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Vorentscheid für die Präsidentschaftswahlen

Der Super Tuesday soll im US-Präsidentschaftswahlkampf die Vorentscheidung bringen. Hillary Clinton gegen Barack Obama bei den Demokraten sowie John McCain, Mitt Romney und Mike Huckabee bei den Republikanern werden das Rennen unter sich ausmachen.

Von Klaus Remme |
    Die erste Entscheidung in Iowa liegt gerade einen Monat zurück, ein Bruchteil der gefühlten Wahlkampflänge. Ein Dauerthema auf mehreren Ebenen gleichzeitig. Mal beherrschen die Republikaner die Schlagzeilen, dann die Demokraten. Mal geht es um Inhalte, dann um Persönliches, dann um Geld. Mal spielt die Musik im Fernsehen, dann im Internet und wenig später oder gar gleichzeitig im Wahllokal. Wird in Staat A ausgezählt, sind die Kandidaten längst in Staat B. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Zumindest nicht für die Gewinner:

    Jeder Erfolg gibt Rückenwind bis zur nächsten Station. Nicht viel weiter. Und jede Niederlage rückt den Kandidaten unweigerlich näher an den Abgrund. Bevor morgen die Wähler in über 20 Staaten ihr Votum abgeben, hat ein Großteil der Kandidaten bereits aufgegeben. Biden, Richardson, Thompson, Dodd - vor vier Wochen waren sie voller Hoffnung, jetzt sind sie Geschichte. Giuliani, Edwards, auch schon raus, allenfalls Fußnoten des Wahlkampfs 2008. Es bleiben fünf Kandidaten, zwei Demokraten und drei Republikaner. Einer von ihnen wird Nachfolger von George Bush, und die Restwelt tut gut daran, aufzupassen, denn diese Wahl ist für viele Menschen außerhalb der USA wichtiger als die Entscheidung über ihren eigenen Regierungschef. Gerade die letzten acht Jahre haben gezeigt: In der Wirtschafts- Sicherheits- und Klimapolitik kann ein amerikanischer Präsident beschleunigen, bremsen, steuern und auffahren wie kein anderer.

    Es ist nach seinem Sieg in Iowa so eine Art Wahlkampf-Song für Barrack Obama geworden. Steve Wonders "Signed, Sealed, Selivered", was zusammengefasst etwa soviel wie "abgehakt" bedeutet. Der Aufstieg des 46-jährigen Afro-Amerikaners ist beispiellos. Als begnadeter Redner begeistert Obama. Über 60 Prozent seiner Wähler in Iowa waren Erstwähler. Überall ist die Wahlbeteiligung bei den Demokraten bisher doppelt so hoch wie in Vorjahren, und vor allem Obama spricht auch Unabhängige und einige Republikaner an. Beim Händeschütteln, so Obama, flüstern sie mir manchmal zu: Ich bin eigentlich Republikaner.

    Seit Monaten sammelt Obama gleichviel oder sogar mehr Geld für den Wahlkampf als die Clintons. 32 Millionen Dollar allein im Januar. Er hat mächtige, einflussreiche Fürsprecher gewonnen. Allen voran Caroline und Ted Kennedy, Tochter und Bruder des ermordeten Präsidenten. Ein Präsident wie mein Vater, unter diesem Titel veröffentlichte Caroline Kennedy ihr Plädoyer in der "New York Times", und auch Senator Kennedy, eine Ikone der Demokratischen Partei, hat sich entschieden, trotz seiner engen Beziehungen zu den Clintons.

    "Ich spüre den Wandel", ruft Ted Kennedy den Obama-Anhängern zu. Wenige Tage nach dem spektakulären Sieg Obamas in South Carolina, war das Timing für diese Parteinahme perfekt. Kennedy erinnerte an den Wahlkampf seines Bruders und den Ratschlag Harry Trumans, der junge Kennedy solle sich doch noch gedulden, man brauche jemanden mit größerer Erfahrung:

    "Kennedy sagte, die Welt verändert sich, es ist Zeit für eine neue Generation - genauso ist es auch bei Barrack Obama."

    Obwohl es Obama also nicht an Geld mangelt, diese Unterstützung ist mit Dollarnoten nicht zu bekommen, und sie ist wertvoller als Dutzende von Fernseh-Spots. Kennedy deckt die wenigen offenen Flanken Obamas. Wenn einer der erfahrensten US-Senatoren von ihm überzeugt ist, dann kann es mit der mangelnden Erfahrung nicht weit her sein, so das Argument. Kennedy wird ihm auch bei bisher noch mangelnder Unterstützung durch die Spanisch sprechende Minderheit helfen können. Und mit Kennedy - übrigens auch John Kerry - sind prominente Vertreter des Partei-Establishments mit im Boot, die - so die Hoffnung - wieder andere im Apparat der Partei mitziehen.

    Für viele war es ein entscheidender Moment im Wahlkampf Hillary Clintons. In Iowa hatte sie verloren. In New Hampshire sah es nicht gut aus für sie. Obama führte in den Umfragen. Clinton hatte plötzlich Tränen in den Augen, als sie sagte, "ich will einfach nicht, dass wir zurückfallen, dieses Land hat mir soviel gegeben". Es folgte ein unerwarteter Wahlsieg, der sie zurückbrachte, und seitdem kämpfen beide auf Augenhöhe, oder besser alle drei, denn Bill Clinton, der frühere Präsident, hat vor allem in South Carolina eine entscheidende Rolle gespielt:

    "Das größte Märchen, das ich je gehört habe","

    sagte Bill Clinton, als er über die Anti-Kriegshaltung Obamas sprach. Der ehemalige Präsident mischte sich ein, unmittelbar vor der Wahl kämpfte er in South Carolina sogar allein, Hillary war längst woanders, und in diesen Tagen wuchs der Name Billary für die Clintons. Obama beklagte sich in einer Debatte, ich weiß bald nicht mehr, gegen wen ich eigentlich antrete.

    Andere Stimmen im Clinton-Team machten öffentlich Anspielungen auf Obamas Drogenkonsum als Teenager, und durch Bemerkungen Hillarys zur Rolle Martin Luther Kings schlich die Rassenfrage in den Wahlkampf. Für Dot Scott, die Vorsitzende der Bürgerrechtsbewegung NAACP in Charleston, abschreckend:

    ""Es war weniger das, was Bill Clinton sagte, als sein Ton. Als wollte er sagen, wie kann man nur denken, dass er Hillary ebenbürtig ist, "

    meint Scott. Die Clintons haben einen Preis gezahlt: mit einem überraschend niedrigen Anteil schwarzer Stimmen für Clinton in South Carolina und einem Ted Kennedy, der seine Neutralität nach mehreren vergeblichen Telefongesprächen mit Bill Clinton aufgab. Als andere mitgeschwommen sind, war Obama gegen diesen Krieg, und fast drohend fügte er hinzu: Niemand sollte dies leugnen.

    Die Clintons haben dazugelernt. Seit South Carolina tragen alle Kandidaten Samthandschuhe, und Bill Clinton hält sich an die Sachthemen. Für ihn heißt das Erinnerungen wecken an vergleichsweise rosige Zeiten während seiner Präsidentschaft. Denn inhaltlich sind die Unterschiede zwischen der Demokratin Clinton und dem Demokraten Obama gering. Beide wollen eine Gesundheitsreform, beide verfolgen ähnliche Ideen zur Konjunkturbelebung und bei der Einwanderungspolitik. Und auch beim Thema Irak sind die Unterschiede nicht weltbewegend. Clinton ist eine Spur vorsichtiger, wenn es darum geht, sich auf einen Termin für den Abzug festzulegen. In der letzten Debatte überboten sich die beiden mit Freundlichkeiten. Die Parteiführung atmet auf, die Gefahr einer Zerreißprobe ist fürs erste gebannt. Außerdem zeigt sich, dass beide Kandidaten über ihre Anhängerschaft hinaus vermittelbar sind. Über 70 Prozent sagen, eine Nominierung des jeweils anderen Kandidaten wäre auch in Ordnung.

    Beide kämpfen um Delegiertenstimmen für den Parteitag im Sommer. 2025 - so lautet die magische Zahl. So viele Stimmen benötigt ein Kandidat bei den Demokraten, um nominiert zu werden. Wer vorn liegt, ist gar nicht so einfach zu sagen. Schaut man auf die bisherigen Wahlen, liegt Obama mit 63 Stimmen vorn, vor Clinton mit 48. Doch neben den Delegierten, die durch Wahlen zu gewinnen sind, gibt es sogenannte Superdelegierte, 796 an der Zahl, zumeist Inhaber öffentlicher Ämter oder Parteifunktionäre, die an kein Wahlergebnis gebunden sind. Jetzt wird es schwammig, denn diese Gruppe kann sich bis zum Sommer jederzeit neu entscheiden. Die Mehrheit dieser Gruppe hat sich noch nicht festgelegt, addiert man jedoch die, die sich entschieden haben, dann führt Clinton mit 232 zu 158 für Obama. Allein diese Zahlen verdeutlichen die Bedeutung des morgigen Tages. Bei den Demokraten geht es allein morgen um 1681 Delegierte. 370 davon allein in Kalifornien. Dabei werden die Delegierten in Relation zum Wahlergebnis verteilt. Mit anderen Worten: Liegen beide Kandidaten in den jeweiligen Wahlkreisen dicht beieinander, mal mit Clinton vorn, mal mit Obama, könnte der Super Tuesday ohne eindeutigen Vorsprung enden. Eine Entscheidung müsste in den dann folgenden Wahlen der kommenden Wochen oder gar auf dem Parteitag selbst fallen.

    John McCain und Mitt Romney, die beiden aussichtsreichsten Kandidaten der Republikaner, als sie bei der letzten Debatte in Kalifornien aneinander gerieten. Die Dynamik in diesem Lager ist eine ganz andere. Bestimmender Akzent ist die Zerstrittenheit der Konservativen. Die unterschiedlichen Parteiflügel, die in diesem Jahr nicht in der Lage sind, einen Konsenskandidaten aufzubieten. Die Religiös-Konservativen machten Huckabee in Iowa zum Sieger, die Wirtschaftskonservativen Romney in Michigan und diejenigen, deren Prioritäten Sicherheit und Verteidigung sind, wählten McCain in New Hampshire, sie bestätigten ihn in South Carolina und machten ihn in Florida zum Favoriten für den morgigen Tag:

    "Was für ein Comeback?","

    staunte selbst McCain nach seinem Sieg in New Hampshire. Sein Wahlkampf - ein dramatisches Auf und Ab. Vor einem Jahr stand er gut da in den Umfragen, dann drehte die öffentliche Meinung mehr und mehr gegen den Irak-Krieg, und McCain, der sich immer für diesen Krieg stark gemacht hat und schon lange vor der Truppenverstärkung zusätzliche Soldaten gefordert hatte, verschwand im Umfragen-Niemandsland. Er war pleite, musste die Mehrheit seines Teams entlassen und fing von vorne an. Im November ging das Geld ein zweites Mal aus. Der 71-Jährige musste ein Darlehen aufnehmen, die Bank wollte eine Lebensversicherung als Absicherung. McCain machte weiter.

    ""Als die Experten uns gesagt haben, ihr seid erledigt, bin ich nach New Hampshire gegangen und habe den Leuten schlicht die Wahrheit gesagt, erklärt, wie es um unser Land steht."

    Aus dem Irak kamen zusehends bessere Meldungen und John McCain, der immer gesagt hatte: "lieber verliere ich eine Wahl als einen Krieg", sah sich bestätigt. Die Anhänger kamen zurück. Finanzielle Probleme sind inzwischen bewältigt, allein zwölf Millionen Dollar hat er im vergangenen Monat eingesammelt.: weniger als Obama und Clinton, doch genug, um mithalten zu können. Klartext ist sein Wahlkampf-Motto. Mit seinem Status als Kriegsheld und seiner jahrelangen Folterhaft in Vietnam erzielt er Spitzenwerte, wenn es um Persönlichkeit geht. Er ist 71 Jahre alt, mit Abstand der älteste Kandidat, doch wer immer dies als Manko zitiert, den konfrontiert McCain mit seiner Mutter. Roberta McCain, 96 Jahre alt. Ab und zu steht sie mit auf der Bühne, und sie ist fit genug für ein Interview mit dem Fersehsender C-Span. In einem Nebensatz weist sie auf ihre Zwillingsschwester hin, die sich bester Gesundheit erfreue. Und politisch nimmt sie kein Blatt vor den Mund. Gefragt, wie groß die Unterstützung an der Parteibasis für ihren Sohn ist, sagt sie:

    "Da gibt es keine Unterstützung, ich habe noch keine gesehen."

    In der Tat. Mit seinen unabhängigen Positionen ist McCain für moderate Konservative, Wechselwähler oder gar konservative Demokraten attraktiv. Das ist für die eigentliche Präsidentschaftswahl gegen einen Demokraten gut. Doch in den Vorwahlen zeigt sich zunächst die andere Seite dieser Medaille. Der eigene, konservative Kern der Partei ist noch immer skeptisch: McCain stimmte seinerzeit gegen die befristeten Steuersenkungen von Bush in den Jahren 2001 und 2003. Heute unterstützt er sie. Er machte sich für ein verhältnismäßig liberales Einwanderungsgesetz stark, das er so heute nicht mehr unterschreiben würde. Seine liberale Haltung zur gleichgeschlechtlichen Ehe macht den Evangelikalen Sorgen. McCain sagt selbst, dass die Wirtschaft nicht seine stärkste Seite ist, angesichts einer drohenden Rezession gefährlich, und der ehemalige Unternehmer Mitt Romney haut in diese Kerbe.

    "Angesichts der jetzigen Lage hilft es, wenn der Präsident mal einen Job in der Wirtschaft hatte, ich kenne mich aus, Wirtschaft ist in meiner DNA."

    In Michigan, dem Staat mit der landesweit höchsten Arbeitslosigkeit, hat dieses Argument einmal gezogen. Danach nicht mehr. Mitt Romney hat 35 Millionen Dollar eigenes Vermögen in den Wahlkampf gesteckt. Barrack Obama konnte sich vorgestern einen Seitenhieb auf den angeblichen Wirtschaftsexperten Romney nicht verkneifen. Seine Investition hat sich bisher nicht eben ausgezahlt, meinte Obama.

    Mike Huckabee ist der dritte Republikaner, der noch im Rennen ist. Huckabee, der Prediger und ehemalige Gouverneur aus Arkansas, wird morgen vor allem im Süden auf Stimmenfang gehen. Auch, wenn er so gut wie keine Chancen auf die Nominierung hat, er könnte entscheidend sein. Mitt Romney braucht den konservativen Kern der Partei, auch und besonders im Süden, doch er muss sich diese Wählergruppe mit Huckabee teilen. Und anders als bei den Demokraten gehen in vielen republikanischen Wahlen die Verlierer leer aus. "Winner takes all", heißt die Devise. Angesichts der hohen Zahl von Delegierten, die morgen zu gewinnen sind, ist noch alles drin für den ehemaligen Gouverneur von Massachusetts, Romney. Zählt man gebundene und ungebundene Delegierte zusammen, führt McCain zur Zeit mit 97 Delegierten vor Romney mit 74 und Huckabee mit 29. Morgen geht es um über 1000 Delegierte. Fast täglich bekommt McCain zur Zeit öffentliche Unterstützung. An der Ostküste ist die "New York Times" auf seiner Seite und Rudy Giuliani, der nach seinem Ausscheiden aus dem Wahlkampf die Trommel für McCain rührt.

    "McCain ist als neuer Oberbefehlshaber am besten qualifiziert. Sein Wahlkampf zeigt wie kein anderer, wer der nächste Präsident sein sollte","

    so Giuliani. Ein ähnliches Bild an der Westküste, vor allem in Kalifornien, wo morgen 1773 Delegierte zu holen sind. McCain hat die Unterstützung der "L.A.-Times" und die von Gouverneur Arnold Schwarzenegger.

    ""Seine sicherheitspolitische Erfahrung ist einmalig, er ist ein amerikanischer Held, und deshalb empfehle ich ihn,"

    so Schwarzenegger. Unterdessen nahm McCain selbst am Wochenende bereits die wahren politischen Gegner Obama und Clinton ins Visier:

    "Sie schwenken die weiße Flagge im Irak, sie wollen aufgeben, das werde ich niemals tun."

    Ein Vorgeschmack auf die Zeit nach der Nominierung. Dann treffen unterschiedliche Politikentwürfe aufeinander, dann geht es um konträre Ansichten zum Irak, zur Rolle des Staates, zum Gesundheitssystem und der Einwanderungspolitik. Und erst dann wird sich zeigen, ob die Amerikaner bereit sind für einen grundsätzlichen Wandel, für Change, das Zauberwort in diesem Wahlkampf.
    Der demokratische Senator Barack Obama bei den Vorwahlen in New Hampshire
    Senator Barack Obama. (AP)
    Senatorin Hillary Rodham Clinton
    Senatorin Hillary Clinton. (AP)
    Der republikanische Senator John McCain bei den Vorwahlen in New Hampshire
    Senator John McCain. (AP)
    Mitt Romney bewirbt sich für die republikanische US-Präsidentschaftskandidatur.
    Der emalige Gouverneur Mitt Romney. (AP)