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Vorsicht, Weihnachtsfeier!

Alle Jahre wieder in Deutschlands Betrieben: Die Tische sind festlich gedeckt, Sekt, Wein und Bier fließen in Strömen und die Firma zahlt. Vom Geschäftsführer bis zum Pförtner haben alle lustige Nikolaus-Mützen auf, selbst stille Kolleginnen und Kollegen tauen auf. Doch Obacht: Auch betriebliche Konflikte können auf einer Weihnachtsfeier aufbrechen und sogar die Karriere gefährden.

Von Stefan Lochner |
    Arbeitsrechtler wie Anwalt Michael Felser aus Brühl warnen!

    "Es gibt durchaus das eine oder andere Urteil in der Rechtssprechung, aus dem man erkennen kann, dass es nicht immer "O du fröhliche" auf den Weihnachtsfeiern heißt, sondern dass dort offensichtlich auch betriebliche Konflikte auftreten können."

    Vor allem Berufseinsteiger tun sich häufig schwer, die brenzligen Situationen zu erkennen, die auf Betriebsfeiern lauern können. Dumm, wenn die Feier dann ausgerechnet auch noch in die Probezeit fällt. Rechtsanwalt Felser hat beobachtet: vor allem Uniabsolventen können auf ihrer ersten betrieblichen Weihnachtsfeier die gerade begonnene Karriere leicht aufs Spiel setzen.

    "Da treffen Kulturen aufeinander. Das Berufsleben sieht eben ein bisschen anders aus als das Studium. Und wenn man da seine Lieblingsgags auf der Weihnachtsfeier präsentiert, dann kann das eben andere Effekte haben als auf einer Studentenfeier."

    Die wohl größten Risiken birgt der Alkohol. Wenn der Pegel steigt, wächst der Mut zur Wahrheit - und die bleibt manchmal besser unausgesprochen. Wer nicht aufpasst, verschafft möglicherweise seinem Anwalt Arbeit - und riskiert seine eigene.

    "Wenn man meint, die Rede des Chefs zur Betriebsfeier kommentieren zu müssen - da ist immer Vorsicht angesagt. Man kann deswegen auch 'ne Kündigung bekommen. Je nachdem, was man da gesagt hat und wie lautstark das passiert ist, muss man gegebenenfalls auch mit fristlosen Kündigungen rechnen."

    Und selbst wenn's glimpflich ausgeht: Wer auf der Weihnachtsfeier als Lästermaul auffällt, kann die höher gelegenen Sprossen auf der Karriereleiter erst mal getrost vergessen.

    Mindestens genauso heikel wie offen ausgesprochene Abneigung ist es, die tief empfundene Zuneigung zur schnuckeligen Kollegin oder dem süßen Kollegen allzu deutlich zu demonstrieren. Flirten ist aber durchaus erlaubt, ja sogar erwünscht. Alles andere wäre ja auch schlimm für die Renten- und Familienpolitik. Schließlich haben nicht wenige Ehen ihren Ursprung auf einer Weihnachtsfeier - bei entschlossenen Zeitgenossen wie Franz Beckenbauer trägt die feucht-fröhliche Stimmung sogar schon nach einem dreiviertel Jahr Früchte. Ein vorsichtiger Annäherungsversuch geht auch aus arbeitsrechtlicher Sicht in Ordnung, so Anwalt Felser:

    "Da ist gar nichts gegen zu sagen, wenn es eben bei einem normalen unverbindlichen Flirt bleibt, bei dem man dann auch die Grenzen oder Signale, die das Gegenüber setzt, respektiert. Da haben wir wieder das Problem Alkoholpegel. Je höher der Alkoholpegel ist, desto weniger werden diese Signale unter Umständen korrekt eingeordnet. Also auch da muss man aufpassen."

    Denn sonst ist ruckzuck der Job weg. Auch wegen des neuen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes - demzufolge der Arbeitgeber bei sexueller Belästigung im Betrieb mit haftet.

    Keine Frage: auf der Weihnachtsfeier steht ein Fettnäpfchen neben dem anderen. Trotzdem: dabei sein ist Pflicht - gerade für Berufseinsteiger, meint die Stuttgarter Karriereberaterin und Kniggeexpertin Carolin Lüdemann. Das vorweihnachtliche Halali in der Firma muss nämlich kein Karrierekiller sein - im Gegenteil.

    "Man kann die lockere Atmosphäre nutzen, um sich dem Chef auch mal von einer anderen Seite präsentieren zu können. Indem man eben darlegen kann, dass man über gute Umgangsformen verfügt. Dass man gut einen Smalltalk betreiben kann. Dass man sich gut am Tisch benehmen kann. Das alles sind Faktoren, die für die nächsten Karriereschritte entscheidend sein können."

    Die Weihnachtsfeier als Sprungbrett nutzen - das ist leichter als gedacht. Vor der Feier eine Kleinigkeit essen, damit nicht schon das erste Glas Sekt den Verstand vernebelt. Und anschließend nur in Maßen weiter trinken. Dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen - selbst, wenn einem der Chef nach dem vierten Glas Rotwein das "Du" anbietet.

    "Der Mitarbeiter darf's natürlich auch annehmen. Allerdings darf der Chef am nächsten Arbeitstag entscheiden, ob denn dieses "Du" noch Bestand hat. Verwendet er das "Du", isses gut. Verwendet der Vorgesetzte dagegen das "Sie", ist man kommentarlos wieder beim Bussinnes as usual angelangt und der Mitarbeiter nimmt das einfach so hin."

    Die Weihnachtsfeier hat eben ihre eigenen Gesetze - die auch nur für den einen Abend gelten. Dazu zählt auch, dass während der Feier alle Mitarbeiter unfallversichert sind - selbst wenn die Sause außerhalb der Arbeitszeit und außerhalb des Unternehmens steigt. Urteile zeigen, dass der Unfallschutz auch greift, wenn ein Mitarbeiter volltrunken die Treppe runterpurzelt und sich alle Knochen bricht. Rechtsanwalt Felser empfiehlt allerdings: aufpassen, wann die Feier zu ende ist.

    "Solange noch Vorgesetzte anwesend sind, kann man eben davon ausgehen, dass es noch die betriebliche Weihnachtsfeier ist. Nur wenn die Veranstaltung sich offensichtlich aufgelöst hat - dann endet der betriebliche Charakter und damit auch der Unfallschutz."