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Vor 75 Jahren: Premiere von "Casablanca"
"Ich schau dir in die Augen, Kleines"

Ingrid Bergman und Humphrey Bogart gehören zu den größten Stars ihrer Generation, die man aus vielen Filmklassikern kennt. Doch sie sind auf besondere, sentimentale, glamouröse Weise mit einem Film verbunden: "Casablanca". Am 26. November 1942 feierte das Melodram Premiere.

Von Katja Nicodemus | 26.11.2017
    Humphrey Bogart als Richard 'Rick' Blaine und Ingrid Bergman als Ilsa Lund Laszlo blicken sich in dem Filmklassiker "Casablanca" tief in die Augen. Zu einer Gala-Vorführung des Kino-Klassikers «Casablanca» anlässlich dessen Erstaufführung vor 60 Jahren haben sich am 11.8.2003 in New York Angehörige der beiden Hauptdarsteller Humphrey Bogarts und Ingrid Bergman getroffen. Mit dabei waren Bogarts Witwe, Hollywood-Schauspielerin Lauren Bacall, mit dem gemeinsamen Sohn Stephen Bogart, Ingrid Bergmanns Tochter, Schauspielerin Isabella Rossellini sowie zwei weitere Töchter. Der Siegeszug des Filmklassikers hatte im Januar 1943 begonnen. In diesem Jahr gewann der Streifen von Regisseur Michael Curtiz drei Oscars.
    Ich schau dir in die Augen, Kleines - Humphrey Bogart als Richard 'Rick' Blaine und Ingrid Bergman als Ilsa Lund Laszlo in dem Filmklassiker "Casablanca" (picture alliance / dpa)
    Egal, wie oft man es gehört hat, man freut sich immer wieder. Und dann, endlich, ist es so weit: Dooley Wilson heißt der Darsteller von Sam, dem melancholischsten aller Barpianisten. Durch sein Spiel lässt sich Ilsa träumerisch an ihre große Liebe erinnern – das ist nur einer der vielen magischen Momente dieses Films. Erzählt wird die Wiederbegegnung von Ilsa und Rick, gespielt von Ingrid Bergman und Humphrey Bogart.
    Sie: die Frau eines ungarischen Widerstandskämpfers gegen die Nazis. Er: der abgebrühte Besitzer einer Bar in Marokko.
    Die Szene ihres Wiedersehens in Ricks "Café Americain" dauert kaum eine Minute, wirkt aber wie eine Ewigkeit. Sein starrer Blick, ihre tränenumspielten Augen. Gefühle, die imRaum stehen, aber nicht gezeigt werden können. "Casablanca" von Michael Curtiz, die unerfüllte Liebesgeschichte dieses Paares, wurde zum meistzitierten Film der Kinogeschichte. Viele seiner Dialogzeilen gehören zum populärkulturellen Kollektivgedächtnis. Etwa der von Humphrey Bogart improvisierte Satz: "Ich schau’ Dir in die Augen, Kleines". Oder: "Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen" O-Ton im Film: ("Round up the usual suspects")
    Die Sache mit der "wunderbaren Freundschaft"
    Oder die Sache mit der wunderbaren Freundschaft zwischen dem Barbesitzer Rick und dem französischen Polizeichef von Marokko. Ein auf dem Flugfeld entstehender Männerbund, der dem großen, heroischen Liebesverzicht folgt.

    Im Film O-Ton: "Louis, I think this is the beginning of a beautiful friendship."
    "Casablanca", dieses Melodram der Melodramen, uraufgeführt am 26. November 1942 in New York, entstand aus verschiedenen Fassungen mehrerer, teils konkurrierender Drehbuchschreiber. Aus kreativem Chaos. Und niemand erzählt das so frank und frei wie Ingrid Bergman:
    "Bemerkenswert ist ja, dass wir während der Dreharbeiten überhaupt nicht an den Film glaubten. Das Drehbuch war so schlecht und wurde von Tag zu Tag weitergeschrieben. Ich wusste nicht, welchen der beiden Männer ich lieben sollte, und sie baten mich, nicht zuviel Ernst in die Liebesszenen zu legen, denn es hieß: ‚Wir wissen wirklich nicht, mit welchem Mann Du am Ende zusammenbleibst.‘"
    Der bis heute am häufigsten gezeigte Film im US-Fernsehen
    Es ist schwer auszuhalten, dass Bergmans Ilsa mit dem Widerstandshelden ins Flugzeug steigt und nicht mit ihrem geliebten Rick. Auf dem Set herrschte die perfekte Schauspielerchemie zwischen Bergman und Bogart – könnte man denken. Und wieder kommt Bergmans schwedische Ehrlichkeit dazwischen:
    "Er war ein großartiger Schauspieler, der natürlich immer sich selbst spielte. Er verwandelte sich nicht in die Figur, auch nicht durch Make- up oder andere Veränderungen. Letztlich trug er in jedem Film denselben Hut und denselben Regenmantel."
    "Casablanca" mag eine wunderbar tragische Liebesgeschichte sein, doch dass das Melodrama zum Welterfolg wurde und bis heute der am häufigsten gezeigte Film im amerikanischen Fernsehen ist, liegt auch an der politisch-heroischen Überhöhung der Gefühle. Der Widerstandskämpfer Victor László, Ilsas einst tot geglaubter Ehemann, wird wie eine Erlösergestalt ausgeleuchtet. Dieser Mann im blütenweißen Jackett trotzt den Nazis und ihrer brutalen Selbstgewissheit.
    "Wenn Sie mir Namen und den genauen Aufenthaltsort mitteilen, bekommen Sie morgen früh Ihr Visum."
    "Und damit die Ehre, dem Dritten Reich gedient zu haben. Ich war ein Jahr in einem deutschen Konzentrationslager. Das ist Ehre genug für ein ganzes Leben."
    Fast alle Nebendarsteller waren aus NS-Deutschland geflohen
    Es ist die Verquickung von Filmhandlung und Zeitgeschichte, die "Casablanca" eine untergründige Energie verleiht. Fast alle Nebendarsteller des Films waren Emigranten, die vor den Nazis aus den verschiedensten europäischen Ländern in die USA geflohen waren.
    Etwa die österreichischen Schauspieler Ilka Grüning und Ludwig Stössel. Sie spielen hier letztlich sich selbst: das jüdische Emigrantenehepaar, das in Ricks Café auf so einmalige Weise Englisch lernt:
    Film-O-Ton: "Liebchen, Sweetnessheart, what watch? - "Ten watch." - "Such much?"
    "Casablanca" ist die Love Story, die davon erzählt, dass man den Lauf der Welt aufhalten kann. Indem man in einer nächtlichen Bar über den eigenen Schatten springt. Indem man vor den Nazis die Marseillaise singt. Oder indem man sich auf einem nebligen Rollfeld gegen die eigenen Gefühle und damit für einen Platz in der Kinogeschichte entscheidet.