstpreise (dpa)
    Kinderbuch und Autobiografie
    Und für diejenigen, die sich die sündteuren Puppen nicht leisten konnten, gab es zumindest hübsche Fotos, auf denen sie gemeinsam loszogen und jene Abenteuer erlebten, die die kreative Firmenchefin in ihrem Kinderbuch "Kuddelmuddel" beschrieb.
    "Trallala, dachte Puppendame Margarete, was tu' ich heute zum Sonntagnachmittag und allein im Hause? Ach, ich weiß: Ich hole mir ein paar Kinder herüber aus der Puppenwerkstatt."
    Die Grenzen zwischen realem Leben und dem fiktiven der Puppen verschwammen im Königreich der Käthe Kruse auf einzigartige Weise - und Unschönes kam ohnehin nie vor. Nur in der Autobiografie von 1951 öffnete sie kurz das Fenster zur tristen eigenen Kindheit als Tochter einer unverheirateten Näherin in der Nähe von Breslau.
    "Durch das Dunkel der nächtlichen Stube hörte ich den Seufzer der Mutter: 'Wenn man doch nicht wieder aufzuwachen brauchte ... .' Ich möchte meine frühen Jahre nicht noch einmal erleben. Es liegt auf ihnen ein dumpfer Druck."
    Puppenmutter bis zum Tod
    Fünf Jahre nach dem Erscheinen des Buches übergab Käthe Kruse den Betrieb in Donauwörth ihren Kindern.
    "Sehr ungern. Pensioniert sein ist gar nicht schön, kann ich Ihnen sagen, ich warne davor!"
    Mit dem Ruhestand war es dann letztendlich auch nicht weit her. Denn bis zu ihrem Tod am 19. Juli 1968 blieb Käthe Kruse das, was sie am liebsten war: die berühmteste Puppenmutter.