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Vor den Sondierungen
"Familiennachzug wird nicht unbegrenzt gelten können"

Bei der Flüchtlingspolitik herrscht zwischen Union und SPD im Vorfeld der Sondierungen Uneinigkeit. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet sagte im Dlf, nicht nur brauche es eine Höchstzahl an Flüchtlingen, auch könne der Familiennachzug nicht unbegrenzt gelten. Er verteidigte zudem die Forderung nach Alterstests.

Armin Laschet im Gespräch mit Christiane Kaess | 05.01.2018
    Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, CDU, beantwortet in Düsseldorf Fragen von Journalisten; Aufnahme vom 4. Oktober 2017
    Armin Laschet: "Wir brauchen eine Höchstzahl an Flüchtlingen, die im Jahr kommt" (picture alliance / Federico Gambarini/dpa)
    Es sei eine Selbstverständlichkeit, dass man das Alter von Menschen feststellen müsse, die einen Antrag an den Staat stellen und Leistungen von diesem wollten, sagte Laschet. Über die Methode der Altersfeststellung müsse nun beraten werden, unter anderem auch mit der Ärztekammer.
    Mit Blick auf den Familiennachzug sagte Laschet, man müsse Härtefälle mehr in den Blick nehmen. Prinzipiell könne der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte jedoch nicht unbegrenzt gelten. Wenn die SPD am Familiennachzug gar nichts ändern wolle, müsse man hart mir ihr darüber verhandeln.

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Auf die romantische Kulisse vor schneebedeckter Landschaft müssen die Bundestagsabgeordneten der CSU in diesem Jahr verzichten. Die Bilder aus dem bayrischen Kloster Seeon, wo die CSU-Landesgruppe zu ihrer traditionellen Klausur zum Jahresbeginn zusammengekommen ist, da lagen anfangs allenfalls ein paar Schneereste im Hintergrund, dann regnete es nur noch. Es herrscht also mildes Klima, was die CSU nicht davon abhält, ein paar knallharte Linien zu ziehen, in der Flüchtlingspolitik und mit Blick auf die anstehenden Sondierungen mit der SPD, die am Sonntag in Berlin beginnen. Dabei herauskommen könnte eine Neuauflage der Großen Koalition. Michael Watzke ist unser Korrespondent in Seeon.
    Der Bericht von Michael Watzke aus Seeon
    Danke schön für diese Informationen, Michael Watzke aus dem bayrischen Kloster Seeon, und am Telefon ist jetzt Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, er ist stellvertretender Vorsitzender der CDU und bei den Sondierungen mit der SPD dabei. Guten Morgen, Herr Laschet!
    Armin Laschet: Guten Morgen!
    Kaess: Herr Laschet, macht die CSU der CDU gerade vor, wie man AfD-Wähler zurückgewinnt?
    Laschet: Nein, die CSU hat ihre Klausurtagung, die CSU formuliert Thesen, und den Kampf gegen die AfD oder gegen die, die rechtspopulistische Themen in die Parlamente tragen, den führen wir alle gemeinsam.
    Altersfeststellung muss sein
    Kaess: Aber nach Logik der CSU müsste die CDU ihren jüngsten Forderungen in der Asylpolitik folgen. Ich fasse das noch mal kurz zusammen: Da geht es um weniger Leistungen für Asylbewerber, medizinische Untersuchungen, um das Alter festzulegen, und dann wieder allen voran: Der Familiennachzug für subsidiär Geschützte muss ausgesetzt bleiben. Steht die CDU bei diesen Forderungen fest an der Seite der bayrischen Schwesterpartei?
    Laschet: Also das sind jetzt Vorschläge, die in Seeon gemacht werden, und Sie haben jetzt drei Themen genannt, und über jedes der Themen, finde ich, kann man sachliche Lösungen finden. Natürlich ist beispielsweise die Frage der Altersfeststellung von Flüchtlingen, von minderjährigen Flüchtlingen, eine Frage, die überall in Deutschland im Moment diskutiert wird. Reicht es, dass jemand sagt, ich bin 16, und in Wirklichkeit ist er viel älter, oder müssen wir Methoden finden, wenn jemand vom Staat Leistungen erhalten will, dass wir feststellen, wie alt der ist.
    Kaess: Ja, aber die CSU hat ja eine ganz konkrete Vorstellung dazu. Gehen Sie da denn mit oder nicht?
    Laschet: Welche Vorstellung hat sie denn?
    Kaess: Dass es von vornherein bestimmt wird, also bei jedem, der ankommt und wo man es nicht eindeutig sagen kann, und nicht erst, so wie es bisher ist, in dem Fall, dass er straffällig wird.
    Laschet: Aber natürlich finde ich, wenn hier jemand herkommt und sagt, ich bin so und so alt und ich hätte jetzt gerne eine Leistung, muss man feststellen, wie alt der ist.
    Kaess: Aber es geht ja darum, es medizinisch festzustellen, zum Beispiel mit Verfahren von Röntgen.
    Laschet: Ja, warum denn nicht?
    Kaess: Also da gehen Sie mit bei diesem Vorschlag.
    Laschet: Ja, es ist doch eine ganz simple Frage. Einer, der einen Antrag an den Staat stellt, muss nachweisen, wie alt er ist, und wenn er nicht alt genug ist, muss man alle Mittel, die man hat, dafür nutzen. Unsere Landesregierung - unser Integrationsminister hat, glaube ich, gerade heute Morgen noch einmal in einem Interview der "Welt" deutlich gemacht, da brauchen wir einheitliche Standards in Deutschland, und es gibt auch medizinische Möglichkeiten festzustellen, wie alt ist jemand.
    Kaess: Und diese einheitlichen Standards, das ist genau die Vorstellung der CSU, also dass dann standardmäßig geröntgt wird, auch wenn zum Beispiel Kinder- und Jugendärzte komplett gegen dieses Verfahren sind.
    Laschet: Nein, dass die geröntgt werden, ist nicht die Forderung, sondern die Forderung ist, es festzustellen. Und es gibt eine medizinische Diskussion, auch in der Bundesärztekammer, wie man das machen kann, es gibt verschiedene Methoden, und wir sagen, der Bundesgesundheitsminister muss mit Experten zusammen an einem Verfahren mitwirken, wie wir das feststellen können. Das ist zunächst eine eigentlich pure Selbstverständlichkeit. Man fragt sich, warum man das nicht längst gemacht hat.
    Kaess: Okay. Bei der Senkung der Leistungen für Asylbewerber gehen Sie auch mit?
    Laschet: Ich denke nicht, dass wir jetzt hier einzelne Forderungen -
    Kaess: Nein, aber wir können ja zumindest die groben Kerne mal auf den Tisch bringen und fragen -
    Laschet: Das werden wir doch sehen. Wir beginnen am Sonntag die gemeinsamen Gespräche, da macht jeder Vorschläge, und dann wird man sehen, was man da machen kann oder nicht.
    "Man wird Härtefälle stärker in den Blick nehmen müssen"
    Kaess: Herr Laschet, Sie haben ja einen Vorstoß zwischen den Jahren zum Familiennachzug gemacht. Da haben Sie gesagt, neben humanitären Härtefällen muss der Familiennachzug auch für Flüchtlinge möglich sein, die Wohnung und Arbeit haben. Haben Sie eigentlich in der CDU, außer vom Sozialflügel Ihrer Partei, von irgendjemandem dafür Zustimmung bekommen?
    Laschet: Ich habe vom bayrischen Innenminister beispielsweise Zustimmung bekommen, Joachim Herrmann hat etwas Ähnliches gesagt. Wir haben ja bereits in den Jamaika-Verhandlungen klar gemacht, wir brauchen eine Höchstzahl an Flüchtlingen, die im Jahr kommen, da hat die CSU die Zahl 200.000 genannt, die ist gemeinsame Position von CDU/CSU, und prinzipiell wird der Familiennachzug nicht unbegrenzt für subsidiär Geschützte gewährt werden können. Das war in den Jamaika-Verhandlungen bereits Konsens, aber man wird dann, wenn man eine solche Grenze setzt, Härtefälle stärker in den Blick nehmen müssen. Und ich glaube, dass man über diese Fragen sehr sachlich diskutieren kann, und dass der bayrische Innenminister Ähnliches gesagt hat, gibt mir die Zuversicht, dass wir auch hier mit der SPD, wenn wir in Gespräche kommen, gute Lösungen finden.
    Kaess: Jetzt haben Sie den bayrischen Innenminister als Zustimmer genannt. Warum hört man denn so wenig aus der CDU selbst, und warum überlässt man das Thema so stark der CSU?
    Laschet: Weil die Gespräche am kommenden Sonntag beginnen. Die CSU hat jetzt ihre Klausurtagung, und ich würde allen empfehlen, einfach zur Sachlichkeit jetzt da zurückzukehren. Viele waren übrigens auch zwischen den Feiertagen in Urlaub -ist ja auch einmal vergönnt nach so vielen Wochen der Arbeit - und am kommenden Sonntag treffen wir uns mit der SPD, und meine Zuversicht ist, dass wir dann innerhalb sehr kurzer Zeit, möglichst in einer Woche, feststellen können: Haben wir die Möglichkeit, eine gemeinsame Bundesregierung zu bilden oder nicht, und da wird der Familiennachzug eine Frage unter ganz vielen sein.
    Kaess: Ja, aber die anstehenden Sondierungen haben ja die CSU auch nicht davon abgehalten, ganz, ganz knallharte Vorgaben da jetzt zu geben. Aus Sicht der SPD haben Sie damals mit diesem Vorschlag oder diesem Vorstoß zum Familiennachzug damit die Blockadehaltung der Union aufgelöst. Wer steht Ihnen da eigentlich näher, die SPD oder die CSU?
    Laschet: Die CDU hat hier eine klare Position, und wenn die SPD am Familiennachzug gar nichts ändern will, werden wir mit ihr darüber hart verhandeln müssen.
    "Sie können bei der AfD keine bürgerlichen Werte hören"
    Kaess: Wir haben jetzt mehrmals in dem Programm über die harten Vorschläge der CSU berichtet und auch darüber gesprochen. Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, der fordert eine konservative Revolution. Er hat in einem Zeitungsartikel Folgendes geschrieben, ich zitiere ihn da mal: "Auf die linke Revolution der Eliten folgt eine konservative Revolution der Bürger. Wir unterstützen diese Revolution und sind ihre Stimme in der Politik." Ursprung der linken Revolution, den sieht Dobrindt in der 68er-Bewegung, und von der sagt er, die ist nie eine Arbeiter-, sondern eine Elitenbewegung gewesen. Linke Aktivisten haben sich seiner Meinung nach Schlüsselpositionen in den Bereichen Kultur, Medien und Politik gesichert. Herr Laschet, eine Revolution ist bekanntlich ein radikaler, manchmal gewaltsamer Umsturz. Wo ist in der Rhetorik von Herrn Dobrindt noch der Unterschied zur AfD?
    Laschet: Ich glaube, die AfD würde die Werte, die Alexander Dobrindt in dem Text beschreibt, nicht zu ihren eigenen machen.
    Kaess: Haben wir schon oft von der AfD ähnliche Geschichten gehört.
    Laschet: Nein, das haben Sie falsch gehört. Sie können bei der AfD keine bürgerlichen Werte hören. Wenn es eine Partei ist, die gerade in den letzten Tagen durch Rassismus auffällt, die beispielsweise den Sohn des Tennisspielers Boris Becker wegen seiner Hautfarbe diffamiert, das ist Rassismus -
    Kaess: Die auch von einer Elitenbewegung spricht und die Eliten kritisiert.
    Laschet: Das hat mit Bürgerlichkeit und mit dem, was Alexander Dobrindt beschreibt, nichts zu tun. Das sind Rechtsradikale, Rechtspopulisten, die auch nicht die Werte übrigens der Union in den letzten 70 Jahren vertreten. Also da gibt es einen Unterschied, aber ansonsten ist vieles, was er in seinem Text schreibt denkbar, nur mein Thema ist im Moment nicht die Auseinandersetzung mit den 68ern. Das ist 50 Jahre her. Die sind heute 70, 80 Jahre alt, die sind Rentner. Ich finde, wir sollten uns, wenn wir Bürgerlichkeit ernst meinen, auf die Themen des 21. Jahrhunderts konzentrieren, und Revolutionen sind auch meistens das nicht, was Bürgerliche machen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine Koalition aus CDU und FDP, und ein solches Bündnis ist, glaube ich, besser, auch mit den Werten, die es lebt, als irgendwelche Revolutionen.
    "Die CSU ist eine durch und durch europäische Partei "
    Kaess: Und zur Bürgerlichkeit gehört bei der CSU offenbar auch dazu, dass sie den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán eingeladen hat, schärfster Gegner von Angela Merkels Flüchtlingspolitik und einer derjenigen in Europa, die verhindern, dass Flüchtlinge in der EU solidarisch aufgeteilt werden. Wie finden Sie das?
    Laschet: Ich teile nicht die Positionen von Viktor Orbán. Er ist ein Regierungschef in der Europäischen Union -
    Kaess: Nein, ich wollte gerne wissen, Entschuldigung, ich wollte gerne wissen, was Sie davon denken, dass die CSU ihn eingeladen hat.
    Laschet: Die CSU kann einladen wen sie will. Er ist ein Regierungs- ich sagte es doch gerade - haben mich ja nicht ausreden lassen -, er ist ein Regierungschef in der Europäischen Union, mit dem man diskutieren kann, das tut die CSU, das tut sie zum Teil auch kontrovers, und Sie haben ja eben in Ihrem Beitrag gehört, es gibt eine besondere Lebensgeschichte auch von Viktor Orbán. Ungarn hat viel rund um die deutsche Einheit beigetragen, aber wenn ich ihn einladen würde, würde ich ihm auch sagen, welche Positionen ich von ihm nicht teile, und ich hoffe, dass das dann auch in Seeon passiert.
    Kaess: Ja, um da noch mal auf Herrn Dobrindt zurückzukommen: Der sieht ja auch eine bürgerlich-konservative Wende in Europa und sagt, die CSU will diese unterstützen. Wird sich die Schwesterpartei von Ihnen künftig an der Politik von Viktor Orbán orientieren, wenn es um die europapolitischen Fragen geht?
    Laschet: Das glaube ich nicht. Die CSU stellt den Vorsitzenden der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, die CSU ist eine durch und durch europäische Partei, schon seit Franz Josef Strauß. Der hat sogar die Vereinigten Staaten von Europa immer mitgefördert. Heute spricht man anders, aber dass die CSU eine Partei ist, die die europäische Integration jetzt gerade auch als Antwort auf Präsident Macron will, daran habe ich keinen Zweifel, jedenfalls für die CDU ist diese Position klar.
    Kaess: Sagt Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und stellvertretender Vorsitzender der CDU. Danke für das Gespräch heute Morgen!
    Laschet: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.