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Vor 500 Jahren gestorben
Der Kartograph von "America": Martin Waldseemüller

Über ihn und sein Leben sind nur wenige Eckdaten bekannt. Doch mit seiner Weltkarte hat der Forscher Martin Waldseemüller einen Grundstein für die Nachwelt gelegt - und die Bezeichnung des amerikanischen Kontinents mitbegründet.

Von Andrea Westhoff | 16.03.2020
    Kolorierter Holzstich der Weltkarte von Martin Waldseemüller.
    Von der Waldseemüllerkarte ist heute nur noch ein Originalexemplar erhalten. (akg-images)
    Mit eigenen Augen hat er nur wenig von der Welt gesehen: Martin Waldseemüller gehörte nicht zu den Seefahrern und Entdeckern, und für größere Reisen fehlte dem Sohn eines Metzgers vermutlich das Geld. Dennoch prägte er Anfang des 16. Jahrhunderts als Kartograph das Bild von der Erde ganz entscheidend mit. Wobei diese Tätigkeitsbezeichnung nicht ganz korrekt ist, meint Wolfgang Crom, Leiter der Kartenabteilung der Berliner Staatsbibliothek:
    "Der Begriff Kartograph ist eigentlich erst eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, und Waldseemüller war ein typischer Kosmograph, d.h. das waren Menschen, die wollten die Welt beschreiben. Und zu der Beschreibung der Welt brauchten sie auch Karten, um das, was sie beschreiben, auch zu visualisieren; und so hat sich Waldseemüller auch drangemacht, Karten herzustellen."
    Student der Geographie und Mathematik
    Und zwar weltbewegende, wie man heute weiß. Über Waldseemüllers Leben ist nur sehr wenig bekannt: Geboren irgendwann zwischen 1472 und 1475 in Wolfenweiler, schreibt er sich 1490 im nahe gelegenen Freiburg im Breisgau als Student der Geographie und Mathematik ein und findet Anschluss an eine Gelehrtengruppe, die sich mit Kosmographie befasst.
    Wolfgang Crom: "Er hatte den Kontakt zum Herzog von Lothringen, René II., und ist dann nach St. Dié in die Vogesen gekommen, dort hatte der Herzog ein kleines humanistisches Zentrum aufgebaut, eigentlich mitten im Wald, muss man schon fast sagen, aber die Wissenschaftler haben sich ausgetauscht."
    St. Dié ist so etwas wie ein Mekka für Karto- oder Kosmographen, denn der lothringische Herzog pflegt enge Kontakte zu den europäischen Seefahrernationen der Zeit und ist zum Beispiel im Besitz der Briefe und Reiseberichte des Florentiners Amerigo Vespucci, der nach Kolumbus die Ostküste Südamerikas erkundet hatte. So kommt es zu einer folgenreichen Zusammenarbeit Waldseemüllers mit dem Kosmographen Matthias Ringmann, erläutert Crom:
    "Ein sehr intelligenter junger Mann, der ein Büchlein geschrieben hat über die Entdeckung des neuen Kontinentes, darüber, dass man diese neue Welt, die da entdeckt worden ist, benennen sollte, nachdem man auch begriffen hatte, es war eine neue Welt und nicht nur der Osten von Asien, wie Kolumbus immer gedacht hatte, und da hat er den Vorschlag gemacht: wir haben Europa, Asia, Afrika, dann lasst uns doch diese neue Welt nach dem Entdecker, Amerigo Vespucci, America benennen."
    Geburtsstunde Amerikas auf der Weltkarte
    1507 wird der Ringmannsche Text zusammen mit zwei Weltkarten von Waldseemüller – mit dem neuen Kontinentnamen – gedruckt: Die eine Karte, bestehend aus zwölf rechteckigen Einzelstücken, misst insgesamt über drei Quadratmeter. Die andere ist eine sogenannte Segmentkarte, die zusammengesetzt einen Globus bildet. 1000 Exemplare sollen damals gedruckt worden sein.
    Offenbar ist Waldseemüller mit der Bezeichnung America dann doch nicht zufrieden. Denn in einer weiteren Karte, 1513, trägt er wieder Unbekanntes Land ein. Aber da war der Name schon in der Welt, und so gilt seine Karte von 1507 heute als "Geburtsurkunde der USA".
    "Positioniert ist dieser Name in Südamerika, ungefähr im brasilianischen Kerngebiet, von den Vereinigten Staaten von Amerika ist nur ein kleiner Zipfel von Florida zu sehen, trotzdem beansprucht die USA diese Karte als Taufschein ihres Staates.", so Wolfgang Crom.
    Erst 2007, nach zähem diplomatischem Ringen, konnte die Kongressbibliothek in Washington das einzige erhaltene Original der "Waldseemüllerkarte" von einem privaten Besitzer erwerben, für zehn Millionen US-Dollar. Der Kartograph selbst war lange Zeit offenbar völlig in Vergessenheit geraten. Dabei hat Waldseemüller ein wirklich großes Werk hinterlassen, betont Wolfgang Crom:
    "Er hat den Mehrfarbdruck in Karten ausprobiert, dann hat er eben auch schöne Karten gemacht, und vor allen Dingen, er hat auch verschiedene Formen, wie man die Erde als gesamtes kartographisches Bild abbilden könnte, vorgeschlagen, um eben auch Land- und Meerverteilungen gut darstellen zu können. Also er war wirklich ein faszinierender Mensch, ein Kosmograph seiner Zeit und hat mit seinem Werk Bleibendes geschaffen. Nicht nur mit dem Namen ‚America‘."
    Über das Lebensende Waldseemüllers weiß man fast so wenig wie über den Anfang. Bekannt ist nur, dass er bis zu seinem Tod am 16. März 1520 in der Gelehrtengemeinschaft in St. Dié gelebt und geforscht hat.
    Eine von Gerhard Mercators Weltkarten (1587)
    Kritisches Kartieren - Wer Karten erstellt, hat Deutungsmacht Karten sind nicht neutral. Auf unseren Stadtkarten sind Kirchen mit einem Symbol gekennzeichnet, eine Synagoge oder eine Moschee fehlen aber oft. Aktivisten wie das Kollektiv Orangotango fordern einen vielfältigeren Blick auf die Welt.