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Vor 60 Jahren
Als die "Tagesschau" das Wetter sichtbar machte

Der Wetterbericht am Ende der "Tagesschau" ist ein festes Ritual: einst ein handgemachter Zeichentrickfilm in schwarzweiß, heute animierte Computergrafik. Seit 1960 stets in kühler Nachrichtenart präsentiert, hat die „ARD-Wetterkarte" seitdem auch einige hitzige politische Debatten ausgelöst.

Von Andrea Westhoff | 01.03.2020
    Neuer Wetterbericht flimmert dreidimensional über den Bildschirm
    Über eines wird immer diskutiert: das Wetter. Aber auch die Wetterkarte der "Tagesschau" führt immer wieder zu Debatten. (Hessischer Rundfunk/dpa/pa)
    Piepsende Signaltöne: Diesen Morsecode QAM für "Wetterbericht" hörte man bis in die 1990er-Jahre allabendlich am Ende der "Tagesschau", nachdem eine sonore Stimme "aus dem Off" die aktuelle Großwetterlage und "die Aussichten für morgen" dargelegt hatte.
    "Am Südwestrand des nordosteuropäischen Tiefs gelangt weiterhin Meeresluft polaren Ursprungs nach Deutschland."
    Wetterberichte gehören zu den Urgesteinen des TV-Zeitalters. Anfangs eine Mischung aus Telekolleg und Kinderfunk: Seit November 1951 gingen Meteorologen vom Deutschen Seewetteramt in Hamburg täglich live ins Fernsehstudio und zeichneten die Hochs und Tiefs direkt auf eine Landkarte. Zusätzlich hatten sie zwei Puppen dabei, die das Ganze durch wechselnde Kleidung oder einen Regenschirm illustrierten; bei Schneefällen wurden sie mit Papierflöckchen bestreut.
    Doch am 1. März 1960 war damit Schluss:
    "Hier ist das Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau – anschließend die Wetterkarte."
    Wetterbericht als Zeichentrick
    Nun wurde beim Hessischen Rundfunk mit den Daten des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach ein täglich neuer, 60 Sekunden langer Zeichentrickfilm produziert: eine Deutschlandkarte mit durchziehenden Wolken, fallenden Regentropfen und fliegenden Windpfeilen. Der Grafiker Matthias Peinelt hat die ersten "Wetterkarten" mitgestaltet:
    "Wir haben mit Papier gearbeitet, mit Stiften, mit Tinte, mit Farbe, haben das auf Film aufgezeichnet, dann habe ich zum Beispiel die erste elektronische Wetterkarte entwickelt, also auf einem Computer, und das ging dann immer digitaler, digitaler, digitaler."
    Doch das begeisterte nicht jeden. Viele Zuschauer beklagten sich über das "Wirrwarr von Linien, Kurven und sonstigen monoton wiederkehrenden Zeichen" und wollten ihre "Wetterfrösche" wiederhaben. Außerdem gab es öfter politische Proteste, zum Beispiel weil die Tagesschau-Wetterkarte viele Jahre ein Deutschland in den Grenzen von 1937 zeigte, also mit Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie.
    "Im Osten, Süden und Westen vorübergehend Glatteisgefahr."
    Ab 1970 mit Mitteleuropa-Karte
    Erst als im März 1970 die "Tagesschau" in Farbe ausgestrahlt wurde, erschien der Wetterbericht mit einer Mitteleuropakarte, auf der Deutschland nur noch durch Flüsse, Gebirge und einige Städtenamen zu erkennen war.
    Prompt protestierte nun der "Bund der Vertriebenen". Und ebenso die DDR. Heinz Grote, Kommentator beim Deutschen Fernsehfunk, wetterte:
    "So sieht das jüngste Kind der neuen Bonner Ostpolitik aus: die Grenzen sind samt und sonders verschwunden. Europa ist gewissermaßen eingedeutscht worden. Millionen Menschen in diesem ‚grenzenlosen‘ Europa werden von der Bonner Gesetzgebung seit über 20 Jahren als westdeutsche Staatsbürger betrachtet und beansprucht.
    Die unverschämte Anmaßung ist genauso grenzenlos wie die neue Fernseh-Wetterkarte."
    Seit 1990 zeigt die "Tagesschau"-Wetterkarte ein wiedervereinigtes Deutschland innerhalb Europas. Diskussionen gibt es jetzt gelegentlich noch darum, welche zu den – nur zehn – namentlich genannten Städten gehören sollen. Und wie exakt die Wetterprognose ist:
    "Heute Nacht gibt’s im Osten und Süden noch ein paar Schauer. Im Bergland ist Schnee dabei."
    Wichtigkeit von Wettervorhersagen steigt
    Seit dem 1. Januar 2020 gibt es in Frankfurt am Main ein ganz neues Wetterzentrum der ARD, wo Meteorologen, Computerfachleute und Journalisten noch enger zusammenarbeiten. Denn in Zeiten des Klimawandels hat der Wetterbericht mehr und mehr eine warnende Funktion, sagt Silke Hansen, die schon seit 20 Jahren die Redaktion leitet:
    "Wir können viel schneller, viel besser und viel umfangreicher in kritischen Wettersituationen reagieren und die Zuschauer dafür viel besser informieren."
    Und auch das kann wieder zum Politikum werden. So beklagte sich im Sommer 2019 die AfD, mit der rot eingefärbten Wetterkarte während der Hitzeperioden in Deutschland versuche die ARD die "Klimahysterie" anzuheizen.
    Die "ARD-Wetterkarte" hat sich stark verändert, aber eines ist seit Urzeiten gleich geblieben: das Meckern über das Wetter. Wunderbar auf den Punkt gebracht 1973 vom legendären Peter Frankenfeld:
    "Hier bei uns in Frankfurt in der Kaiserstadt – ich meine, wir haben doch die Brüder hier von der Wetterstation, und die machen uns so ein Wedder. Ich mein´, das ist doch furchtbar."