Hubert Faustmann: Guten Morgen, Herr Spengler.
Spengler: Herr Faustmann, die UNO, die EU, die USA, alle wünschen sich, dass beide Bevölkerungsgruppen "Ja" sagen zum Annan-Plan. Werden sie das?
Faustmann: Es sieht nicht sonderlich gut aus. Es ist so, im türkischen Norden ist der Ausgang klar. Es sind nach den letzten Umfragen weit über sechzig Prozent der Türken und türkischen Zyprioten, die im Norden leben für ein "Ja" zum Annan-Plan, der die Lösung vorsieht. Im griechisch-zypriotischen Süden sieht es genau umgekehrt aus, da gibt es eine überwältigende Mehrheit, die wohl mit "Nein" stimmen wird. Es gab noch mal eine Unsicherheit die letzten Tage, weil eine der beiden großen Regierungsparteien, AKEL, ihr "Nein" noch mal in Zweifel gezogen hat und auf weiteren Sicherheitsgarantien des Sicherheitsrats bestand. Die sind wohl in der Form nicht gekommen, wie AKEL sich das gewünscht hat. Wenn AKEL - und danach sieht es aus - bei dem "Nein" bleiben sollte, dann gibt es wohl keine realistische Chance, dass das im Süden hier mit einem "Ja" ausgeht.
Spengler: Die Bevölkerung folgt also den Empfehlungen der Parteien?
Faustmann: Es gibt eine große Unsicherheit gerade hier im Süden. Es ist sicher so, dass die überwältigende Mehrheit gegen den Plan ist und überzeugt werden müsste, dafür zu stimmen. Wenn die große Partei AKEL da nicht die Führung übernimmt, gibt es keine realistische Chance dafür, dass hier die Stimmung umschwingt. Es gibt viele Gründe, warum die Menschen hier im Süden eher dazu neigen, mit "Nein" zu stimmen.
Spengler: Sie sagten, sie müssten überzeugt werden. Wer ja nun überzeugen könnte, das wäre einer wie EU-Kommissar Günther Verheugen. Aber wenn ich richtig informiert bin, kommt er gar nicht zu Wort. Die Zeitung "Sunday Mail" spricht sogar von Zensur, von einem Polizeistaat, der Lügen verbreite und Informationen unterdrücke. Wie gesagt, wir sprechen über den griechischen Süden.
Faustmann: Ja, es ist leider wahr. Es ist sicher so, dass der griechische Süden ein funktionierendender und sehr demokratischer Staat ist. Ihn als Polizeistaat zu bezeichnen ist sehr hart. Aber in dem speziellen Fall ist es leider wahr, dass die leitenden Organe des Staatsfernsehens und einer Privatstation beschlossen haben, keine Ausländer mehr in der Woche vor dem Referendum im Fernsehen zu interviewen, um - das ist das offizielle Argument - die Zyprioten selbst die Entscheidung treffen zu lassen. Das ist natürlich völliger Quatsch. Es ist klar, dass Ausländer wie Günther Verheugen stark für eine Lösung sind und für ein "Ja" , und wenn man denen keine Stimme im Fernsehen einräumt, dann ist das eine Form von Zensur. Das ist eine Form von Zensur, die in einer funktionierenden Demokratie, wie der im Süden, keinen Platz haben sollte, aber leider derzeit stattfindet.
Spengler: Woran liegt denn diese geballte Ablehnung? Was sind die Argumente der Nein-Sager?
Faustmann: Es gibt eine ganze Reihe von Argumenten. Das sicher stärkste Argument ist, dass die griechisch-zypriotische Seite ihre größte Trumpfkarte, nämlich ihre alleinige Anerkennung als Vertreter ganz Zyperns, bei einem "Ja" aufgibt, weil es dann eine Wiedervereinigung und eine Neugründung eines Staates gibt. Außerdem gibt es keine Garantie, dass die türkische Seite sich unbedingt an ihren Deal, ihre Gegenleistung halten muss, die hauptsächlich darin besteht, dass das Territorium zurückgeht, dass diese Gegenleistung über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren erbracht wird. Gerade, wenn die Türkei, die hinten dran steht, keine Zustimmung zu ihrem EU-Kurs finden sollte, ist es leider denkbar, dass es hier zu Schwierigkeiten kommt und die griechisch-zypriotische Seite sagt, es gibt dann keine Garantie zu Gegenleistungen zu kommen.
Spengler: Aber, wird denn nicht die Gefahr gesehen, wenn man die Vereinigung ausschlägt, dass der Norden dann möglicherweise doch international anerkannt werden könnte und dass die Teilung so zementiert wird?
Faustmann: Die Gefahr ist real. Es ist sicher so, dass es von den europäischen Staaten keine Anerkennung geben wird. Es wird sicher - wenn das Referendum so ausgeht, wie es zu erwarten ist - eine Aufhebung der Wirtschaftsblockade des Nordens geben, es wird vielleicht einige Staaten in der islamischen Welt geben, die den Norden anerkennen. Eine Anerkennung ist derzeit nicht auf der Agenda, aber mittel- bis langfristig besteht die Gefahr. Die große Gefahr ist wirklich, dass die Teilung zementiert wird, wenn es zu einem "Nein" kommt.
Spengler: Haben es eigentlich die griechisch-zypriotischen Eliten versäumt den Bürgern klarzumachen, dass es keine einseitigen Kompromisse geben kann, dass ja nicht nur die Türken Schuld sind, an der Teilung der Insel.
Faustmann: Das gilt für beide Seiten. Hier herrscht auf beiden Seiten ein sehr einseitiges Geschichtsbild vor, bei dem man sich einseitig als Opfer der anderen Seite sieht. Die Wahrheit ist leider ein bisschen komplizierter. Es haben sich beide Seiten einiges an Gewalt angetan und einigen Dreck am Stecken. Aber es ist sicher so, wenn sie jetzt auf die griechisch-zypriotische Seite abheben, dass die ganze Zeit sehr unrealistische Erwartungshaltungen geschürt worden sind, wie denn eine Lösung aussehen könnte, dass alle Flüchtlinge zurückkehren können, dass alle Häuser zurückgegeben werden. Mit der Erwartungshaltung wurden dann die griechischen Zyprioten mit dem Annan-Plan konfrontiert, der das eben nicht in vollem Umfang vorsieht. Dann kann man sicher davon sprechen, dass es ein Versäumnis gibt, sich auf die Art von Lösung vorzubereiten, die es wahrscheinlich geben wird, wenn es denn je eine geben wird.
Spengler: Vielleicht muss man zu dem Schluss kommen, dass die Insel möglicherweise doch noch nicht reif ist für die Einheit. Ich danke Ihnen für das Gespräch. Das war Professor Hubert Faustmann, Intercollege-Professor für internationale Beziehungen auf Zypern.
Spengler: Herr Faustmann, die UNO, die EU, die USA, alle wünschen sich, dass beide Bevölkerungsgruppen "Ja" sagen zum Annan-Plan. Werden sie das?
Faustmann: Es sieht nicht sonderlich gut aus. Es ist so, im türkischen Norden ist der Ausgang klar. Es sind nach den letzten Umfragen weit über sechzig Prozent der Türken und türkischen Zyprioten, die im Norden leben für ein "Ja" zum Annan-Plan, der die Lösung vorsieht. Im griechisch-zypriotischen Süden sieht es genau umgekehrt aus, da gibt es eine überwältigende Mehrheit, die wohl mit "Nein" stimmen wird. Es gab noch mal eine Unsicherheit die letzten Tage, weil eine der beiden großen Regierungsparteien, AKEL, ihr "Nein" noch mal in Zweifel gezogen hat und auf weiteren Sicherheitsgarantien des Sicherheitsrats bestand. Die sind wohl in der Form nicht gekommen, wie AKEL sich das gewünscht hat. Wenn AKEL - und danach sieht es aus - bei dem "Nein" bleiben sollte, dann gibt es wohl keine realistische Chance, dass das im Süden hier mit einem "Ja" ausgeht.
Spengler: Die Bevölkerung folgt also den Empfehlungen der Parteien?
Faustmann: Es gibt eine große Unsicherheit gerade hier im Süden. Es ist sicher so, dass die überwältigende Mehrheit gegen den Plan ist und überzeugt werden müsste, dafür zu stimmen. Wenn die große Partei AKEL da nicht die Führung übernimmt, gibt es keine realistische Chance dafür, dass hier die Stimmung umschwingt. Es gibt viele Gründe, warum die Menschen hier im Süden eher dazu neigen, mit "Nein" zu stimmen.
Spengler: Sie sagten, sie müssten überzeugt werden. Wer ja nun überzeugen könnte, das wäre einer wie EU-Kommissar Günther Verheugen. Aber wenn ich richtig informiert bin, kommt er gar nicht zu Wort. Die Zeitung "Sunday Mail" spricht sogar von Zensur, von einem Polizeistaat, der Lügen verbreite und Informationen unterdrücke. Wie gesagt, wir sprechen über den griechischen Süden.
Faustmann: Ja, es ist leider wahr. Es ist sicher so, dass der griechische Süden ein funktionierendender und sehr demokratischer Staat ist. Ihn als Polizeistaat zu bezeichnen ist sehr hart. Aber in dem speziellen Fall ist es leider wahr, dass die leitenden Organe des Staatsfernsehens und einer Privatstation beschlossen haben, keine Ausländer mehr in der Woche vor dem Referendum im Fernsehen zu interviewen, um - das ist das offizielle Argument - die Zyprioten selbst die Entscheidung treffen zu lassen. Das ist natürlich völliger Quatsch. Es ist klar, dass Ausländer wie Günther Verheugen stark für eine Lösung sind und für ein "Ja" , und wenn man denen keine Stimme im Fernsehen einräumt, dann ist das eine Form von Zensur. Das ist eine Form von Zensur, die in einer funktionierenden Demokratie, wie der im Süden, keinen Platz haben sollte, aber leider derzeit stattfindet.
Spengler: Woran liegt denn diese geballte Ablehnung? Was sind die Argumente der Nein-Sager?
Faustmann: Es gibt eine ganze Reihe von Argumenten. Das sicher stärkste Argument ist, dass die griechisch-zypriotische Seite ihre größte Trumpfkarte, nämlich ihre alleinige Anerkennung als Vertreter ganz Zyperns, bei einem "Ja" aufgibt, weil es dann eine Wiedervereinigung und eine Neugründung eines Staates gibt. Außerdem gibt es keine Garantie, dass die türkische Seite sich unbedingt an ihren Deal, ihre Gegenleistung halten muss, die hauptsächlich darin besteht, dass das Territorium zurückgeht, dass diese Gegenleistung über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren erbracht wird. Gerade, wenn die Türkei, die hinten dran steht, keine Zustimmung zu ihrem EU-Kurs finden sollte, ist es leider denkbar, dass es hier zu Schwierigkeiten kommt und die griechisch-zypriotische Seite sagt, es gibt dann keine Garantie zu Gegenleistungen zu kommen.
Spengler: Aber, wird denn nicht die Gefahr gesehen, wenn man die Vereinigung ausschlägt, dass der Norden dann möglicherweise doch international anerkannt werden könnte und dass die Teilung so zementiert wird?
Faustmann: Die Gefahr ist real. Es ist sicher so, dass es von den europäischen Staaten keine Anerkennung geben wird. Es wird sicher - wenn das Referendum so ausgeht, wie es zu erwarten ist - eine Aufhebung der Wirtschaftsblockade des Nordens geben, es wird vielleicht einige Staaten in der islamischen Welt geben, die den Norden anerkennen. Eine Anerkennung ist derzeit nicht auf der Agenda, aber mittel- bis langfristig besteht die Gefahr. Die große Gefahr ist wirklich, dass die Teilung zementiert wird, wenn es zu einem "Nein" kommt.
Spengler: Haben es eigentlich die griechisch-zypriotischen Eliten versäumt den Bürgern klarzumachen, dass es keine einseitigen Kompromisse geben kann, dass ja nicht nur die Türken Schuld sind, an der Teilung der Insel.
Faustmann: Das gilt für beide Seiten. Hier herrscht auf beiden Seiten ein sehr einseitiges Geschichtsbild vor, bei dem man sich einseitig als Opfer der anderen Seite sieht. Die Wahrheit ist leider ein bisschen komplizierter. Es haben sich beide Seiten einiges an Gewalt angetan und einigen Dreck am Stecken. Aber es ist sicher so, wenn sie jetzt auf die griechisch-zypriotische Seite abheben, dass die ganze Zeit sehr unrealistische Erwartungshaltungen geschürt worden sind, wie denn eine Lösung aussehen könnte, dass alle Flüchtlinge zurückkehren können, dass alle Häuser zurückgegeben werden. Mit der Erwartungshaltung wurden dann die griechischen Zyprioten mit dem Annan-Plan konfrontiert, der das eben nicht in vollem Umfang vorsieht. Dann kann man sicher davon sprechen, dass es ein Versäumnis gibt, sich auf die Art von Lösung vorzubereiten, die es wahrscheinlich geben wird, wenn es denn je eine geben wird.
Spengler: Vielleicht muss man zu dem Schluss kommen, dass die Insel möglicherweise doch noch nicht reif ist für die Einheit. Ich danke Ihnen für das Gespräch. Das war Professor Hubert Faustmann, Intercollege-Professor für internationale Beziehungen auf Zypern.