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Vor 500 Jahren
Als der Papst Luther mit dem Kirchen-Rauswurf drohte

Sie war ein entscheidender Schritt auf Martin Luthers Weg der Loslösung von der Papstkirche: die Bulle, mit der Papst Leo X. ihm den Kirchenausschluss androhte. Luther antwortete mit einer Gegenbulle. Von da an gab es kein Zurück mehr. Mit der Reformation erfuhren Kirche und Gesellschaft eine revolutionäre Umwälzung.

Von Gunnar Lammert-Türk |
    Papst Leo X. (orig. Giovanni de Medici) 1513-1521
    Papst Leo X. (imago stock&people)
    "Erhebe dich, Herr, und richte deine Sache! (…) Denn Füchse haben sich erhoben, die danach trachten, den Weinberg zu zerstören. (…): Ein Wildschwein aus dem Wald trachtet danach, ihn zu zerwühlen, und ein unerhört wildes Tier frißt ihn ab."
    So heißt es zu Beginn der Bulle "Exsurge Domine" Papst Leos X. vom 15. Juni 1520, die Luther den Bann, den Ausschluss aus der Kirche, androht. Er ist das "Wildschwein", das den Weinberg des Herrn verwüstet. Seit zwei Jahren lief gegen ihn, ausgelöst durch seine Thesen zum Ablass, ein päpstliches Verfahren.
    Ketzer im Sinne des Jan Hus
    Die Positionen hatten sich verhärtet. Wegen Luthers Infragestellung der päpstlichen Macht nannte ihn der Dominikaner Johannes Eck im Sommer 1519 im öffentlichen Streitgespräch einen Ketzer im Sinne des Jan Hus. Nun stand für Luther fest: Das Papsttum ist der Antichrist. Wie er sich von nun an selbst sah, beschreibt der Kirchenhistoriker Volker Leppin:
    "Ich offenbare den Antichrist, der schon seit ungefähr 900 Jahren in der Kirche als Papsttum herrscht, den offenbare ich. Und damit ist Martin Luther tatsächlich in einer ganz hervorgehobenen Rolle der Heilsgeschichte im Grunde derjenige, der jetzt das Ende der Herrschaft des Antichrist, damit aber auch das Ende der Welt verkündet."
    Unleugbare Reformbedürftigkeit der Kirche
    Luther sah sich in der Rolle eines Propheten, der am Ende der Zeiten dem Papst als widergöttlicher Macht, als Antichrist, den Kampf ansagt. Bei aller unleugbaren Reformbedürftigkeit der Kirche seiner Zeit eine Ungeheuerlichkeit. Und Luther machte diese Haltung öffentlich. So im August 1520 in seiner Schrift "An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung". Denen, die er als Mitstreiter in seinem Kampf ansieht, ruft er zu:
    "Ihr seid diejenigen, die immer wieder unterdrückt werden; ihr seid diejenigen, die Geld nach Rom abführen müssen: ihr seid diejenigen, deren Prozesse nach Rom gelenkt werden, statt hier in Deutschland Prozesse durchzuführen - das ist ein Befreiungsprogramm im Grunde einer deutschen Nationalkirche."
    Bruch mit Rom vollzogen
    Mit seiner Schrift an den deutschen Adel, in der Luther diesen zur Kirchenreform bevollmächtigte, hatte er den Bruch mit Rom im Grunde vollzogen. Als ihn die Bannandrohungsbulle Papst Leos erreichte, schrieb er im November 1520 eine Gegenbulle auf Latein und Deutsch. Und nahm in Anspruch:
    "So wie jene mich um ihrer gottlosen Häresie willen exkommunizieren, so exkommuniziere ich sie wiederum um der heiligen Wahrheit Gottes willen."
    Luther exkommuniziert den Papst! Der Endzeitprophet schlägt den endzeitlichen Widersacher Gottes - den Papst als Antichrist. Um dies zu bekräftigen, verbrennt Luther am 10. Dezember 1520 öffentlich einen Druck der Bannandrohungsbulle nahe Wittenberg. Von nun an gibt es kein Zurück mehr. Mit der Reformation erfahren Kirche und Gesellschaft eine revolutionäre Umwälzung. Durchaus mit Schattenseiten.
    Rechte der Territorialherren gestärkt
    "Tatsächlich ist die Entwicklung der Reformation nicht nur für den evangelischen Raum, sondern eben auch für den katholischen Raum in eine Zeit hineingerollt, die dann durch den Augsburger Religionsfrieden 1555 auch staatsrechtlich ganz enorm die Rechte der Territorialherren auch im religiösen Bereich gestärkt hat. Wenn da ein Religionsfrieden kommt, der, wie es später zusammengefasst wurde, sagt: cuius regio eius religio, also wer herrscht, der bestimmt die Religion, dann ist das eine Vorgabe, die selbst im religiösen Bereich jegliche Freiheit unterbindet."
    In der Folge erhielt der Adel eine bisher ungekannte Machtfülle. Und an die Stelle der im späten Mittelalter noch üblichen Vielgestaltigkeit des Christentums trat die Striktheit der definierten Konfessionen. War das vermeidbar? Am Beginn stand Luthers Bemühen um eine innere Haltung der Reue anstelle äußerer Verrichtungen und erkaufter Lossprechung.
    Luthers scharfe Polemik
    Seine Gegner haben den Konflikt dadurch eskaliert, dass sie darauf nicht eingingen, sondern ihn sofort mit der übergeordneten Autorität des Papstes konfrontierten. Luther wiederum goss mit seiner scharfen Polemik permanent Öl ins Feuer. Ganz abgesehen von seiner apokalyptischen Deutung des Konflikts. Unter diesen Umständen musste er sich wohl so zuspitzen. Am 3. Januar 1521 wurde Luther aus der römischen Kirche ausgeschlossen. Erst Jahrhunderte später konnten sich Protestanten und Katholiken wieder einander annähern, ohne sich gegenseitig das Christsein abzusprechen.