Beck: Schönen guten Morgen. - Nein, die Geister scheiden sich natürlich nicht an der Notwendigkeit der Integration. Auf der anderen Seite muss es zu einer fairen Kostenaufteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden kommen. Wir wenden derzeit schon erhebliche Summen auf, um den Menschen, die bei uns sind und derzeit zu uns kommen, eine entsprechende Integration zu ermöglichen. Das wird natürlich intensiver werden.
Liminski: Mit "wir" meinen Sie die Länder?
Beck: Ich meine die Länder und die Gemeinden, denn die Aufgaben sind dort ja fließend. Es geht um schulische Angebote, es geht um Weiterbildungsangebote, aber es geht eben auch um all das, was in Kommunen im Alltag stattfindet: Begegnungen zu organisieren, Sprachkurse zu organisieren, die man anbietet, und so weiter.
Liminski: Der Kanzler hat offenbar noch einen Joker, nämlich das Angebot, dass der Bund die Kosten der Integration voll übernimmt. Würden Sie in diesem Fall Ihren Antrag auf Vermittlung zurückziehen? Oder anders gefragt: Was muss Berlin alles bieten, damit Mainz mitzieht?
Beck: Rheinland-Pfalz hat ja eine Beschlussfassung vom gestrigen Tag im Kabinett, die das Gesetz unbeschädigt und unberührt lässt. Das ist glaube ich der entscheidende Punkt, denn wenn im Vermittlungsausschuss das Zuwanderungsgesetz aufgeschnürt wird, dann - so fürchte ich - fliegt es uns allen um die Ohren, weil zwischen den Grünen und der CDU/CSU und der PDS, die zeitweise versucht hat, die CDU noch rechts zu überholen, schwer erkennbar ist, wie dann ein aufgeschnürtes Paket noch einmal zugemacht werden könnte. Insoweit habe ich sehr darauf geachtet, dass es bei uns lediglich um Fragen geht, die außerhalb des eigentlichen Gesetzes regelbar sind. Allerdings sehe ich auch nicht, dass dies durch irgendwelche Angebote veränderbar ist. Unser Koalitionspartner, die FDP, besteht auf einem solchen Verfahren. Wir haben jedoch einen fairen Kompromiss, der das Gesamtergebnis glaube ich nicht gefährdet.
Liminski: Wenn nun Brandenburg mehr als die zwei Punkte von Rheinland-Pfalz oder auch mehr als das Angebot Berlins verlangt und deshalb den Vermittlungsausschuss anruft, werden Sie das dann mittragen?
Beck: Nein. Wir werden außer den beiden Punkten - das ist zum einen die Verteilung der Integrationskosten und dies mit Zustimmung des Bundesrates zu machen und das ist zum zweiten eine durch Organisationsregelung zu schaffende Abgrenzung der Arbeitsamtsbezirke, die Zuwanderung ermöglichen, wenn dort Mitarbeiter in der Wirtschaft gebraucht werden - nichts zulassen. Ansonsten gibt es keinen Punkt, dem wir zustimmen. Was darüber hinausgeht findet nicht unsere Zustimmung.
Liminski: Das heißt wenn diese zwei Punkte von ihnen erfüllt werden, tragen Sie das Gesetz mit?
Beck: Das heißt, dass wir davon ausgehen, dass im Vermittlungsausschuss darüber geredet wird. Alles andere, was draufgesattelt wird, werden wir mit unseren Stimmen nicht zulassen, denn das würde das Gesetz insgesamt gefährden. Wir wollen, dass das Gesetz Erfolg hat.
Liminski: Herr Beck, noch einmal zur Integration an sich. Das IFO-Institut und das Max-Planck-Institut für ausländisches Sozialrecht haben ausgerechnet, dass für jene, die eine Aufenthaltsdauer von weniger als zehn Jahren haben, pro Kopf und Jahr rund 2.300 € mehr ausgezahlt werden als die Einwanderer in die Sozialkassen einzahlen und das ohne Fortschritte bei der Integration. Das ist die berühmte Einwanderung in die Sozialsysteme. Ist dieser Preis der Multikultur angemessen oder überfordert er das System?
Beck: Das sind solche statistischen Zahlen, die ich gerne näher beleuchtet haben möchte, denn es gibt natürlich viele Menschen, die sich hervorragend integrieren und aus unserer Wirtschaft überhaupt nicht wegzudenken sind. Das gilt nicht nur für Spezialisten in der IT-Branche, sondern ich bin überzeugt, dass beispielsweise das Tourismusgewerbe, das Gaststättengewerbe, was gerade auch in einem Land wie Rheinland-Pfalz eine große Rolle spielt, kaum funktionieren könnte ohne ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn ich das dagegenrechne, komme ich volkswirtschaftlich zu ganz anderen Ziffern. Es muss aber natürlich auch möglich sein, dass wir diejenigen, die sich beharrlich verweigern, Sprachkurse zu machen, Integration eben auch von ihrer Seite aus zu wollen, abschicken können.
Liminski: Sie sprechen hiermit die demographischen Entwicklungen an und damit auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Das ist auch Ihr zweiter Punkt für ein Vermittlungsverfahren. Setzen Sie da ganz auf die Fachkräfte aus dem Ausland oder denken Sie auch an einheimische Arbeitskräfte?
Beck: Natürlich muss zuerst der eigene Arbeitsmarkt betrachtet werden und dort, wo wir eigene Arbeitskräfte haben, wo wir Umschulungsmöglichkeiten für Leute aus Deutschland haben, muss dieses Instrumentarium zuerst eingesetzt werden. Aber an vielen Stellen brauchen wir Mitarbeiter darüber hinaus, und das muss dann auch geöffnet werden. Das ist auch im Interesse des deutschen Arbeitsmarktes. Insoweit gibt es dort keine Unterschiede in der Interessenslage Deutscher gegen diejenigen, die zuwandern, denn es geht ja um ein Zuwanderungsregelungsgesetz und nicht darum, die Tür macht auf, die Tor macht weit.
Liminski: Herr Beck, Sie gelten auch als Verfechter der Ganztagsschulen und Ganztagskindergärten, damit auch Frauen verstärkt im Arbeitsleben außerhalb des Familienmanagements tätig sein können. Ist für Sie Familienpolitik die Fortsetzung von Wirtschaftspolitik mit anderen Mitteln?
Beck: Nein. Familienpolitik ist natürlich sehr viel mehr. Es ist ein Aspekt, dass man gut ausgebildete junge Frauen heute nicht für viele Jahre, wenn sie sich für Kinder entscheiden, darauf verweisen kann, dass wir keine Angebote haben, die Kinder zu betreuen. Deshalb halte ich es für geboten, dass flächendeckend Ganztagsangebote in den Kindergärten mit entsprechender Übermittagsbetreuung und so weiter angeboten werden und auch Ganztagsschulangebote. Das hat pädagogische Gründe, im übrigen auch um Kinder, die nicht deutschsprachig aufgewachsen sind, besser fördern zu können. Das können die Eltern ja gar nicht, wenn sie selber oft nur gebrochen Deutsch sprechen. Diese Dinge sind aber auch notwendig, um Begabungen stärker fördern zu können und Schwächen der Kinder ausgleichen zu können. Es ist also zu allerforderst ein schulisches Angebot, das ich für notwendig halte, das natürlich auch wichtige familienpolitische Aspekte beinhaltet.
Liminski: Es wird oft gesagt, das Thema Ein- und Zuwanderung gehöre nicht in den Wahlkampf. Es geht dabei immerhin um die Zukunft des Gemeinwesens in Deutschland. Gibt es eigentlich ein stärkeres und geeigneteres Argument für den demokratischen Urnengang? Unterschätzt man hier nicht den Wähler?
Beck: Das ist sicher richtig, dass man sagt, natürlich muss über solche Fragen immer diskutiert werden können, warum nicht auch zu Wahlzeiten. Wir haben aber erlebt, siehe Landtagswahl in Hessen, dass nicht eine vernünftige sachbezogene Diskussion geführt wird, sondern dass Urängste und Abgrenzungen dann im Vordergrund stehen. Das wäre in der Tat schädlich, weil wir dann Krisensituationen herbeiführen und auch den rechten Rand stärken würden.
Liminski: Der Bundesrat vor der Entscheidung über das Zuwanderungsgesetz. - Das war hier im Deutschlandfunk Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Besten Dank für das Gespräch Herr Beck!
Link: Interview als RealAudio
Liminski: Mit "wir" meinen Sie die Länder?
Beck: Ich meine die Länder und die Gemeinden, denn die Aufgaben sind dort ja fließend. Es geht um schulische Angebote, es geht um Weiterbildungsangebote, aber es geht eben auch um all das, was in Kommunen im Alltag stattfindet: Begegnungen zu organisieren, Sprachkurse zu organisieren, die man anbietet, und so weiter.
Liminski: Der Kanzler hat offenbar noch einen Joker, nämlich das Angebot, dass der Bund die Kosten der Integration voll übernimmt. Würden Sie in diesem Fall Ihren Antrag auf Vermittlung zurückziehen? Oder anders gefragt: Was muss Berlin alles bieten, damit Mainz mitzieht?
Beck: Rheinland-Pfalz hat ja eine Beschlussfassung vom gestrigen Tag im Kabinett, die das Gesetz unbeschädigt und unberührt lässt. Das ist glaube ich der entscheidende Punkt, denn wenn im Vermittlungsausschuss das Zuwanderungsgesetz aufgeschnürt wird, dann - so fürchte ich - fliegt es uns allen um die Ohren, weil zwischen den Grünen und der CDU/CSU und der PDS, die zeitweise versucht hat, die CDU noch rechts zu überholen, schwer erkennbar ist, wie dann ein aufgeschnürtes Paket noch einmal zugemacht werden könnte. Insoweit habe ich sehr darauf geachtet, dass es bei uns lediglich um Fragen geht, die außerhalb des eigentlichen Gesetzes regelbar sind. Allerdings sehe ich auch nicht, dass dies durch irgendwelche Angebote veränderbar ist. Unser Koalitionspartner, die FDP, besteht auf einem solchen Verfahren. Wir haben jedoch einen fairen Kompromiss, der das Gesamtergebnis glaube ich nicht gefährdet.
Liminski: Wenn nun Brandenburg mehr als die zwei Punkte von Rheinland-Pfalz oder auch mehr als das Angebot Berlins verlangt und deshalb den Vermittlungsausschuss anruft, werden Sie das dann mittragen?
Beck: Nein. Wir werden außer den beiden Punkten - das ist zum einen die Verteilung der Integrationskosten und dies mit Zustimmung des Bundesrates zu machen und das ist zum zweiten eine durch Organisationsregelung zu schaffende Abgrenzung der Arbeitsamtsbezirke, die Zuwanderung ermöglichen, wenn dort Mitarbeiter in der Wirtschaft gebraucht werden - nichts zulassen. Ansonsten gibt es keinen Punkt, dem wir zustimmen. Was darüber hinausgeht findet nicht unsere Zustimmung.
Liminski: Das heißt wenn diese zwei Punkte von ihnen erfüllt werden, tragen Sie das Gesetz mit?
Beck: Das heißt, dass wir davon ausgehen, dass im Vermittlungsausschuss darüber geredet wird. Alles andere, was draufgesattelt wird, werden wir mit unseren Stimmen nicht zulassen, denn das würde das Gesetz insgesamt gefährden. Wir wollen, dass das Gesetz Erfolg hat.
Liminski: Herr Beck, noch einmal zur Integration an sich. Das IFO-Institut und das Max-Planck-Institut für ausländisches Sozialrecht haben ausgerechnet, dass für jene, die eine Aufenthaltsdauer von weniger als zehn Jahren haben, pro Kopf und Jahr rund 2.300 € mehr ausgezahlt werden als die Einwanderer in die Sozialkassen einzahlen und das ohne Fortschritte bei der Integration. Das ist die berühmte Einwanderung in die Sozialsysteme. Ist dieser Preis der Multikultur angemessen oder überfordert er das System?
Beck: Das sind solche statistischen Zahlen, die ich gerne näher beleuchtet haben möchte, denn es gibt natürlich viele Menschen, die sich hervorragend integrieren und aus unserer Wirtschaft überhaupt nicht wegzudenken sind. Das gilt nicht nur für Spezialisten in der IT-Branche, sondern ich bin überzeugt, dass beispielsweise das Tourismusgewerbe, das Gaststättengewerbe, was gerade auch in einem Land wie Rheinland-Pfalz eine große Rolle spielt, kaum funktionieren könnte ohne ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn ich das dagegenrechne, komme ich volkswirtschaftlich zu ganz anderen Ziffern. Es muss aber natürlich auch möglich sein, dass wir diejenigen, die sich beharrlich verweigern, Sprachkurse zu machen, Integration eben auch von ihrer Seite aus zu wollen, abschicken können.
Liminski: Sie sprechen hiermit die demographischen Entwicklungen an und damit auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Das ist auch Ihr zweiter Punkt für ein Vermittlungsverfahren. Setzen Sie da ganz auf die Fachkräfte aus dem Ausland oder denken Sie auch an einheimische Arbeitskräfte?
Beck: Natürlich muss zuerst der eigene Arbeitsmarkt betrachtet werden und dort, wo wir eigene Arbeitskräfte haben, wo wir Umschulungsmöglichkeiten für Leute aus Deutschland haben, muss dieses Instrumentarium zuerst eingesetzt werden. Aber an vielen Stellen brauchen wir Mitarbeiter darüber hinaus, und das muss dann auch geöffnet werden. Das ist auch im Interesse des deutschen Arbeitsmarktes. Insoweit gibt es dort keine Unterschiede in der Interessenslage Deutscher gegen diejenigen, die zuwandern, denn es geht ja um ein Zuwanderungsregelungsgesetz und nicht darum, die Tür macht auf, die Tor macht weit.
Liminski: Herr Beck, Sie gelten auch als Verfechter der Ganztagsschulen und Ganztagskindergärten, damit auch Frauen verstärkt im Arbeitsleben außerhalb des Familienmanagements tätig sein können. Ist für Sie Familienpolitik die Fortsetzung von Wirtschaftspolitik mit anderen Mitteln?
Beck: Nein. Familienpolitik ist natürlich sehr viel mehr. Es ist ein Aspekt, dass man gut ausgebildete junge Frauen heute nicht für viele Jahre, wenn sie sich für Kinder entscheiden, darauf verweisen kann, dass wir keine Angebote haben, die Kinder zu betreuen. Deshalb halte ich es für geboten, dass flächendeckend Ganztagsangebote in den Kindergärten mit entsprechender Übermittagsbetreuung und so weiter angeboten werden und auch Ganztagsschulangebote. Das hat pädagogische Gründe, im übrigen auch um Kinder, die nicht deutschsprachig aufgewachsen sind, besser fördern zu können. Das können die Eltern ja gar nicht, wenn sie selber oft nur gebrochen Deutsch sprechen. Diese Dinge sind aber auch notwendig, um Begabungen stärker fördern zu können und Schwächen der Kinder ausgleichen zu können. Es ist also zu allerforderst ein schulisches Angebot, das ich für notwendig halte, das natürlich auch wichtige familienpolitische Aspekte beinhaltet.
Liminski: Es wird oft gesagt, das Thema Ein- und Zuwanderung gehöre nicht in den Wahlkampf. Es geht dabei immerhin um die Zukunft des Gemeinwesens in Deutschland. Gibt es eigentlich ein stärkeres und geeigneteres Argument für den demokratischen Urnengang? Unterschätzt man hier nicht den Wähler?
Beck: Das ist sicher richtig, dass man sagt, natürlich muss über solche Fragen immer diskutiert werden können, warum nicht auch zu Wahlzeiten. Wir haben aber erlebt, siehe Landtagswahl in Hessen, dass nicht eine vernünftige sachbezogene Diskussion geführt wird, sondern dass Urängste und Abgrenzungen dann im Vordergrund stehen. Das wäre in der Tat schädlich, weil wir dann Krisensituationen herbeiführen und auch den rechten Rand stärken würden.
Liminski: Der Bundesrat vor der Entscheidung über das Zuwanderungsgesetz. - Das war hier im Deutschlandfunk Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Besten Dank für das Gespräch Herr Beck!
Link: Interview als RealAudio