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Vorschlag zur Reform der Grundsteuer
"Ein sehr aufwendiges, teures, kompliziertes Verfahren"

Ifo-Präsident Clemens Fuest hat die Pläne von Bundesfinanzminister Olaf Scholz zur Änderung der Grundsteuer als zu kompliziert kritisiert. Statt jede einzelne Immobilie individuell sollte nur die Fläche der jeweiligen Wohnung und des Grundstücks bewertet werden, schlug Fuest im Dlf vor.

Clemens Fuest im Gespräch mit Christiane Kaess | 27.11.2018
    Der Direktor des Institutes für Wirtschaftsforschung (ifo), Clemens Fuest
    Laut ifo-Präsident Clemens Fuest ist die Grundsteuer nicht gerecht zu gestalten (dpa)
    Christiane Kaess: Schon im April hat das Bundesverfassungsgericht die Grundsteuer in ihrer jetzigen Form gekippt. Wir zahlen sie alle, egal ob wir mieten, oder ob uns eine Wohnung oder ein Haus gehört. Das Gericht sah die Berechnungsgrundlage für die Steuer als verfassungswidrig an. Der Grund: Bisher beruht sie auf sogenannten Einheitswerten für Grundstücke. Das sei völlig überholt und führe zu gravierenden Ungleichbehandlungen, fanden die Richter in Karlsruhe. Und tatsächlich sind diese Werte Jahrzehnte alt. Der Politik, allen voran dem Bundesfinanzminister gab das Gericht den Auftrag, die Grundsteuer bis spätestens 2019 neu zu regeln. Finanzminister Olaf Scholz von der SPD hat jetzt reagiert.
    Am Telefon ist jetzt Clemens Fuest. Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Präsident des ifo-Instituts, das eine Studie zur Grundsteuer erstellt hat. Guten Morgen, Herr Fuest.
    Clemens Fuest: Guten Morgen, Frau Kaess.
    Kaess: Schauen wir auf diese Vorschläge von Olaf Scholz. Eine individuelle Berechnung für jede Wohnung – ist das überhaupt möglich?
    Fuest: Ja, möglich ist es, aber es ist unglaublich aufwendig. Wir haben 35 Millionen Immobilien in Deutschland. Wenn wir die individuell bewerten wollen, ist das ein riesen Bewertungsaufwand, und man muss sich fragen, lohnt sich das eigentlich. Denn für diese individuelle Wertberechnung wird häufig angeführt, das Ganze sei dann gerechter. Aber das ist nicht wirklich so, denn für Gerechtigkeit müsste man eigentlich feststellen, wie leistungsfähig, wie ist das Einkommen dessen, der da jeweils wohnt, und danach wird ja gar nicht gefragt. Die Grundsteuer ist unabhängig davon, wie hoch das Einkommen dessen ist, der in der Wohnung wohnt, das Einkommen des Eigentümers oder des Mieters. Deshalb sollte man eher eine einfache Bemessungsgrundlage wählen.
    Kaess: Herr Fuest, bevor wir weiter über die Gerechtigkeit sprechen, wie müsste man sich das in der Praxis vorstellen? Da würde jeder demnächst Besuch von der entsprechenden Behörde bekommen?
    Fuest: Ja, oder man kriegt einen Brief und wird aufgefordert, ein Bewertungsverfahren einzuleiten für die eigene Immobilie, und dann muss man einen Gutachter anheuern, der dann diese Größen erhebt und irgendwie versucht, den Wert zu bestimmen, vermutlich ein Wertgutachten schreibt, oder diese Größen, die da erwähnt wurden, die Miete, die Fläche und andere Aspekte, die den Wert beeinflussen. Das muss dokumentiert werden. Das Problem ist: Das muss ja alles gerichtsfest sein. Es wird dann ein Wert bestimmt, danach wird es dann wahrscheinlich Gerichtsverfahren geben, weil mancher sich gegen diese Werte, die bestimmt wurden, wehrt, ein sehr, sehr aufwendiges, teures, kompliziertes Verfahren.
    "Die Einheitswerte sind veraltet und ziemlich willkürlich"
    Kaess: Aufwendig, sagen Sie, aber vielleicht doch besser als die Einheitswerte, wie wir es jetzt haben?
    Fuest: Ja. Die Einheitswerte sind veraltet und ziemlich willkürlich. Insofern ist das vielleicht besser. Das Problem ist, dass es aber auch viel einfacher geht. Wir haben ja beim ifo-Institut vorgeschlagen, dass man einfach die Fläche nimmt. Man könnte einfach die Grundstücksfläche und die Wohnfläche nehmen. Das hat den Vorteil, dass das einfacher ist, und man muss es auch nur einmal machen. Hier bei diesem Konzept, bei den Werten, muss man ja alle sieben Jahre von vorne anfangen. Das ist ein hoher Aufwand, der sich eigentlich nicht lohnt.
    Kaess: Das was Sie vorschlagen, das ist ein anderes Modell, dieses wertunabhängige, nur die Berechnung der Fläche. Aber ist das nicht auch in gewisser Weise wieder ungerecht und würde das Gericht das überhaupt akzeptieren?
    Fuest: Das Gericht würde das akzeptieren. Das Gericht hat nur gesagt: Wenn man sich für die Wertbasierung entscheidet, dann müssen es auch aktuelle Werte sein. Die müssen einigermaßen nahe an den Marktwerten sein. Aber der Gesetzgeber kann auch sagen, wir nehmen nicht die Werte, sondern wir nehmen einfach die Fläche, und dann kann man das machen. Jetzt sagen manche, das ist ungerecht, weil Immobilien in Innenstadtlagen teurer sind bei der gleichen Fläche. Aber noch mal: Bei dieser Steuer kommt es nicht darauf an, oder ist es letztlich gar nicht möglich, auf Gerechtigkeit zu zielen, denn dafür müsste man eigentlich feststellen, wer in dem Haus wohnt. Ist das jemand, der hohe Einkommen hat oder niedrige. In einem Ein-Familien-Haus, da kann eine verarmte Witwe leben oder ein Millionär; die Grundsteuer ist immer die gleiche. Die Grundsteuer ist so etwas wie eine Steuer auf Wohnen und Gerechtigkeitsziele muss man woanders verfolgen, zum Beispiel mit der Einkommenssteuer.
    Kaess: Wir wissen noch nicht, welches Modell kommen wird. Schauen wir noch mal auf dieses individuelle Modell, das Olaf Scholz offensichtlich präferiert. Was würde das bedeuten, dass Wohnungseigentümer beziehungsweise Hausbesitzer in begehrten Lagen tatsächlich mehr zahlen und die in weniger gefragten Lagen weniger?
    Fuest: Ja, das ist kompliziert. Innerhalb der Städte wird die Steuerlast auf jeden Fall umverteilt. Aber es ist nicht so, dass sie über Städte umverteilt wird. Es ist nicht so, dass Leute in teuren Städten notwendigerweise mehr zahlen als in weniger teuren, denn das Geld bleibt ja in der Gemeinde. Innerhalb der Städte ist es so, dass in der Tat dort, wo Boden teuer ist oder wo Immobilien teurer sind, da wird dann mehr bezahlt als bisher.
    "Die, die heute in teuren Gegenden wohnen, müssten mehr zahlen als bisher"
    Kaess: Und wenn wir auf die Mieten schauen, da sagen jetzt viele, die werden dann steigen. Aber muss man nicht auch berücksichtigen, dass vielleicht nur diese Mieten steigen bei ohnehin schon teuren Wohnungen? Um noch mal mit der Gerechtigkeit zu argumentieren, um die geht es ja dem Gericht. Das heißt, bei den Mietern, die sich das auch leisten könnten?
    Fuest: Das Gericht wollte nicht die, die hohe Mieten zahlen, stärker besteuern, sondern das Gericht hat einfach nur gesagt, das muss ein halbwegs konsistentes Verfahren sein und es darf nicht willkürlich sein. Aber es ist richtig: Das Verfahren von Herrn Scholz würde dazu führen, dass dort, wo die Mieten heute schon hoch sind, sie weiter stärker erhöht werden, und dort, wo heute Mieten niedrig sind, sie eher weniger erhöht werden. Insgesamt übrigens werden die Mieten auch in dem Vorschlag von Herrn Scholz nicht notwendigerweise steigen, denn das Ganze soll ja aufkommensneutral sein. Es soll insgesamt nicht mehr Steueraufkommen erhoben werden. Aber die, die heute in teuren Gegenden wohnen, die müssten etwas mehr zahlen als bisher.
    Kaess: Die Mieten würden ja vor allem deshalb teurer, weil die Vermieter die Grundsteuer auf die Mieter umlegen können. Jetzt gibt es eine Forderung des Mieterbundes. Die heißt, man soll das unmöglich machen, indem man es aus dem Katalog der Betriebskosten streicht. Wäre das nicht tatsächlich das Gerechteste?
    Fuest: Ja, das ist eine Belastung der Hauseigentümer und eine Entlastung der Mieter. Aber auch da ist es so, dass die Hauseigentümer nicht unbedingt die sind, die jetzt sehr hohe Einkommen haben, und die zahlen ja auch heute schon – das muss man bedenken – durch die Einkommenssteuer mehr als Leute, die weniger Einkommen haben. Natürlich kann man noch stärker umverteilen, als man es sowieso schon tut. Aber noch mal: Dafür ist eigentlich die Grundsteuer nicht das richtige Instrument, sondern dafür ist eigentlich die Einkommenssteuer das Instrument.
    Kaess: Jetzt muss Olaf Scholz die Bundesländer überzeugen. Die dürfen bei der Grundsteuer mitreden, denn die sind ja auch diejenigen, die sie bekommen. Gibt es denn Regionen, die von Änderungen von Olaf Scholz profitieren würden, und diejenigen, die verlieren würden?
    Fuest: Die Grundsteuer ist ja eine kommunale Steuer. Das heißt, über die Bundesländer hinweg oder auch über Kommunen hinweg sollte sich da eigentlich nichts tun. Wenn sich was tut, dann nur über den Finanzausgleich. Es könnte sein, wenn man jetzt auf Wertbasierung umstellt, dass man sagt: Na ja, die Immobilienwerte in Bayern und Baden-Württemberg sind höher als in Mecklenburg-Vorpommern, also müssen Bayern und Baden-Württemberg mehr in den Finanzausgleich einzahlen, denn die könnten, wenn sie wollten, höhere Immobilienwerte erheben. Das heißt: Entscheidend ist eigentlich, was passiert im Bundesfinanzausgleich.
    "Einige Kommunen werden nach der Änderung höhere Einnahmen haben"
    Kaess: Im Länderfinanzausgleich meinen Sie?
    Fuest: Im Länderfinanzausgleich, genau, im Finanzausgleich unter den Ländern. Wenn man dort keine Vorkehrungen trifft, würde eine Wertbasierung bedeuten, dass Länder wie Bayern und Baden-Württemberg mehr einzahlen als bisher. Aber ich kann mir vorstellen, dass man das auch neutralisiert, und dann tut sich unter den Bundesländern eigentlich gar nichts.
    Kaess: Jetzt haben Sie selber schon gesagt, es soll bei diesen 14 Milliarden Euro Einnahmen bleiben. Einige können vielleicht mehr zahlen oder weniger. Aber lässt sich das überhaupt davor festlegen, dass es bei diesen 14 Milliarden bleiben soll?
    Fuest: Nein! Man muss ja sehen: Einige Kommunen werden nach der Änderung höhere Einnahmen haben, und dann ist die Frage, senken sie dann den Hebesatz, oder sagen sie, nein, wir brauchen die höheren Einnahmen, und lassen es dabei. Das liegt letztlich an jeder einzelnen Kommune. Vermutlich werden die Kommunen, die Aufkommen verlieren, dann schon sagen, jetzt erhöhen wir den Steuersatz, erhöhen den Hebesatz. Aber es ist offen, ob die Kommunen das wirklich so anpassen, dass hinterher das gleiche Geld in der Kasse ist wie vorher.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.