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Vorbild Obama
Wie ein französisches Startup den Wahlkampf aufmischen möchte

Emmanuel Macron konnte mit seiner Bewegung "En Marche" nicht auf die Wahlkampf-Erfahrung einer Partei zurückgreifen. Geholfen hat ihm beim Präsidentschaftswahlkampf die Software eines Pariser Start-up, das sich von Barack Obama inspirieren ließ und auch bei den Parlamentswahlen mit Macrons "En Marche" zusammenarbeiten will.

Von Anne Raith | 08.05.2017
    Ein Pariser Hinterhofbüro.
    "Liegey Muller Pons" hat sein Büro in einem Hinterhof im 11. Arrondissement von Paris. (Anne Raith)
    Raphaëlle Tulane sitzt an ihrem Computer in einem Hinterhofbüro im 11. Pariser Arrondissement. Es dauert nur einen Mausklick, bis sich auf dem Bildschirm vor ihr eine Karte in verschieden Farbschattierungen öffnet: "Unser Kartenmaterial liefert Schlüsselinformationen über jeden Wahlbezirk. Sie können die Wahlergebnisse der vergangenen zehn Jahre aufrufen. Von jedem einzelnen Wahlbüro, genauer geht es kaum. Was auch interessant ist, dass man sehen kann, wie hoch die Zahl der Enthaltungen war."
    Raphaëlle Tulane kann mit der Sofware "Cinquante Plus Un" sehr genau sehen, wer in welchem Bezirk in den vergangenen zehn Jahren wie gewählt hat.
    Zum ersten Mal in Frankreich zum Einsatz gekommen ist die Geschäftsidee des Startups vor fünf Jahren, im Wahlkampf von François Hollande (Anne Raith)
    Raphaëlle Tulane beugt sich leicht vor und fährt mit dem Curser über die Karte: "Hier haben wir alle Wahlbüros mit hoher Enthaltungsquote, die können Sie anklicken und im Zweifel genau dort Ihre Aktionen intensivieren, wenn denn Ihr Ziel ist, Nichtwähler zu mobilisieren."
    Aber auch für andere Aktionen verspricht die 22-Jährige die entsprechenden statistischen Daten.
    "Nehmen wir an, Sie planen eine Aktion, die sich um Jugendarbeitslosigkeit drehen soll. Dann können Sie sich die Arbeitslosenquote bei den 15 bis 25-Jährigen anschauen. Hier sehen Sie dann, dass in diesem Bereich die Jugendarbeitslosigkeit bei 42 Prozent liegt. Da also könnten Sie hingehen."
    Und wenn der Kandidat da hingeht, kann er auch das abspeichern und einen Überblick behalten, wo er bereits war und wo er den Wahlkampf noch intensivieren könnte.
    "Wenn Sie mir sagen, wo Sie wohnen, sage ich Ihnen, wen Sie gewählt haben"
    "Cinquante Plus Un" heißt die Software des Pariser Startups, das Guillaume Liegey mit zwei Freunden gegründet hat. Ihre Software verrät den Kandidaten, wo ihre potentiellen Wähler sind.
    "Ich sage gern: Wenn Sie mir sagen, wo Sie wohnen, sage ich Ihnen, wen Sie gewählt haben."
    Er grinst. Guillaume Liegey sitzt einen Schreibtisch weiter und versucht, zwischen Tastatur, Papierstapeln und Stiften noch einen Platz für seine Teetasse zu finden. Er glaubt, die Kombination aus Daten und direktem Kontakt ist der Schlüssel für eine gute Kampagne.
    Guillaume Liegey hat mit zwei Freunden am Wahlkampf von US-Präsident Obama teilgenommen. Daraufhin haben die drei ihr Startup "Liegey Muller Pons" in Paris gegründet.
    Guillaume Liegey sitzt einen Schreibtisch weiter und versucht, zwischen Tastatur, Papierstapeln und Stiften noch einen Platz für seine Teetasse zu finden. (Anne Raith)
    "Obama hat uns auf die Idee gebracht. Wir haben 2008 an seiner Kampagne teilgenommen, haben an Türen geklopft. Und festgestellt, dass hinter dieser einfachen Idee des Haustürwahlkampfes Daten stecken, die uns sagen, in welchem Viertel es sich lohnt. Und, dass dahinter eine Technologie steckt, die es leicht macht, sich an der Kampagne zu beteiligen."
    'Leicht' ist für den Gründer das Schlüsselwort. Damit eine Kampagne funktioniert, muss die Schwelle, als Freiwilliger einzusteigen, möglichst niedrig sein. Es sei schon schwierig genug, überhaupt Freiwillige zu finden. Aber auch für den Kandidaten soll es leicht sein, seine Arbeit und sein Team zu koordinieren. Deshalb ist die Kontaktpflege neben dem Kartenmaterial die zweite Säule der Software. Am Nachbarschreibtisch ruft Raphaëlle Tulane im Menu den Punkt "Kontakte" auf.
    "Hier haben Sie die Schnittstelle, an der Sie alle Kontakte sehen können, die Sie eingepflegt haben. Natürlich die ihrer Unterstützer, aber auch wenn Sie auf einer Veranstaltung jemanden kennenlernen. Wir haben einen Filter entwickelt, der es Ihnen ermöglicht, Personen möglichst zielgenau anzusprechen. Weil diese Person zum Beispiel besonderes Interesse an einem bestimmten Thema gezeigt hat."
    "Ich verspreche nicht, dass Sie mit uns gewinnen werden, aber dass die Kampagne besser wird"
    Zum ersten Mal in Frankreich zum Einsatz gekommen ist die Geschäftsidee des Startups vor fünf Jahren, im Wahlkampf von François Hollande. Auch am Aufstieg von Emmanuel Macron haben die drei Gründer mitgeschrieben, nachdem der Politiker sich vor über einem Jahr mit ihnen in Verbindung gesetzt hat: "Er wollte es anders machen. Er wollte, dass sein Team von Tür zu Tür geht, um den Leuten zuzuhören und daraus eine Art Diagnose über Frankreich zu erstellen."
    Mittlerweile hat die Bewegung mehr Anhänger als die etablierten Parteien Mitglieder haben.
    Auch bei den anstehenden Parlamentswahlen werden Guillaume Liegey und seine Geschäftspartner wohl wieder mit "En Marche!" zusammenarbeiten, aber auch mit Kandidaten der Sozialisten und Republikaner. Nur mit dem rechtsextremen Front National machen sie keine Geschäfte. 3.000 Euro kostet die Software "Cinquante Plus Un", benannt nach der Zahl, die den Wahlsieg garantiert. 51. Obwohl Liegey einschränken muss: "Ich verspreche nicht, dass Sie mit uns gewinnen werden, aber dass die Kampagne besser wird. Am Ende braucht man Glück. Das ist wie bei der Gründung einer Firma."
    Bei Guillaume Liegey zumindest scheint es geklappt zu haben.