Acht Monate ist es her, dass Emmanuelle Macron seine Vision einer runderneuten EU skizziert hat:
"Es liegt an uns, an euch, den einzigen Weg, der unsere Zukunft sichert, zu ebnen. Es ist die Neubegründung eines souveränen, geeinten und demokratischen Europas. Haben wir gemeinsam den Mut, uns diesen Weg zu bahnen."
Heute, acht Monate nach der Sorbonne-Rede, kommt Macron ins Europaparlament. Im Gepäck seine Reformkonzepte. Ein eigenes Budget für die Eurozone, ein europäischer Finanzminister, stärkere Kooperation in der Verteidigungspolitik, bei der Grenzsicherung, der Forschungs- und Migrationspolitik. In der Zwischenzeit ist die Begeisterung allerdings mächtig abgeklungen. Macrons hartes Reformprogramm für Frankreich sei auch ein Signal an Deutschland, hatte es noch vor kurzem in der deutschen Politik geheißen. Eine ausgestreckte Hand, die man ergreifen müsse. Doch davon ist bei Markus Ferber, Europaabgeordneter der CSU, nichts mehr zu spüren:
"Die ausgestreckte Hand kann ja nicht heißen: Herr Macron hat eine Reformidee und die Bundesregierung hat sie zu finanzieren. Das wäre falsch verstandene Solidarität in Europa."
Keine Rede mehr von Eurozonen-Haushalt und EU-Finanzminister
Da ist sie wieder, die Grundmelodie deutscher Europapolitik der vergangenen Jahre. Die anderen wollen eh nur unser Geld, sie sollen sich lieber an die einmal verabredeten Regeln halten. Aufbruchstimmung klingt anders. In zwei Tagen, am Donnerstag, trifft sich Macron dann mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die beiden wollen darüber beraten, welche Schritte zur Reform der Eurozone nötig und möglich sind. Kurz vor diesem Treffen versucht die Unionsfraktion im Bundestag, den Bewegungsspielraum der Kanzlerin einzuengen. Der Euro-Rettungsschirm ESM könne nur auf dem Wege der Vertragsänderung zu einem europäischen Währungsfond umgebaut werden – so steht es im Entwurf eines Positionspapiers. Vertragsänderungen sind in der EU aber derzeit ausgeschlossen, weil niemand das Risiko eines Scheiterns per Referendum eingehen will.
Das Vorpreschen der Unionsfraktion käme daher einer Beerdigung dieser Reformidee gleich, obwohl sie im Koalitionsvertrag von Union und SPD festgelegt ist. Jens Geyer, Chef der SPD-Abgeordneten im Europaparlament, nimmt deshalb CDU-Chefin Merkel in die Pflicht:
"Wenn das die Parteivorsitzende nicht schleunigst abbindet, steuern wir auf eine schwere Koalitionskrise zu."
Bis zum EU-Gipfel im Juni wollen sich Merkel und Macron eigentlich über ein Reformkonzept für die Eurozone einig sein. Von einem Eurozonen-Haushalt und einem europäischen Finanzminister ist aktuell schon keine Rede mehr. Aber wenigstens der Weg hin zu einer gemeinsamen Einlagensicherung der europäischen Banken und der Aufbau eines europäischen Währungsfonds sollte bis zum Juni-Gipfel vereinbart sein.
Manfred Weber, der Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament, appelliert nun an seine Parteifreunde in der Unionsfraktion, dem französischen Staatspräsidenten nicht die Tür vor der Nase zuzuschlagen:
"Jetzt beginnt die Zeit, wo wir Kompromisse suchen müssen. Jetzt müssen wir auf den französischen Partner zugehen. Europa ist heute raus aus der Krise, wir haben starkes Wirtschaftswachstum, wir haben acht Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen. Aber die Eurozone ist noch nicht so krisenfest, wie sie sein müsste, um auch zukünftige Attacken und Krisen zu überstehen. Und deswegen brauchen wir jetzt den Willen zum Konsens."
Aus Partner wird Konkurrent
Dass dieser Konsens mit Macron vielen Europaabgeordneten heute schwerer fällt als noch zu Zeiten der Sorbonne-Rede, dazu hat der französische Staatspräsident selbst beigetragen. Dadurch, dass er angekündigt hat, das europäische Parteiensystem aus den Angeln heben zu wollen, so wie er das mit dem französischen getan hat.
Wenn Emmanuelle Macron also heute an das Rednerpult im Straßburger Parlament tritt, dann sehen viele Abgeordnete ihn ihm nicht mehr nur den pro-europäischen Reformer, sondern auch den Machtpolitiker, der nach den Europawahlen 2019 über eine eigene Fraktion ins Europaparlament verfügen will. Der SPD-Abgeordnete Jens Geyer wird jedenfalls genau hinschauen.
"Dann ist auch nochmal ein interessanter Punkt: Inwieweit tritt uns der Wahlkämpfer Macron gegenüber. Die Hinweise nehmen zu, dass der französische Präsident in den Wahlkampfmodus schaltet."
Wodurch aus dem Partner Macron dann endgültig ein Konkurrent geworden wäre.