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Vorbereitung der Bundeswehrsoldaten für Einsätz in Krisenregionen

    Heinlein: Die politische Debatte über die Sicherheit deutscher Soldaten bei Auslandseinsätzen ist noch in vollem Gange, da müssen sich die direkt Betroffenen bereits Gedanken machen über eine weitere gefährliche Mission. Bereits morgen wird das Kabinett über die Kongo-Mission der Bundeswehr entscheiden, eine Woche später folgt der Bundestag. Zwar geht es diesmal nur um eine sehr begrenzte medizinische und logistische Hilfe, doch der Selbstmordanschlag auf deutsche Soldaten in Kabul zeigt: Einsätze in Krisenregionen sind immer mit einem erheblichen Risiko für Leib und Leben verbunden. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Die psychische Belastung für die Soldaten und ihre Angehörigkeiten ist extrem hoch. Die Bundeswehrführung versucht, auf diese neuen Herausforderungen zu reagieren: Im UN-Ausbildungszentrum der Bundeswehr im fränkischen Hammelburg werden die Soldaten für diese Einsätze trainiert, und mit dessen Leiter, Oberst Wolfgang Krippl, bin ich jetzt telefonisch verbunden. Guten Morgen.

    Krippl: Guten Morgen, Herr Heinlein.

    Heinlein: Herr Oberst, vier tote deutsche Soldaten in Holzsärgen: Haben Sie sich vor diesen Bildern immer gefürchtet?

    Krippl: Ja, eigentlich schon, denn das ist der schlimmste Fall.

    Heinlein: Können Sie und Ihre Soldaten im UN-Ausbildungszentrum sich vorbereiten auf Ereignisse wie jetzt in Afghanistan?

    Krippl: Wir müssen uns ja vorbereiten, und wir bereiten uns sehr gründlich vor. Die Einsatzvorbereitung erstreckt sich über mehrere Monate und wird in den Standorten der Soldaten durchgeführt. Hier im Ausbildungszentrum in Hammelburg wird dann quasi unmittelbar vor der Verlegung in das Einsatzland noch der abschließende Part absolviert.

    Heinlein: Kann man sich vorbereiten auf den Tod von Kameraden?

    Krippl: Wir versuchen, Körper, Geist und Seele gleichermaßen gut auf den Einsatz vorzubereiten. Das bedeutet, wir müssen fachlich gut ausgebildet sein, wir müssen über die Konflikte im Einsatzland, über die politischen Hintergründe, über die tatsächliche politische Situation und über die Krisenregion gut Bescheid wissen, und wir müssen uns natürlich mit den Gefahren und Risiken, die im Einsatz lauern, vertraut machen und Verfahren und Techniken kennen, wie wir mit dieser insgesamt großen psychischen Belastung zurechtkommen und wie wir sie handhaben.

    Heinlein: Wie sehen diese Techniken aus?

    Krippl: Das sind Maßnahmen, die wir für den Eigenschutz ausgebildet und trainiert werden. Sie sind vielfältig und gehen über die persönliche Ausrüstung hinaus, die man für die Aufgaben zur Verfügung hat. Es geht darum, dass man diese Ausrüstungen fachmännisch und routiniert handhaben kann. Es geht darum, dass man die Umweltbedingungen im Einsatz kennt und damit umgehen lernt, und es geht darum, dass man Gefahren, die man abschätzen kann, durch Schutzmaßnahmen minimiert, so weit es irgendwie geht.

    Heinlein: Welche Rolle spielt die Angst?

    Krippl: Die Angst spielt sicher eine Rolle. Es ist nicht das Schlimme, wenn man Angst hat. Wichtig ist nur, dass man mit der Angst umgehen kann, dass man Verfahren und Techniken kennt, wie man damit zurechtkommt.

    Heinlein: Wie kann man sich denn auf Extremszenarien wie in Afghanistan nach diesem Anschlag vorbereiten? Verändert das die Art und Weise Ihrer Ausbildung bei Ihnen in Hammelburg?

    Krippl: Nein, sie verändert die Art und Weise der Ausbildung in Hammelburg nicht. Wir haben diese Thematik ja als Bestandteil der Ausbildung, indem wir Ausbildungsstationen haben, die speziell eine große psychische Belastung beinhalten, um im Handlungstraining Verhaltensweisen zu üben.

    Heinlein: Wie notwendig ist denn die psychologische Betreuung der Soldaten vor und nach ihren Einsätzen in den Krisenregionen?

    Krippl: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Das ist eine ganz entscheidende Situation: Wir haben eine umfassende Palette an Vorsorge getroffen. Hier während der Ausbildung ist ständig ein Truppenpsychologe präsent, der die Ausbildung mitbegleitet, der verfügbar ist für Gespräche mit Soldaten, der in der Auswertung der Ausbildungsergebnisse aktiv miteingeschaltet ist. Im Einsatz selber haben wir die Seelsorge - die Militärseelsorge - wir haben Truppenpsychologen, und wir haben auch medizinische Hilfe - Psychiater und Ärzte - vor Ort, die sich des Themas annimmt. Darüber hinaus sind alle Vorgesetzten geschult, am Zentrum innere Führung speziell vorbereitet auf solche extremen Situationen. Insgesamt ist das ein Netz an Maßnahmen, die vorbeugend, aber auch begleitend und nachsorgend greifen. Wenn der Einsatz beendet ist, findet in Form von Seminaren immer eine Nachbereitung dieser Einsätze statt, wo man über das Erlebte und Geschehene noch mal reflektieren und sich austauschen kann.

    Heinlein: Können Sie uns darüber berichten: Was sind denn die wesentlichen Probleme vor, während und nach Ihren Einsätzen? Wo braucht es psychologische Beratung und Hilfestellung?

    Krippl: Da ist zunächst einmal der dienstliche Bereich, die dienstliche Aufgabe, die ansteht. Da ist es ganz wichtig, dass man fachlich fit ist, dass man das auch weiß und dass man überzeugt ist, dass man bestmöglich ausgerüstet ist und ausgebildet in den Einsatz geht, also eine Handlungssicherheit und eine Gewissheit hat, dass man die Aufgaben, die anstehen, bewältigen kann. Der zweite Bereich ist ganz sicher das familiäre Umfeld, das man betrachten muss. Man ist ja praktisch sechs Monate herausgelöst aus dem privaten und sozialen Umfeld. Hier geht es darum, dass diese Verhältnisse alle geordnet sind, so dass man ruhigen Gewissens in den Einsatz gehen kann. Wir haben eine ganze "Checkliste", wenn Sie so wollen, die erarbeitet wurde, woran man alles denken muss, bevor man in den Einsatz geht.

    Heinlein: Hat sich da was verändert in der Vergangenheit? Ist das wichtiger geworden als noch vor Jahren?

    Krippl: Es ist immer schon wichtig gewesen. Ich glaube nur, dass wir mit unseren Einsätzen im Rahmen von Friedensoperationen diese Thematik nun professionell aufgearbeitet und bewusster gemacht haben.

    Heinlein: Der Leiter des UN-Ausbildungszentrums der Bundeswehr in Hammelburg Oberst Wolfgang Krippl. Herr Krippl, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Krippl: Bitte schön.

    Link: Interview als RealAudio