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Vor der UN-Klimakonferenz in Kattowitz
Grüne kritisieren deutsche Klimaschutzpolitik

Ob Kohleausstieg, CO2-Preis, Verkehrswende oder die Einhaltung eigener CO2-Minderungsziele. Beim Klimaschutz hakt es in Deutschland an allen Ecken und Enden. Dennoch betont Umweltministerin Svenja Schulze vor der UN-Klimakonferenz in Polen: Deutschland kommt nicht mit leeren Händen. Die Grünen sehen das anders.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 30.11.2018
    Vorbereitungen für die UN-Klimakonferenz COP 24 in Polen
    Annalena Baerbock (Grüne) kritisierte die Umweltministerin im Dlf, diese habe nicht durchsetzen können, dass der Klimaschutz beim Koalitionsvertrag ganz oben auf der Liste steht (dpa / Maxppp / Franck Dubray)
    Wir verlieren unseren Planeten, wenn wir nichts tun, warnt das polnische Außenministerium im Internet kurz vor Beginn der UN-Klimakonferenz in Kattowitz. Die Staatengemeinschaft will dort endlich vorankommen bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens.
    "Wir Industrieländer haben der Welt das ganze Problem überhaupt erst eingebrockt",
    mahnt Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Die Sozialdemokratin fordert deshalb nun mehr Unterstützung für die Entwicklungsländer – doch bei den eigenen Klimaschutzzielen tritt die Bundesregierung auf der Stelle – meint Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock:
    "Großbritannien hat den Kohleausstieg gesetzlich verankert, Frankreich will dort vorangehen. Die haben zwar – das muss man natürlich auch sagen – weniger Kohlekraftwerke als wir. Das heißt aber nicht, dass wir nichts tun müssen. Sondern wir müssen aus der Kohle aussteigen, wenn wir unsere Klimaschutzziele erfüllen wollen."
    Kaum Fortschritte von deutscher Seite
    Vor einem Jahr, als die Klimakonferenz in Bonn stattfand, hatte Angela Merkel noch eine Schonfrist erhalten – die Kanzlerin steckte mitten in den komplizierten Jamaika-Sondierungen und kam deshalb mit leeren Händen, aber guten Absichten, denn der Klimawandel sei:
    "Für unsere Welt eine Schicksalsfrage. Daher stehen wir zum Pariser Klimaabkommen. Es geht um Vertrauen und es geht um Verlässlichkeit."
    So Merkel im November 2017. Seitdem sind den Christ- und Sozialdemokraten in der neuen Koalition jedoch kaum Fortschritte gelungen: Ob Kohleausstieg, CO2-Preis, Verkehrswende, oder die Einhaltung eigener CO2-Minderungsziele – es hakt an allen Ecken und Enden.
    "Und wenn das so weitergeht, werden wir innerhalb der Europäischen Union Klimazertifikate von anderen Ländern kaufen müssen. Und da drohen Belastungen auf uns zuzukommen, von derzeit geschätzt zehn bis 60 Milliarden Euro."
    Sagt Annalena Baerbock. Tapfer hält die Bundesumweltministerin dagegen:
    "Wir gehen nicht mit leeren Händen nach Kattowitz. Wir können hier in Deutschland zeigen, wie wirtschaftlicher Erfolg und engagierter Klimaschutz gemeinsam vorangehen kann."
    Die Schwäche der Bundesumweltministerin
    "Die Schwäche der Bundesumweltministerin ist leider schon im Koalitionsvertrag mitverankert, weil man bei wesentlichen Klimaschutz-Maßnahmen sich nicht dazu verpflichtet hat, Klimaschutz wirklich ganz oben auf die Tagesordnung zu schreiben."
    Angela Merkel ist ihren Ruf als einstige Klimakanzlerin längst los, und SPD-Chefin Andrea Nahles machte sich zwischenzeitlich bei den eigenen Genossen unbeliebt, weil sie den Klimaschutz demonstrativ vernachlässigte. Die CSU hingegen will sich jetzt mehr engagieren – es ist die Lehre aus ihren massiven Verlusten bei der Landtagswahl in Bayern.
    Bundesentwicklungsminister reagiert schmallippig
    Der CSU-Politiker und Entwicklungsminister Gerd Müller reagiert ausgesprochen schmallippig, als er gefragt wird, ob Deutschland seine Vorreiterrolle im Klimaschutz aufgegeben habe:
    "Nein." - "Und ich antworte mit einem einzigen Wort: Leider haben wir diese Vorreiterrolle verloren. Alle anderen Länder, und das betrifft nicht nur Schweden und die skandinavischen Länder, Spanien und auch osteuropäische Länder sind insgesamt bei der Frage Erneuerbarer Energien an uns vorbeigezogen."
    So Grünen-Politikerin Baerbock. Umweltministerin Svenja Schulze, die nun wegen der Verzögerungen in der Kohlekommission ohne deutschen Ausstiegsplan nach Kattowitz reisen muss, hofft nun auf das neue Klimaschutzgesetz, das die Bundesregierung 2019 verabschieden will, um das Pariser Abkommen überhaupt einhalten zu können. Angela Merkels Abschiedsworte auf der UN-Klimakonferenz im vergangenen Jahr gelten auch in diesem Jahr mehr denn je:
    "Deswegen bin ich auch nicht leichtfertig, wenn ich anderen sage: Tut etwas! Weil ich weiß, wie schwer es auch im eigenen Land ist, das zu erkämpfen. Und deshalb wünsche ich allen guten Mut, guten Willen, viel Tatkraft und danke, dass Sie mir zugehört haben."