Spengler: Es klingt beim ersten Hören wie eine Niederlage für all jene Männer, die die eigene Vaterschaft anzweifeln, Gewissheit darüber erlangen wollen und in ihrer Not zu einem heimlichen Vaterschaftstest greifen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, dass eine heimliche Untersuchung des genetischen Materials von Kindern zur Klärung der Abstammung weiterhin nicht vor Gericht verwertbar sein soll. Und doch können zweifelnde Väter nun hoffen, denn die Karlsruher Richter machen dem Gesetzgeber Druck. Bis zum 31. März nächsten Jahres soll er ein rechtliches Verfahren schaffen, mit dem die Vaterschaft legal festgestellt werden kann.
Am Telefon ist der Justizminister des Landes Baden-Württemberg Ulrich Goll von der FDP. Guten Tag Herr Goll!
Goll: Hallo! Guten Tag Herr Spengler.
Spengler: Herr Goll, das Bundesverfassungsgericht hat heimliche Vaterschaftstests als Beweismittel vor Gericht untersagt. Sie wollten solche heimlichen Gentests erlauben. Das heißt, das Urteil ist für Sie eine Niederlage?
Goll: Ich würde sagen, es ist ein Teilerfolg. Übrigens auch für den Kläger ist es keine Niederlage. Wenn man genau hinschaut ist es nur eine scheinbare, denn er wird in absehbarer Zeit ein Verfahren bekommen, mit dem er sich aus der Vaterschaft lösen kann, die ja sicher nicht besteht in seiner Sache wie man weiß. Es ist also ein Teilerfolg für die betroffenen Väter. Ich hätte es noch lieber gesehen, wenn man ihnen das Recht gegeben hätte, aus eigenem Recht sozusagen die Sache über die Bühne zu bringen, aber sie werden jetzt auf jeden Fall ein vereinfachtes Verfahren bekommen.
Spengler: Sagen Sie doch einmal, auch wenn das jetzt vom Tisch ist, warum Sie überhaupt für heimliche Tests gewesen sind.
Goll: Ich finde schon den Ausdruck "heimlicher Test" eigentlich etwas umstritten. Für mich wäre es ein Test aus eigenem Recht eines Elternteils. Im Moment wird dann oft natürlich das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes genannt, aber das Kind merkt in den meisten Fällen eh nichts: weder von dem Test, noch von der fehlenden Einwilligung, noch von der vorhandenen Einwilligung. Eigentlich ist es oft ein Streit zwischen den Eltern: Darf die Mutter sozusagen die Hand draufhalten, oder darf der Vater das aus eigenem Recht in Erfahrung bringen. Ich sage noch mal: Das Kind merkt in den meisten Fällen nichts davon.
Die bisherigen Tests hatten natürlich den Effekt, dass in 90 Prozent der Fälle das Familienleben weiterging. Das halte ich für einen entscheidenden Vorteil, denn die Vaterschaft hat sich bestätigt und alle haben weitergemacht wie bisher. Wenn wir jetzt ein Verfahren bekommen, auch wenn es ein vereinfachtes ist, bei dem die Eltern sich streiten können, dann haben wir halt immer auch den Effekt, dass dann meistens die Beziehung zu Ende ist zu Lasten des Kindes.
Spengler: Das heißt die Konsequenz des Urteils heute in Karlsruhe ist die: Es wird ein ganz offizielles Verfahren sein müssen?
Goll: Ich sage mal bewusst ich fürchte ja. Es gäbe natürlich noch die gedankliche Alternative, dass man es den Vater unter einer bestimmten objektiven Kontrolle machen lässt und nicht die Einwilligung der Mutter erfordert. Das Urteil bietet aber eher Hinweise in die Richtung, dass es ohne Einwilligung nicht geht. Dann kann man natürlich eine Verpflichtung zur Einwilligung statuieren, aber trotzdem kann das Ganze halt vor Gericht enden und vor Gericht endet dann meistens auch die Beziehung.
Spengler: Ist denn dieses Urteil ein Sieg für Frau Zypries, die Bundesjustizministerin, die ja schon ein vereinfachtes Verfahren zur Anfechtung der Vaterschaft vorgeschlagen hat?
Goll: Es ist genauer genommen noch mal ein anderer Weg, weil das Vaterschaftsanfechtungsverfahren ist eine andere Sache. Das lassen wir sozusagen bei Seite und führen ein zusätzliches Verfahren nur zur Klärung der Zweifel ein. Dann brauche ich übrigens das andere Anfechtungsverfahren auch nicht groß zu ändern, denn wenn ich das erste Verfahren zur Zweifelsklärung gemacht habe und es stellt sich heraus ich bin nicht der Vater, dann komme ich sehr leicht ins Anfechtungsverfahren. Insofern ist das schon ein hoch interessanter Vorschlag des Gerichts, respektabel, verbessert eindeutig auch die Situation der Väter, löst aber das eine Problem nicht, dass halt oft hinterher die Familie kaputt ist und das ist für alle schlecht. Deswegen wäre ich eher über den Schatten gesprungen, auch wenn ich die Bedenken mancher wirklich verstehe, und hätte gesagt ein Teil kann die Klärung aus eigenem Recht herbeiführen.
Spengler: Nun hat aber das Bundesverfassungsgericht klargestellt: ein mutmaßlicher Vater hat das Recht zu wissen, ob er der Erzeuger des Kindes ist. Das heißt, der jetzige Zustand verstößt gegen das Recht?
Goll: Das ist ein sehr richtiger Hinweis. Es steht eindeutig natürlich im Urteil drin, dass das jetzt fehlende Verfahren, dass der jetzige Zustand die Rechte der Väter verletzt. Ihre Rechte werden also gestärkt, allerdings nicht in der Weise, dass sie es wie bisher schonend und diskret machen mussten, sondern sie müssen es offen machen. Nun werden viele sofort sagen, ich bin ein großer Freund von Offenheit. Das bin ich auch. Aber trotzdem werden viele Beziehungen diese Diskussion, ist das Kind von mir oder nicht, die offenen Diskussion erfahrungsgemäß nicht überstehen.
Spengler: Ist denn denkbar - wir haben das eben im Bericht gehört -, dass ein Vater seine Vaterschaft anficht, es stellt sich heraus er ist nicht der leibliche Vater, dass dann trotzdem er weiter Unterhalt zahlen muss?
Goll: Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Da gibt es möglicherweise aus anderen Rechtsgründen noch einen Unterhaltsanspruch der Frau, gerade wenn noch weitere oder leibliche Kinder da sind oder andere Unterhaltsgründe vorliegen. Gegenüber einem Kind ist er aber sicher nicht mehr unterhaltspflichtig, wenn im Zuge der Vaterschaftsanfechtung festgestellt wurde, dass das Kind nicht vom Betroffenen ist. Dann enden die Pflichten.
Spengler: Das heißt das ist automatisch so, oder bedarf es dazu wieder eines neuen Gesetzes?
Goll: Nein. Dazu bedarf es keines neuen Rechtsakts, sage ich mal. Wenn jemand eine Vaterschaftsanfechtung erfolgreich durchgeführt hat, dann ist er natürlich nicht mehr der Vater. Der Betroffene jetzt - das ist ja, wenn man so will, ein bisschen originell, denn er hat ja immerhin eine Bescheinigung dabei, dass er der Vater nicht ist - muss im Grunde genommen zuerst das Zweifelsklärungsverfahren machen. Dann hat er eine sichere Tatsache, um in die Anfechtung zu gehen, und wenn die Anfechtung vorbei ist, ist er nicht mehr der Vater.
Spengler: Herr Goll, warum hat es in unserem Staat so lange gedauert, oder warum dauert es noch so lange, bis Väter zu ihrem Recht kommen?
Goll: Jetzt kann ich natürlich sagen, weil man vielleicht zu wenig Druck gemacht hat. Unser Vorschlag, der ein deutlicher Vorschlag war, war natürlich dazu da, dass man mal Bewegung in die Geschichte überhaupt hinein bringt. Insofern bin ich schon froh, dass wir mit dem Urteil ein Stück weitergekommen sind.
Spengler: Das war der Justizminister des Landes Baden-Württemberg Ulrich Goll. Herr Goll, herzlichen Dank für das Gespräch.
Am Telefon ist der Justizminister des Landes Baden-Württemberg Ulrich Goll von der FDP. Guten Tag Herr Goll!
Goll: Hallo! Guten Tag Herr Spengler.
Spengler: Herr Goll, das Bundesverfassungsgericht hat heimliche Vaterschaftstests als Beweismittel vor Gericht untersagt. Sie wollten solche heimlichen Gentests erlauben. Das heißt, das Urteil ist für Sie eine Niederlage?
Goll: Ich würde sagen, es ist ein Teilerfolg. Übrigens auch für den Kläger ist es keine Niederlage. Wenn man genau hinschaut ist es nur eine scheinbare, denn er wird in absehbarer Zeit ein Verfahren bekommen, mit dem er sich aus der Vaterschaft lösen kann, die ja sicher nicht besteht in seiner Sache wie man weiß. Es ist also ein Teilerfolg für die betroffenen Väter. Ich hätte es noch lieber gesehen, wenn man ihnen das Recht gegeben hätte, aus eigenem Recht sozusagen die Sache über die Bühne zu bringen, aber sie werden jetzt auf jeden Fall ein vereinfachtes Verfahren bekommen.
Spengler: Sagen Sie doch einmal, auch wenn das jetzt vom Tisch ist, warum Sie überhaupt für heimliche Tests gewesen sind.
Goll: Ich finde schon den Ausdruck "heimlicher Test" eigentlich etwas umstritten. Für mich wäre es ein Test aus eigenem Recht eines Elternteils. Im Moment wird dann oft natürlich das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes genannt, aber das Kind merkt in den meisten Fällen eh nichts: weder von dem Test, noch von der fehlenden Einwilligung, noch von der vorhandenen Einwilligung. Eigentlich ist es oft ein Streit zwischen den Eltern: Darf die Mutter sozusagen die Hand draufhalten, oder darf der Vater das aus eigenem Recht in Erfahrung bringen. Ich sage noch mal: Das Kind merkt in den meisten Fällen nichts davon.
Die bisherigen Tests hatten natürlich den Effekt, dass in 90 Prozent der Fälle das Familienleben weiterging. Das halte ich für einen entscheidenden Vorteil, denn die Vaterschaft hat sich bestätigt und alle haben weitergemacht wie bisher. Wenn wir jetzt ein Verfahren bekommen, auch wenn es ein vereinfachtes ist, bei dem die Eltern sich streiten können, dann haben wir halt immer auch den Effekt, dass dann meistens die Beziehung zu Ende ist zu Lasten des Kindes.
Spengler: Das heißt die Konsequenz des Urteils heute in Karlsruhe ist die: Es wird ein ganz offizielles Verfahren sein müssen?
Goll: Ich sage mal bewusst ich fürchte ja. Es gäbe natürlich noch die gedankliche Alternative, dass man es den Vater unter einer bestimmten objektiven Kontrolle machen lässt und nicht die Einwilligung der Mutter erfordert. Das Urteil bietet aber eher Hinweise in die Richtung, dass es ohne Einwilligung nicht geht. Dann kann man natürlich eine Verpflichtung zur Einwilligung statuieren, aber trotzdem kann das Ganze halt vor Gericht enden und vor Gericht endet dann meistens auch die Beziehung.
Spengler: Ist denn dieses Urteil ein Sieg für Frau Zypries, die Bundesjustizministerin, die ja schon ein vereinfachtes Verfahren zur Anfechtung der Vaterschaft vorgeschlagen hat?
Goll: Es ist genauer genommen noch mal ein anderer Weg, weil das Vaterschaftsanfechtungsverfahren ist eine andere Sache. Das lassen wir sozusagen bei Seite und führen ein zusätzliches Verfahren nur zur Klärung der Zweifel ein. Dann brauche ich übrigens das andere Anfechtungsverfahren auch nicht groß zu ändern, denn wenn ich das erste Verfahren zur Zweifelsklärung gemacht habe und es stellt sich heraus ich bin nicht der Vater, dann komme ich sehr leicht ins Anfechtungsverfahren. Insofern ist das schon ein hoch interessanter Vorschlag des Gerichts, respektabel, verbessert eindeutig auch die Situation der Väter, löst aber das eine Problem nicht, dass halt oft hinterher die Familie kaputt ist und das ist für alle schlecht. Deswegen wäre ich eher über den Schatten gesprungen, auch wenn ich die Bedenken mancher wirklich verstehe, und hätte gesagt ein Teil kann die Klärung aus eigenem Recht herbeiführen.
Spengler: Nun hat aber das Bundesverfassungsgericht klargestellt: ein mutmaßlicher Vater hat das Recht zu wissen, ob er der Erzeuger des Kindes ist. Das heißt, der jetzige Zustand verstößt gegen das Recht?
Goll: Das ist ein sehr richtiger Hinweis. Es steht eindeutig natürlich im Urteil drin, dass das jetzt fehlende Verfahren, dass der jetzige Zustand die Rechte der Väter verletzt. Ihre Rechte werden also gestärkt, allerdings nicht in der Weise, dass sie es wie bisher schonend und diskret machen mussten, sondern sie müssen es offen machen. Nun werden viele sofort sagen, ich bin ein großer Freund von Offenheit. Das bin ich auch. Aber trotzdem werden viele Beziehungen diese Diskussion, ist das Kind von mir oder nicht, die offenen Diskussion erfahrungsgemäß nicht überstehen.
Spengler: Ist denn denkbar - wir haben das eben im Bericht gehört -, dass ein Vater seine Vaterschaft anficht, es stellt sich heraus er ist nicht der leibliche Vater, dass dann trotzdem er weiter Unterhalt zahlen muss?
Goll: Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Da gibt es möglicherweise aus anderen Rechtsgründen noch einen Unterhaltsanspruch der Frau, gerade wenn noch weitere oder leibliche Kinder da sind oder andere Unterhaltsgründe vorliegen. Gegenüber einem Kind ist er aber sicher nicht mehr unterhaltspflichtig, wenn im Zuge der Vaterschaftsanfechtung festgestellt wurde, dass das Kind nicht vom Betroffenen ist. Dann enden die Pflichten.
Spengler: Das heißt das ist automatisch so, oder bedarf es dazu wieder eines neuen Gesetzes?
Goll: Nein. Dazu bedarf es keines neuen Rechtsakts, sage ich mal. Wenn jemand eine Vaterschaftsanfechtung erfolgreich durchgeführt hat, dann ist er natürlich nicht mehr der Vater. Der Betroffene jetzt - das ist ja, wenn man so will, ein bisschen originell, denn er hat ja immerhin eine Bescheinigung dabei, dass er der Vater nicht ist - muss im Grunde genommen zuerst das Zweifelsklärungsverfahren machen. Dann hat er eine sichere Tatsache, um in die Anfechtung zu gehen, und wenn die Anfechtung vorbei ist, ist er nicht mehr der Vater.
Spengler: Herr Goll, warum hat es in unserem Staat so lange gedauert, oder warum dauert es noch so lange, bis Väter zu ihrem Recht kommen?
Goll: Jetzt kann ich natürlich sagen, weil man vielleicht zu wenig Druck gemacht hat. Unser Vorschlag, der ein deutlicher Vorschlag war, war natürlich dazu da, dass man mal Bewegung in die Geschichte überhaupt hinein bringt. Insofern bin ich schon froh, dass wir mit dem Urteil ein Stück weitergekommen sind.
Spengler: Das war der Justizminister des Landes Baden-Württemberg Ulrich Goll. Herr Goll, herzlichen Dank für das Gespräch.