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Vor den Regionalwahlen in Spanien
Korrupt und ungestraft

Im Regionalparlament in Valencia wird die spanische Partido Popular Umfragen zufolge stärkste Kraft bleiben - und das, obwohl es die Partei ist, gegen deren Mitglieder die meisten Korruptionsverfahren laufen. Und obwohl die Bevölkerung angibt, Korruption in der Politik eigentlich stärker bestrafen zu wollen.

Von Hans-Günter Kellner | 21.05.2015
    "1.000, 2.000, 3.000...", zwei Männer zählen offensichtlich Geldscheine. "12.000, zwei Millionen Pesetas", freuen sie sich am Ende über die Summe.
    Einer Strafanzeige der Vereinigten Linken zufolge zählen hier Alfonso Rus, Vorsitzender des Departements Valencia, und ein Vertrauter illegale Provisionen für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Es ist nur ein Fall von vielen. Die seit Jahrzehnten konservativ regierte Region Valencia ist eines der Epizentren für die Korruption in Spanien. Und doch haben die Wähler vor vier Jahren die absolute Mehrheit des Partido Popular bestätigt. José Pablo Ferrandiz vom Meinungsforschungszentrum Metroscopia erläutert:
    "In unseren Umfragen zur Korruption fordern die Leute, dass die Parteien niemanden in die Wahllisten aufnehmen dürfen, gegen den ein Korruptionsverfahren läuft. Und dann sagen sie trotzdem, dass sie mehrheitlich die Volkspartei wählen, also genau die Partei mit den meisten Korruptionsverfahren. Und wenn wir fragen: Wer verteidigt am glaubwürdigsten die Interessen der Menschen in Valencia? Da liegt die Volkspartei ebenfalls ganz weit vorne."
    Am Sonntag werden Valencias Konservative Umfragen zufolge zwar die absolute Mehrheit im Regionalparlament verlieren. Aber sie hätten mit mehr als 30 Prozent weiterhin das beste Wahlergebnis. In Andalusien wiederum regieren die Sozialisten. Hier sollen hohe Regierungsbeamte Fonds für Arbeitslose in die eigenen Taschen umgeleitet haben. Trotzdem haben die Andalusier bereits vor zwei Monaten die Sozialisten mit 36 Prozent der Stimmen wieder zur stärksten Kraft gemacht. Die beiden neuen Parteien Podemos und Ciudadanos – angetreten als Saubermänner – sind jetzt zwar für die Mehrheitsbildung wichtig, aber hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben.
    "In Andalusien sind die Unterschiede zwischen Stadt und Land besonders groß. Ciudadanos und Podemos werden vor allem von Städtern gewählt. Aber in Andalusien leben viele Wähler auf dem Land. Dort sind die andalusischen Sozialisten besonders stark. Viele Menschen hängen dort von Jobs in der öffentlichen Verwaltung ab. Das mag man Korruption nennen. Sicher ist: Es ist sehr kompliziert, dass andere Parteien in diesen ländlichen Gebieten einen Wandel erreichen können."
    Auch in der Region Madrid bleiben die Anhänger den Politikern der Volkspartei in schwierigen Zeiten treu. Spaniens Konservative könnten zwar die Hauptstadt verlieren, aber im deutlich einflussreicheren Regionalparlament werden sie den Umfragen zufolge stärkste Kraft bleiben. Und das, obwohl hier sogar Ex-Vizeministerpräsident Francisco Granados in Untersuchungshaft sitzt. Auch er soll bei Auftragsvergaben mitverdient haben. Weder das Wahlprogramm der Partei noch ihre Politiker erwähnen das Thema Korruption. Trotzdem schwenkt dieser Mann weiterhin die Fahne des Partido Popular:
    "Schwarze Schafe gibt es überall. Diese Leute sind schon als Verbrecher auf die Welt gekommen und jetzt schaden sie der Volkspartei. Aber sie sind wenigstens im Gefängnis. Die Verbrecher der Sozialisten nicht."
    Etwas abseits stehen zwei Frauen mit ihren Hunden. Sie hoffen eher auf ein gutes Ergebnis für Podemos. Doch sie sind skeptisch. Eine von ihnen kommentiert die Umfragewerte mit einer spanischen Redensart.
    "Wer einen Kuli klauen kann, klaut ihn. Und wer ein Bündel Geldscheine mitnehmen kann, nimmt die Scheine. So war das bei uns schon immer. Anders kann ich mir das nicht erklären."
    "Wir stehen vor einer ganz neuen politischen Landschaft"
    Bei den landesweiten Kommunalwahlen wird die Summe der vergebenen Stimmen als wichtiges Stimmungsbarometer gewertet. Auch hier wird die Volkspartei die meisten Stimmen hinter sich vereinen, die Sozialisten werden zweitstärkste Kraft bleiben, prognostiziert Demoskop Ferrándiz. Dennoch glaubt er an einen Neuanfang:
    "Wir stehen vor einer ganz neuen politischen Landschaft. Selbst der vermeintliche Wahlsieger wird viel Macht in den Regionen und den Städten verlieren. Denn es kommen mit Podemos und Ciudadanos zwei neue landesweite Parteien hinzu. Alle werden miteinander sprechen müssen, die Zeit der absoluten Mehrheiten ist vorbei. Natürlich werden sich alle etwas Positives aus dem Ergebnis heraussuchen. Aber unterm Strich wird es trotz allem gerade für die Volkspartei ein Desaster."
    Ob die Parteien das Ergebnis jedoch auch als Quittung für die Korruptionsfälle verstehen werden, bleibt abzuwarten.