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Vor den Wahlen in der Ukraine
Der Komödiant und die Oligarchen

Bei den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine hat der Kabarettist Wolodymyr Selenskyj die größten Chancen. Er gewinnt viele Ostukrainer für sich - ist aber nicht pro Putin. Hinter ihm steht ein Oligarch. Der amtierende Präsident Poroschenko hat nur noch Aussichten, in die Stichwahl zu kommen.

Von Florian Kellermann | 29.03.2019
Fast 30 Prozent der Ukrainer, die zur Wahl gehen, wollen am Sonntag für Wolodymyr Selenskyj stimmen
In den Umfragen vorn: Wolodymyr Selenskyj macht mit seinem Kabarett Wahlkampf (Imago / Mykola Miakshykov)
Auf den ersten Blick wirkt die Szene nicht ungewöhnlich: Der Sportpalast im ostukrainischen Charkiw ist gut gefüllt. Die Menschen amüsieren sich prächtig. Denn vorne auf der Bühne ist eine der bekanntesten ukrainischen Kabarett-Truppen am Werk. "Kwartal 95" heißt sie und nimmt einen Politiker nach dem anderen aufs Korn. Nicht immer besonders subtil: Der Parlamentssprecher wird für sein Lispeln verhöhnt. Und der Kiewer Bürgermeister Witalij Klitschko kommt extrem begriffsstutzig daher.
Doch das Besondere an diesem Kabarett-Abend am vergangenen Sonntag: Auch der Leiter der Truppe tritt auf - Wolodymyr Selenskyj. Und er ist nicht nur Kandidat bei der ukrainischen Präsidentenwahl an diesem Sonntag. Er führt die Umfragen deutlich an. Genau eine Woche vor seinem großen Tag tut er aber noch immer so, als ginge ihn der Wahlkampf gar nichts an.
"Wir haben heute einen Kabarettabend, ganz ohne politische Agitation. Eine Wahlkampfveranstaltung, für die ihr Geld zahlen müsst, das wäre ja auch wirklich unverfroren von mir."
Selenskyj macht die Doppeldeutigkeit sichtlich Spaß. Denn natürlich macht er mit seinem Kabarett Wahlkampf. Fast 30 Prozent der Ukrainer, die zur Wahl gehen, wollen am Sonntag für ihn stimmen. Der amtierende Präsident Petro Poroschenko liegt abgeschlagen bei 17 Prozent. Etwa gleichauf die ehemalige Ministerpräsidentin Julia Tymoschenko. Die Frage ist eigentlich also nur, wer von diesen beiden gegen Selenskyj in die Stichwahl kommt.
Dessen Wahlkampf ist vor allem negativ, gegen seine Konkurrenten gerichtet. Er greift sie mit seinen Spottliedern an.
Das Lied zieht die Politiker durch den Kakao, die durch die Massendemonstrationen vor fünf Jahren an die Macht gekommen sind. Allen voran Präsident Petro Poroschenko. Diese Politiker, so wird es dargestellt, geben sich als Patrioten, aber gleichzeitig verachten sie den russisch-sprachigen Osten des Landes und bedienen sich aus dem Staatshaushalt.
"Du bist gestorben, damit wir leben können"
Am schärfsten ging Selenskyj den amtierenden Präsidenten in einem Videoclip an, der ein Begräbnis zeigt. Selenskyj hält die Trauerrede, ganz offenbar auf Poroschenko:
"Vor der Wahl hat er uns eine starke Wirtschaft versprochen. So viel hätte er uns noch versprechen können, wenn er nicht so früh verstorben wäre! Am besten sprechen seine Taten über ihn. Er hat sich 20 Millionen aus dem Staatshaushalt angeeignet, er hat korrupte Strukturen gedeckt. Wir können seine Leiche nicht einmal verbrennen. Denn der Preis für Gas, den er ausgehandelt hat, ist dafür zu hoch. Ruhe in Frieden, du hat das Beste getan, was du für unser Land tun konntest: Du bist gestorben, damit wir leben können."
Der ukrainische Komiker und Präsidentschaftskandidat Wolodymyr Selenskyj während eienr Fernsehshow.
Der ukrainische Komiker und Präsidentschaftskandidat Wolodymyr Selenskyj (picture alliance / dpa / Aleksandr Gusev)
In diesem Stil führt Selenskyj seinen erfolgreichen Wahlkampf - fast immer vermittelt durch seine Rolle als Kabarettist. Erst am Mittwoch startete im Fernsehen die dritte Staffel seiner Serie "Diener des Volkes". Selenskyj spielt darin schon seit vier Jahren einen Geschichtslehrer, der mehr oder weniger zufällig Staatspräsident wird.
Bei vielen Ukrainern kommt das an. Die 41-jährige Oksana Olexandriwna, die das Konzert in Charkiw besucht hat, will auf jeden Fall für den Komödianten stimmen:
"Seit fünf Jahren wollte ich mal eine Show von ihm sehen. Heute habe ich Geburtstag - und mein Mann hat mir Karten geschenkt. Selenskyj wirkt so ehrlich, man muss ihm einfach glauben. Er macht sich über unsere Probleme lustig. Aber das heißt doch auch, dass wir sie überwinden können. Er hat in dieser Serie 'Diener des Volkes' gespielt. Und er stammt ja auch aus einer einfachen Familie. Er ist trotzdem erfolgreich geworden, vielleicht klappt das ja auch mit der Ukraine."
Das Argument, dass der 41-jährige Selenskyj keine Erfahrung in der Politik habe, überzeugt Oksana Oleksandriwna überhaupt nicht. Schließlich hätten die erfahrenen Politiker, die bisher am Ruder waren, nichts Vernünftiges zustande gebracht. Viele Beobachter meinen, für Selenskyj stimmten bloß Protestwähler. Oksana Oleksandriwna findet dagegen, es sei etwas Positives, dass Selenskyj ohne politisches Programm in den Wahlkampf gestartet sei.
"Er hat vorgeschlagen, das Volk solle das Programm schreiben. Das überzeugt mich. Wir kennen unsere Probleme. Die Reichen, die eine Million im Jahr zur Verfügung haben, kennen sie nicht. Auf seiner Internetseite kann jeder Vorschläge machen, und das gefällt mir."
Witze über ukrainische Volksmusik
Selenskyj kann in Charkiw und in der gesamten östlichen und südlichen Ukraine mit einem sehr guten Ergebnis rechnen. Er ist zwar nicht an Russland orientiert, wie Kandidaten bei früheren Wahlen, die hier punkten konnten. Aber er stamme eben aus dem Osten, sagt der Charkiwer Journalist Wolodymyr Tschystylin:
"In ihm steckt der Sowjetmensch, wie in den meisten Menschen hier. Damit meine ich nicht, dass er russischsprachig ist. Es sind die Symbole, die kulturellen Codes, die für ihn wichtig sind. Das hat er aus seiner Heimatstadt Krywyj Rih mitgebracht. Eine in der Sowjetunion gewachsene Industriestadt, wo die Hunde rot sind wegen der Verschmutzung durch die Chemiefabriken."
In Selenskyjs Humor ist dieses sowjetische Erbe spürbar. Er macht sich über ukrainische Volksmusik lustig - und hängt eine ganze Reihe von Sketchen am Frauentag, dem 8. März, auf. Mit entsprechend sexistischem Unterton.
Doch das Phänomen Selenskyj wäre kaum denkbar, wenn der Kabarettist nicht einen großer Unterstützer hätte - den milliardenschweren Geschäftsmann Ihor Kolomojskyj. Der ist Eigentümer des Fernsehkanals "1plus1", auf dem Selenskyjs Programme ausgestrahlt werden. Oligarchen wie Kolomojskyj geben in der ukrainischen Politik noch immer den Ton an, sagt Witalij Portnykow, einer der einflussreichsten Publizisten in der Ukraine. Auch er war kurz vor der Wahl in Charkiw, das Interview gibt er im Zug zurück nach Kiew:
"Bei dieser Wahl gibt es eigentlich nur zwei echte Kandidaten. Das sind Petro Poroschenko und Ihor Kolomojskyj. Natürlich gibt es auch andere Oligarchen, die ein Wort mitzureden haben. Aber sie scharen sich um den einen oder den anderen von den beiden. Aber Poroschenko und Kolomoyjski halten in diesem Spiel die Karten in der Hand."
Träume von einem Land ohne Korruption, einem demokratischen Rechtsstaat
Auch die Ex-Ministerpräsidentin Julia Tymoschenko, die Chancen hat, in die Stichwahl zu kommen, rechnet Portnykow zum Kolomojskyj-Lager.
Petro Poroschenko gewann die Präsidentenwahl vor fünf Jahren noch souverän. Schon im ersten Wahlgang holte er die absolute Mehrheit der Stimmen. Julia Tymoschenko, auch da schon seine Rivalin, blieb chancenlos. Damals, 2014, war die Ukraine in einer Extrem-Situation. Den ganzen Winter über hatten Hunderttausende in der Hauptstadt Kiew demonstriert, auf dem zentralen Platz, dem Maidan. Zunächst, weil der damalige Präsident Wiktor Janukowytsch sich weigerte, das lange ausgehandelte Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union zu unterschreiben und das Land Richtung Westen zu führen. Doch die Staatsmacht ging immer brutaler gegen die Demonstranten vor. Schließlich lautete die Forderung: Das korrupte Staatsoberhaupt Janukowytsch müsse abtreten. Der Publizist Witalij Portnykow:
"Der Maidan war ein nationaler Aufstand gegen den kriminellen Staat, den Janukowytsch geschaffen hatte. An diesem Aufstand beteiligten sich gewöhnliche Bürger, aber auch Oppositionspolitiker und Oligarchen. Der Maidan siegte - und der kriminelle Staat wandelte sich zurück in einen Staat, in dem die Oligarchen das Sagen haben. Unter Janukowytsch hatten sie sich dem Staatsoberhaupt unterordnen müssen, sie mussten seine Befehle befolgen."
Einer der Oligarchen, die damals den sogenannten Maidan unterstützten, war Petro Poroschenko. Er war unter anderem durch Süßwarenfabriken und Schiffswerften zu Reichtum gekommen.
Doch natürlich träumten die allermeisten Ukrainer bei der "Revolution der Würde", wie sie heute genannt wird, von einem anderen Land. Einem Land ohne Korruption, einem demokratischen Rechtsstaat. Dafür zahlten sie einen hohen Preis: Die Staatsmacht schoss auf die Demonstranten, es kam zu Straßenschlachten. Weit über 100 Menschen starben - auf beiden Seiten der Barrikade. Schließlich floh Wiktor Janukowytsch nach Russland.
"In der Ostukraine sterben unsere jungen Männer im Krieg"
Im westukrainischen Lemberg bekam Petro Poroschenko bei der Wahl vor fünf Jahren besonders viele Stimmen, sogar mehr als in seiner Wahl-Heimatstadt Winnizja. Doch heute ist die Enttäuschung über das Staatsoberhaupt auch dort mit Händen zu greifen.
Andrij Iwanowytsch, ein schmächtiger 56-jähriger, hat sich gerade auf dem Prachtboulevard der Stadt, dem Freiheits-Prospekt, umgesehen, vor allem in den Wahlkampfzelten:
"Bei uns gibt es Freiwillige, die sich um die Soldaten kümmern, die im Donezbecken kämpfen. Sie sammeln das ganze Jahr über, um die Soldaten besser ausstatten zu können. Einmal, das war am Nikolaustag, habe ich sie in einem Supermarkt gesehen. Sie haben die Menschen aufgerufen, Seife zu spenden. Und da habe ich mir gedacht: Unser Präsident, der Oberbefehlshaber der Armee, ist ein Milliardär. Und er kann nicht einfach seinen Soldaten Seife kaufen?"
Wahlplakat der ukrainischen Präsidentschaftskandidatin Julija Tymoschenko am 13. März 2019 in Kiew.
Wahlplakat der ukrainischen Präsidentschaftskandidatin Julija Tymoschenko am 13. März 2019 in Kiew (imago images/ZUMA Press/Pavlo Gonchar)
Im Wahlkampfzelt von Julia Tymoschenko steht Halina Kuljaba. Die 65-jährige ehemalige Lehrerin hat vor fünf Jahren für Poroschenko gestimmt und ist tief enttäuscht:
"In der Ostukraine sterben unsere jungen Männer im Krieg. Und wer als Krüppel zurückkommt, ist arm, hat keine Wohnung und bekommt keine Hilfe. Und hier stehlen alle genauso wie immer, die Staatsanwälte, die Richter, die Polizisten - ihnen geht es gut. Aber der Fisch stinkt ja vom Kopf her, wie man sagt."
Jahrelanges Tauziehen um den Antikorruptionsgerichtshof
Petro Poroschenko hat vor fünf Jahren versprochen, er werde den Krieg im Donezbecken schnell beenden. Realistisch war das nicht. Denn hinter den vorgeblich separatistischen Bewegungen in der Ostukraine steht Russland. Nachdem der prorussische Ex-Präsident Wiktor Janukowytsch geflohen war, annektierte Moskau zunächst die ukrainische Halbinsel Krim. Dann organisierte es in den östlichen ukrainischen Bezirken Donezk und Luhansk einen bewaffneten Aufstand, der wie ein Volksaufstand aussehen sollte. An wichtigen Schlachten, etwa bei Ilowajsk, waren auch reguläre russische Einheiten beteiligt. Bis heute versorgt Moskau die sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk mit Waffen, Munition und Militärexperten.
Inzwischen hat Präsident Poroschenko eingestanden: Sein Versprechen vor fünf Jahren sei ein Fehler gewesen:
"Ich hatte versprochen, unsere Anti-Terror-Operation im Osten werde nur Stunden dauern, keinesfalls Monate. Es tut mir leid, dass ich zu hohe Erwartungen geweckt habe. Ich entschuldige mich, dass ich eine unberechtigte Hoffnung geweckt habe, ich bitte um Verzeihung."
Doch der viel schwerer wiegende Vorwurf ist ja, dass Poroschenko nichts gegen die Korruption unternommen hat - wenn es nur irgendwie seine Machtposition gefährdet hätte. Nur der massive Druck aus dem Ausland, aus der EU und vom Internationalen Währungsfonds, hat Fortschritte gebracht.
Ein Beispiel ist das jahrelange Tauziehen um den Antikorruptionsgerichtshof. Er ist dringend notwendig. Aber Poroschenko wollte lange verhindern, dass er wirklich unabhängig wird. Inzwischen ist die Schlacht geschlagen, das neue Richtergremium steht fest, zur leidlichen Zufriedenheit unabhängiger Experten.
Stimmungslage in Poroschenkos Hochburg
Poroschenko bremste die Korruptionsbekämpfung aus, weil auch Verbündete von ihm immer wieder in den Fokus der Ermittler gerieten. Vor der Präsidentenwahl setzte er in verschiedenen Regionen auf Partner mit höchst zweifelhaftem Ruf, so in Charkiw auf den dortigen Bürgermeister Hennadij Kernes.
In Lemberg, Poroschenkos Hochburg, werden trotz allem die meisten Menschen für ihn stimmen, wie Umfragen zeigen. Das Wahlkampfteam des Präsidenten habe dabei keine leichte Aufgabe, räumt der Poroschenko-Berater Anatolij Romanjuk ein, ein Politologie-Professor an der Universität Lemberg:
"Er hat viele Fehler gemacht. Der Kampf gegen die Korruption war sicher nicht ausreichend. Außerdem gibt es in seinem Umfeld eine ganze Reihe von Politikern, die beschuldigt werden, ihre Stellung missbraucht zu haben. Das ist nicht immer konsequent aufgeklärt worden."
Trotzdem glaubt Romanjuk, letztendlich könne Poroschenko die Ukrainer noch von sich überzeugen. Schließlich habe er unter schwierigen Umständen sein Amt angetreten.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hält eine Rede vor dem Parlament.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko (AFP / Genya Savilov)
"Die Hauptforderung des Maidan war, dass die Ukraine ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet. Heute gibt es dieses Abkommen. Ukrainer können nun ohne Visum in die EU reisen. Und als Poroschenko Präsident wurde, gab es gerade einmal 3.000 einsatzfähige Soldaten. Heute haben wir eine Armee, die in der Lage ist, unsere Landesgrenzen zu verteidigen."
"Wir werden unser Bruttoinlandsprodukt verdreifachen"
Die Hauptkonkurrentin von Poroschenko im ersten Wahlgang ist Julia Tymoschenko. Denn die Umfragen zeigen: Mit ihr wird er darum streiten, wer neben dem Kabarettisten Wolodymyr Selenskyj in die Stichwahl einzieht. Julia Tymoschenko war schon zweimal Ministerpräsidentin. Auch sie hat die meisten Unterstützer in der westlichen Ukraine. Treue Unterstützer, viele von ihnen vertrauen ihr blind. Der 58-jährige Walerij Lukjanow, ein ehemaliger Berufssoldat, der auch im Tymoschenko-Zelt auf dem Boulevard in Lemberg steht:
"Ich bin seit vielen Jahren in ihrer Vaterlandspartei. Ich war immer gegen Poroschenko, der doch ein Oligarch ist. Julia Tymoschenko wird Erfolg haben. Denn sie hat versprochen, dass sie sofort wieder zurücktritt, wenn sie nach 100 Tagen bestimmte Versprechen nicht erfüllt hat. Sie ist eine Spezialistin in Wirtschaftsfragen, in den internationalen Beziehungen, und sie wird auch mit dem Militär zurechtkommen."
Julia Tymoschenko hat es geschafft, dass ihre Anhänger sie für unbedingt integer halten. Dabei hat sie selbst früher mit dubiosen und wohl auch kriminellen Gasgeschäften mit Russland sehr viel Geld verdient. Und immer wieder hat sie mit bestimmten Oligarchen zusammengearbeitet. Für sie spricht allerdings - in den Augen vieler Ukrainer - dass sie unter Ex-Präsident Janukowytsch über zwei Jahre im Gefängnis gesessen hat, unter schwierigen Haftbedingungen. Im laufenden Wahlkampf macht die 58-jährige mit Versprechen Furore, die alle ernsthaften Analysten für völlig überzogen halten.
"In wenigen Jahren werden wir ein Land haben, auf das alle neidisch sein werden. Denn wir haben enormes intellektuelles Potential, wie kaum ein anderes Land auf der Welt. Bildung und Forschung werden im neuen Kurs für das Land, den ich vorschlage, im Vordergrund stehen. Wir werden unser Bruttoinlandsprodukt verdoppeln und verdreifachen."
Drei unterschiedliche Charaktere
Auch mit dem Preis für Gas, den Verbraucher zahlen, macht Tymoschenko Stimmung. Die Ukraine musste ihn anheben - eine Forderung des Internationalen Währungsfonds. Sonst hätte das Land keinen Kredit mehr bekommen und wäre auf den Staatsbankrott zugesteuert. Tymoschenko verspricht, sie werde den Preis halbieren. Und die Erhöhung des Gaspreises bezeichnete sie kurzerhand als "Völkermord". Sowohl Tymoschenko als auch Selenskyj versprechen, sie würden mehr für den Frieden im Donezbecken tun. Der Kabarettist sagte in einem langen Interview:
"Eine Gruppe von uns Ukrainern sollte sich mit denen im Kreml treffen. Schließlich haben die diese Volksrepubliken in der Ostukraine ins Leben gerufen. Putin würde ich fragen: Was wollen Sie, wieso lassen Sie uns nicht in Ruhe? Dann würde ich sagen, was wir wollen - und irgendwo in der Mitte würden wir uns treffen."
Damit löste er laute Kritik aus – denn das das klang erstens naiv. Und zweitens schien es, als wolle Selenskyj dem russischen Präsidenten ein Mitspracherecht über die ukrainische Innenpolitik einräumen. Selenskyj versuchte später, diesen Eindruck zu revidieren.
Die Ukraine wird sich also am Sonntag - und dann wohl noch einmal in drei Wochen - für einen von den drei möglichen Kandidaten zu entscheiden haben. Drei unterschiedliche Charaktere, die für verschiedene Generationen und verschiedene Regionen des Landes stehen. Doch eines steht in der Ukraine seit 2014, seit der Revolution der Würde, erkennbar nicht mehr zur Debatte: Das Land dürfte sich unter jedem möglichen Staatsoberhaupt weiterhin am Westen orientieren.
Das ist auch die Zukunftsvision in einer der populärsten Nummern im Programm von Wolodymyr Selenskyj, dem Favoriten im Osten. Die Ukraine ist hier ein von Moskau unabhängiges, westliches Land geworden. Der Opa spricht Englisch, im Fernsehen wird nicht mehr gelogen, jeder hat so viel, wie er sich erarbeitet. Und in Jalta auf der Krim werden wieder ukrainische, keine russischen Lieder gesungen.