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Vor der Abstimmung des Bundesrates über die Steuerreform

Liminski: Die Steuerdebatte hat sich in den letzten Tagen politisch zugespitzt auf die Frage, ob der Bundesrat, genauer ob vier Länder, nämlich Bremen, Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, dem Reformvorhaben der Koalition zustimmen oder nicht. In diesen Ländern regieren große Koalitionen beziehungsweise in Schwerin eine SPD/PDS-Koalition. Die unionsgeführten Länder wollen auf jeden Fall die Reform ablehnen und so die Koalition zu weiteren Zugeständnissen zwingen. Ganz besonders hart zeigt sich die CSU. Ihr Generalsekretär Thomas Goppel ist nun im Kloster Banz, wo die CSU eine Klausurtagung abhält, am Telefon. Guten Morgen Herr Goppel!

    Goppel: Guten Morgen. - Ich würde das Wort "hart" gerne durch "konsequent" ersetzen. Das gilt für uns nämlich schon seit langem.

    Liminski: Sehr gut, Herr Goppel. Das können wir so stehen lassen. Wer die Debatte aber seit einigen Wochen verfolgt wird das Gefühl eines Dejavu-Erlebnisses nicht los. So ähnlich war es auch vor dem Regierungswechsel, als Oskar Lafontaine die Reformvorhaben der damaligen Regierung Kohl-Weigel konsequent blockierte. Wird hier die Parteiräson nicht über die Reformnotwendigkeit, mithin nicht über ein Stückchen Staatsräson gestellt?

    Goppel: Deswegen ärgern mich die Methoden und Maßnahmen der Bundesregierung ganz besonders, denn Herr Eichel und Herr Schröder waren die Oberblockadeführer, neben Herrn Lafontaine, der das ganze organisiert hatte. Daran muss man sich erinnern und das macht dann auch bewusst, dass das Kasperle-Theater, das dort im Moment in der Form einer allerdings sehr unangenehmen Erpressung von Ländern stattfindet, alles andere als vernünftige Gegebenheiten sind. Die Krokodilstränen kommen ja aus dem gleichen Kasperle-Theater, und deswegen kann ich das nicht verstehen. Die Bundesregierung weiß sehr genau. Sie hat bis zum 01. 01. 2001 Zeit, diese Steuerreform auf den Weg zu bringen. Insoweit ist es eine unanständige Form des Umgangs miteinander, wenn man den anderen unterstellt, sie würden vielleicht einkaufbar sein, wenn man jetzt ordentlich zulangt.

    Liminski: Aber die Reformnotwendigkeit werden Sie nicht bezweifeln?

    Goppel: Das tut überhaupt keiner. Das haben wir ja die ganze Zeit gesagt. Wir wären sehr, sehr dankbar, wenn ein paar Dinge vernünftig wären. Wir haben ja nichts anderes als zwei Forderungen. Die erste ist: alles in Deutschland wird gleichermaßen entlastet, ob klein, ob groß. Da kann man sich nicht nur auf die Großen beziehen. An dieser Stelle weiß auch die Bundesregierung, wo die Bewegung bei der Union noch jederzeit vorhanden ist, denn von 56 Prozent Steuerobergrenze 25 Prozent gleichmäßig herunterzufahren heißt, dass man unter 45 muss, aber über 40 bleiben kann, wenn man denn da konsequent bleibt. Auf der anderen Seite geht es darum, dass nicht die kleinen Leute die Zeche zahlen, die Handwerker, die Gewerbetreibenden, die Selbständigen, die, die die Ausbildungsplätze bereitstellen, und diejenigen, die als Rentner Kleinaktionäre sind und unter 3.000 Mark Ertrag bleiben, denn die kriegen in Zukunft durch das Halbeinkünfteverfahren Umstellungen, was viel zu kompliziert ist, um es zu erklären, am Ende am wenigsten Geld heraus. Derjenige, der schon bei der Ökosteuer so geprellt wird, einmal, zweimal, wenn Sie es richtig sehen, denn als Rentner kann man nichts absetzen und umgekehrt kriegt man ordentlich eins auf den Deckel, zahlt sein eigenes Zeug nicht mehr, dann noch mal bei den Aktien weg. Dieses Dauerschröpfen von Rentnern zum Beispiel können wir nicht leiden, und das muss weg!

    Liminski: Herr Goppel, nun ließe sich aber ganz generell einwenden oder argumentieren, eine kleine Reform ist besser als gar keine und die richtig große machen wir, wenn wir wieder dran sind. Das wäre dem Bürger doch sicher zu vermitteln. Warum dann das kategorische Nein?

    Goppel: Sie können es ja umgekehrt auch sagen. Ein klein bisschen nasse Hose ist auch eine nasse Hose. Unter diesem Umstand lasse ich das eigentlich nicht gelten. An dieser Stelle ist die Bundesregierung sehr wohl in der Lage abzuschätzen was los ist. Wir haben einen großen Unterschied. Bei der Steuerreform braucht uns die Bundesregierung, weil sie auch gegen die Länder eine ganze Menge von Maßnahmen verfügt, in denen wir dann mitzahlen. Der Herr Clement erzählt ja dauernd, wen er alles noch mitzahlen lassen möchte, in besonders liebenswürdigen Farben der unfreundlichen Aktion, die da stattfindet. Auf der anderen Seite braucht sie uns bei der Rente nicht. Da sollen wir denn dann auch genauso entgegenkommen. Wer mit der Union Geschäfte machen will, muss seriös gegenüber seinen Partnern bleiben. Die SPD verrät die soziale Gerechtigkeit in diesen Tagen. Das steht dem Herrn Eichel, dem Oberblockierer von gestern, nicht zu. Er wird an seinen eigenen Maßstäben gemessen, und da er sie nicht einhält, kriegt er auch keine Zustimmung.

    Liminski: Herr Goppel, Sie rechnen offenbar wie andere Kollegen in der Union mit einem zweiten Vermittlungsverfahren, aber Bundesfinanzminister Eichel droht damit, die Reform beim Scheitern im Bundesrat zurückzuziehen. Dann hätten Sie aber ein Wahlkampfthema für das nächste Jahr aus der Defensive heraus zu bewältigen und außerdem die Wirtschaft am Hals. Ist das nicht ein hohes politisches Risiko?

    Goppel: Die Wirtschaft und die Gewerkschaften - Sie haben gestern Abend sichtlich nicht Radio gehört - haben im Bündnis für Arbeit beide gesagt, die Union hat Recht. Jedenfalls habe ich das heute Nacht gelesen. Wenn dem so ist, dass die beide schon der Bundesregierung gesagt haben, Freundchen, da fehlt noch was, da ist noch was nachzubessern, dann ist der Union der Vorwurf nicht zu machen. Davon abgesehen, dass ich nur mal sagen will: Der Herr Eichel ist ja derjenige, der als hessischer Ministerpräsident anderen beigebracht hat wie man's macht. Wir sind eigentlich die viel faireren gewesen. Dann lehrt man jemand etwas. Da kennen Sie den Zauberlehrling von Goethe: Meister pass auf, dein Lehrling formiert sich. Damit muss er rechnen!

    Liminski: Die Wirtschaft und auch manche andere Institute rechnen das Scheitern und selbst das Verzögern der Reform in hundert Tausenden von Arbeitsplätzen vor. Auch der Kanzler warnt nun vor einer Umkehr des Trends am Arbeitsmarkt, sollte die Reform nicht zu Stande kommen. Ähnlich argumentierte die Union in den 90er Jahren. Gilt das jetzt nicht mehr?

    Goppel: Wie sagen die Norddeutschen so schön? Das ist nicht unser Begriff. Das sind "Fieslinge", die so argumentieren, ausgesprochene Fieslinge, denn sie wissen, dass es jetzt um vier Monate geht, in denen wir gemeinsam gut Zeit haben, das ganze Problem noch zu lösen. Wenn wir selbst im September nach der Sommerpause, die ja auch eine Nachdenkpause sein kann, in welchem Teil der Welt auch immer, für alle Mitglieder der Bundesregierung, zum Beispiel für Herrn Riester in Österreich, was ich so überraschend finde, wenn das alles bedacht ist, dann können wir im September im zweiten Vermittlungsverfahren und wenn die Bundesregierung weiterhin stur bleibt auch im November in einem dritten Verfahren noch operieren. Wer offene Möglichkeiten der Verhandlungen hat und den anderen unter Druck setzt mit der Feststellung, er zerstöre den Konsens oder was auch immer, der ist mit unlauteren Methoden unterwegs. Das rechne ich der Bundesregierung außerordentlich unangenehm an, eine Regierung, die selbst daran Schuld ist, dass wir zu einem zu späten Zeitpunkt daran sind, weil ihre Mitglieder jeden Tag andere Vorschläge zum Ergebnis machen. Nicht die Opposition ist die bewegliche hier in diesem Land und diejenige, die ständig etwas Neues fordert, damit es noch mehr wird, sondern die Regierung ist diejenige, die nicht weiß was sie will.

    Liminski: Wie soll denn die von der Union geforderte stärkere Entlastung der Bürger gegenfinanziert werden?

    Goppel: Zunächst einmal wissen wir alle aus den Erfahrungen unserer Nachbarn - da brauche ich gar nicht nach Deutschland gehen -, dass ein niedrigerer Steuersatz dazu führt, dass die Menschen, die mehr Geld haben, auch mehr investieren. Mehr Investitionen bedeutet mehr Durchlauf bei den Steuern, und das bedeutet letztlich auch am Ende mehr Einnahmen für den Staat. Im übrigen sind aktive Menschen, die mehr Geld investieren, immer auch welche, die die Arbeitslosenversicherung nicht in Anspruch nehmen müssen. Das sind so einfache Rechnungen, die sich jeder aufmachen kann und wo man sehr wohl deutlich machen kann, dass das funktioniert und wie gesagt im übrigen Beleg findet in der Nachbarschaft, dass ich es müßig finde, wenn wir uns damit die Zeit vertun. Das hätte längst greifen können, übrigens auch schon vor zwei Jahren. Damals waren rot/grün diejenigen, die uns all das beschert haben bis zu den unangenehmen Zahlen. Ich bleibe dabei: die Bundesregierung wird am Freitag nicht die Freude haben, dass jemand Erpressungsversuchen nachgibt. Erpressung ist ein unzulässiger Vorgang, und wenn sie stattfindet, obwohl man weiß, dass man noch Zeit hat, ist sie doppelt gemein.

    Liminski: Nehmen wir doch mal für einen kleinen Moment an, Herr Goppel, die Reform kommt irgendwie durch, mit Erpressung oder ohne. Dann haben wir zwei unterschiedliche Systeme, nämlich eine stärkere Entlastung für Großunternehmen und eine kleinere oder keine für den Mittelstand. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz im Steuerrecht berührt, und da sind die Richter in Karlsruhe ja bekanntlich ziemlich empfindlich. Würden Sie in diesem Fall erwägen, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen?

    Goppel: Wir erwägen jetzt erst einmal, dass die Bundesregierung großen Theaterdonner macht, und dann schauen wir am Freitag was da ist. Die CSU ist nicht zimperlich zum Verfassungsgericht zu gehen, wenn sie das Gefühl hat, dass jemand anderer gegen geltendes Recht und gegen Gleichheitsgrundsätze verstößt. Wo das passiert muss die Bundesregierung damit rechnen, dass es Ärger gibt, egal in welchem Bereich. Wir sind nicht dazu angetreten und von den Wählern mit der CDU zusammen und mit der FDP in die Opposition gewählt worden, damit wir stillhalten, damit Gerhard Schröder mit seinen schnellen Einfällen jeweils Recht kriegt. Es ist sowieso in einer ganzen Reihe von Fällen viel zu wenig die Möglichkeit da, jemanden daran zu hindern, die vierjährige Mehrheit zu missbrauchen, wenn sie gegen den Willen der Bürger geht. Das geht jetzt gerade mit den gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften wieder ganz genauso.

    Liminski: Das ist ein anderes Thema. Lassen wir das mal außen vor. - Herr Goppel, noch eine Frage zu den politischen Akteuren oder den personalpolitischen Folgen dieser Situation. Die Blockadepolitik Lafontaines ist dem damaligen SPD-Chef letztlich nicht gut bekommen, sie hat ihn vielleicht sogar die Kanzlerkandidatur gekostet. Könnte es nicht sein, dass auch potenzielle Kanzlerkandidaten der Union durch das Nein im Bundesrat Schaden nehmen? Der deutsche Wohlstandsbürger lebt doch lieber im Konsens.

    Goppel: Um Ihnen das ganz ehrlich zu sagen: wenn die Sache es für geboten erscheinen lässt, dass wir konsequent sind im Interesse der Bürger und ich sage jetzt ganz bewusst der großen Mehrheit von Mittelstand und kleinerer Arbeitnehmer, dann ist auf Dauer nicht wichtig wer Kanzlerkandidat oder Kandidatin werden kann, sondern dann ist es wichtig, dass wir uns für die Bürger einsetzen. Hier gibt es keine Blockadepolitik, um das noch einmal ganz deutlich zu sagen. Hier gibt es den Spielraum von vier Monaten, der ausgelotet sein will und wo nicht Herr Schröder bestimmt, wann der Spielraum zu Ende ist, oder Herr Eichel.

    Liminski: Es wäre natürlich infam, die Absicht zu unterstellen, potenzielle Kanzlerkandidaten der Union sollen auf diese Weise geschwächt werden.

    Goppel: So einfach denken die Bayern doch gar nicht. Die denken viel einfacher!

    Liminski: Umgekehrt gilt doch, dass eine Reform im Sinne der Union vor allem dem Fraktionsvorsitzenden Merz nützen würde. Ist das denn eine abwegige Idee?

    Goppel: Nein. Alles was letztlich die Regierung dazu zwingt, ihre Art und Weise Politik zu machen zu decouvrieren und einmal mehr zu belegen, dass sie unfähig war, ein Konzept zu entwerfen, das der Mehrheit wirklich genügt, ist durchaus in Ordnung. Kein Problem! Nutzt auch denjenigen, die Federführer sind. Das gönne ich auch jedem. Im übrigen ist es im umgekehrten Verfahren äußerst ärgerlich, wenn andere nachweisen, dass ich nicht genügend nachgedacht habe.

    Liminski: Das war Thomas Goppel, Generalsekretär der CSU. - Besten Dank für das Gespräch!

    Link: Interview als RealAudio