Friedbert Meurer: Wolfgang Schäuble hatte einst Antje Vollmer von den Grünen zur Bundestagsvizepräsidentin gemacht, etwa zehn Jahre ist das her. Auch um die SPD zu ärgern. Aber immer hieß es: Erst muss so etwas auf Landesebene einmal getestet werden. Und dieser Test Schwarz-Grün ist bislang ausgeblieben. Es gibt schwarz-grüne Bündnisse, allerdings nur auf kommunaler Ebene. Am Telefon begrüße ich Ralf Füchs, ehedem Grünen-Vorstandssprecher und heute Vorsitzender der Heinrich-Böll-Stiftung. Guten Tag Herr Fücks.
Ralf Fücks: Guten Tag Herr Meurer.
Meurer: Nachdem, was wir zusammen eben gehört haben, ist die Sache erledigt?
Fücks: Gehe ich von aus. Das mag man bedauern, weil dann als Alternative die große Koalition am Horizont dräut und das wird, glaube ich, kein Vergnügen für die Republik. Aber überraschend kommt das nicht. Dazu sind die politischen und kulturellen Gegensätze zwischen Grün und Union doch zu groß - zumal ja noch ein unsichtbarer Dritter am Tisch saß, nämlich Herr Westerwelle und die FDP. Und das hätte es für die Grünen noch komplizierter gemacht.
Meurer: Hätten Sie sich trotzdem gewünscht, dass die Grünen-Spitze etwas offener verhandelt?
Fücks: Wenn die politischen Medien in einer Jamaika-Koalition ein hoffnungsvolles sozusagen Experiment sehen, vielleicht sogar einen gesellschaftlichen Aufbruch, dann müssen diejenigen, die politische Verantwortung in der Partei haben, doch wissen, welche Zerreißproben sie eingehen können. Das wäre ein Ritt über den Bodensee geworden.
Und wenn die Union, wie Reinhard Bütikofer völlig richtig gesagt hat, nicht signalisiert, dass sie die Lehren aus ihrer Wahlniederlage zieht, dass sie nämlich kein Vertrauen in ihre soziale Kompetenz hat stiften können, dafür dass sie die Gesellschaft zusammenhalten will, auch mit allen notwendigen Reformen des Sozialstaats, dann geht das für die Grünen nicht. Die Ökologiefrage ist natürlich ein zweiter Kernpunkt: Die Union hat eher einen anti-ökologischen, anti-grünen Wahlkampf geführt, sie hat versucht, die Benzinwut auf ihre Mühlen zu lenken - schwer vorstellbar, wie das zusammenpassen soll.
Meurer: Da vor einer Stunde hier bei uns im Deutschlandfunk Gerhart Rudolf Baum von der FDP sich über die Neinsager in Berlin geärgert hat: Was spricht denn für Schwarz-Grün oder für eine Jamaika-Koalition?
Fücks: Theoretisch kann man dem natürlich einen Reiz abgewinnen, wenn man sagt: Da kommt ein wertkonservatives, ein liberales und das ökologisch-linke Element zusammen, das könnte eine Allianz sein über die alten politischen Lagergrenzen hinweg. Aber dann müssen eben auch die politischen Voraussetzungen stimmen: Sie brauchen eine hinreichende Schnittmenge an politischen Gemeinsamkeiten, es muss ein gemeinsames Erfolgsprojekt werden - und dafür ist, glaube ich, die Zeit nicht reif und dazu sind die programmatischen Differenzen zu groß.
Die Union hat sich vielleicht kulturell in den letzten Jahren stärker zu den Grünen bewegt, wenn man die neue Rolle der Frauen in der Union nimmt oder größere Toleranz gegenüber Homosexuellen. Aber gesellschaftspolitisch hat sie sich Richtung FDP bewegt, also in Richtung einer reinen marktliberalen Politik. Und das geht nicht mit den Grünen.
Meurer: Es hat mal vor einigen Jahren die so genannte Pizza-Connection gegeben, Herr Fücks, junge CDU-Abgeordnete, junge Grünen-Abgeordnete, die haben sich ganz gut verstanden. Warum gilt das heute nicht mehr?
Fücks: Man kann sich ja durchaus auf einer persönlichen Ebene gut verstehen und auch punktuell nach politischen Gemeinsamkeiten suchen. Aber das gibt noch lange kein Regierungsbündnis zwischen Parteien.
Meurer: Wäre das einfacher gewesen ohne die FDP als unsichtbare dritte Partei?
Fücks: Das ist natürlich spekulativ, aber ich denke, ja. Weil für die Grünen wäre das Risiko sehr hoch, dass sie in eine strukturelle Minderheit in einer solchen Koalition geraten. Und wir müssen um jeden Preis auch nur den Anschein vermeiden, dass Grüne nur zu einem Hilfsmotor werden für das leckgeschlagene schwarz-gelbe Schiff. Das wäre tödlich für die Grünen.
Meurer: Hat der heutige Tag, Herr Fücks, vielleicht doch für die Zukunft ein bisschen die Tür geöffnet, zum Beispiel für eine Koalition Schwarz-Grün auf Länderebene?
Fücks: Natürlich sind das Lockerungsübungen. Die sind auch notwendig, weil das Wahlergebnis hat ja gezeigt, dass keines der traditionellen Lager aus sich heraus mehrheitsfähig ist und eine Regierung bilden kann. Insofern sind neue Allianzen notwendig. Jetzt werden wir wahrscheinlich in einer großen Koalition landen - aber das kann auf Dauer ja nicht die einzige Alternative sein.
Meurer: Joschka Fischer hört auf, er stehe für Rot-Grün und nichts anderes. Wie sehen Sie die Zukunft der Grünen ohne ihren großen Vordenker, Vormann Joschka Fischer?
Fücks: Natürlich reißt der Rückzug von Joschka Fischer ein riesiges Loch. Aber die Grünen haben ja in den letzten Jahren schon eine neue Führungsgruppe herausgebildet von fachlich sehr kompetenten, politisch erfahrenen und auch rhetorisch beschlagenen Politikerinnen und Politikern. Da ist mir nicht bange. Programmatisch werden wir uns sicher in der Opposition noch einmal neu orientieren, unseren Akku neu aufladen müssen. Das gilt etwa für eine konsistente Steuerpolitik, aber auch für die ganze Debatte um die Zukunft der Arbeit und die Bewältigung des demographischen Wandels.
Meurer: Aber sehen Sie nicht die Gefahr, in der Opposition, dass man da ein bisschen weg kommt von Realpolitik?
Fücks: Nein, das glaube ich nicht. Es wird keinen Rückzug in eine Wünsch-Dir-was-Politik geben. Die Grünen haben bei einer Großen Koalition sogar die große Chance, die Oppositionsführung zu übernehmen gegenüber PDS und FDP, die sich doch eher an den Rändern des politischen Spektrums bewegen, und zu ihrer alten Rolle als Innovationsmotor und Ideenschmiede zurückzufinden. Da bin ich ganz zuversichtlich.
Meurer: Ist es vielleicht den Grünen jetzt sogar leichter mit den Großen - ohne den großen Mann Joschka Fischer an der Spitze?
Fücks: Nein. Joschka Fischer hat ja in den letzten Jahren auch schon viel Raum gelassen in der operativen Politik, auch im Koalitionsmanagement. In der öffentlichen Wirkung wird er uns sicher fehlen. Aber das ist vielleicht auch das Ende einer bestimmten politischen Kultur und es kommt jetzt mehr auf die Teambildung an, als dass alle auf den einen schauen, wenn es ernst wird.
Meurer: Und die Teambildung wird funktionieren, mit der neuen Spitze?
Fücks: Das hoffe ich doch.
Meurer: Das war Ralf Fücks, der Vorsitzende der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung bei uns im Deutschlandfunk. Herr Fücks, besten Dank und auf Wiederhören.
Fücks: Ich danke auch, tschüss!
Ralf Fücks: Guten Tag Herr Meurer.
Meurer: Nachdem, was wir zusammen eben gehört haben, ist die Sache erledigt?
Fücks: Gehe ich von aus. Das mag man bedauern, weil dann als Alternative die große Koalition am Horizont dräut und das wird, glaube ich, kein Vergnügen für die Republik. Aber überraschend kommt das nicht. Dazu sind die politischen und kulturellen Gegensätze zwischen Grün und Union doch zu groß - zumal ja noch ein unsichtbarer Dritter am Tisch saß, nämlich Herr Westerwelle und die FDP. Und das hätte es für die Grünen noch komplizierter gemacht.
Meurer: Hätten Sie sich trotzdem gewünscht, dass die Grünen-Spitze etwas offener verhandelt?
Fücks: Wenn die politischen Medien in einer Jamaika-Koalition ein hoffnungsvolles sozusagen Experiment sehen, vielleicht sogar einen gesellschaftlichen Aufbruch, dann müssen diejenigen, die politische Verantwortung in der Partei haben, doch wissen, welche Zerreißproben sie eingehen können. Das wäre ein Ritt über den Bodensee geworden.
Und wenn die Union, wie Reinhard Bütikofer völlig richtig gesagt hat, nicht signalisiert, dass sie die Lehren aus ihrer Wahlniederlage zieht, dass sie nämlich kein Vertrauen in ihre soziale Kompetenz hat stiften können, dafür dass sie die Gesellschaft zusammenhalten will, auch mit allen notwendigen Reformen des Sozialstaats, dann geht das für die Grünen nicht. Die Ökologiefrage ist natürlich ein zweiter Kernpunkt: Die Union hat eher einen anti-ökologischen, anti-grünen Wahlkampf geführt, sie hat versucht, die Benzinwut auf ihre Mühlen zu lenken - schwer vorstellbar, wie das zusammenpassen soll.
Meurer: Da vor einer Stunde hier bei uns im Deutschlandfunk Gerhart Rudolf Baum von der FDP sich über die Neinsager in Berlin geärgert hat: Was spricht denn für Schwarz-Grün oder für eine Jamaika-Koalition?
Fücks: Theoretisch kann man dem natürlich einen Reiz abgewinnen, wenn man sagt: Da kommt ein wertkonservatives, ein liberales und das ökologisch-linke Element zusammen, das könnte eine Allianz sein über die alten politischen Lagergrenzen hinweg. Aber dann müssen eben auch die politischen Voraussetzungen stimmen: Sie brauchen eine hinreichende Schnittmenge an politischen Gemeinsamkeiten, es muss ein gemeinsames Erfolgsprojekt werden - und dafür ist, glaube ich, die Zeit nicht reif und dazu sind die programmatischen Differenzen zu groß.
Die Union hat sich vielleicht kulturell in den letzten Jahren stärker zu den Grünen bewegt, wenn man die neue Rolle der Frauen in der Union nimmt oder größere Toleranz gegenüber Homosexuellen. Aber gesellschaftspolitisch hat sie sich Richtung FDP bewegt, also in Richtung einer reinen marktliberalen Politik. Und das geht nicht mit den Grünen.
Meurer: Es hat mal vor einigen Jahren die so genannte Pizza-Connection gegeben, Herr Fücks, junge CDU-Abgeordnete, junge Grünen-Abgeordnete, die haben sich ganz gut verstanden. Warum gilt das heute nicht mehr?
Fücks: Man kann sich ja durchaus auf einer persönlichen Ebene gut verstehen und auch punktuell nach politischen Gemeinsamkeiten suchen. Aber das gibt noch lange kein Regierungsbündnis zwischen Parteien.
Meurer: Wäre das einfacher gewesen ohne die FDP als unsichtbare dritte Partei?
Fücks: Das ist natürlich spekulativ, aber ich denke, ja. Weil für die Grünen wäre das Risiko sehr hoch, dass sie in eine strukturelle Minderheit in einer solchen Koalition geraten. Und wir müssen um jeden Preis auch nur den Anschein vermeiden, dass Grüne nur zu einem Hilfsmotor werden für das leckgeschlagene schwarz-gelbe Schiff. Das wäre tödlich für die Grünen.
Meurer: Hat der heutige Tag, Herr Fücks, vielleicht doch für die Zukunft ein bisschen die Tür geöffnet, zum Beispiel für eine Koalition Schwarz-Grün auf Länderebene?
Fücks: Natürlich sind das Lockerungsübungen. Die sind auch notwendig, weil das Wahlergebnis hat ja gezeigt, dass keines der traditionellen Lager aus sich heraus mehrheitsfähig ist und eine Regierung bilden kann. Insofern sind neue Allianzen notwendig. Jetzt werden wir wahrscheinlich in einer großen Koalition landen - aber das kann auf Dauer ja nicht die einzige Alternative sein.
Meurer: Joschka Fischer hört auf, er stehe für Rot-Grün und nichts anderes. Wie sehen Sie die Zukunft der Grünen ohne ihren großen Vordenker, Vormann Joschka Fischer?
Fücks: Natürlich reißt der Rückzug von Joschka Fischer ein riesiges Loch. Aber die Grünen haben ja in den letzten Jahren schon eine neue Führungsgruppe herausgebildet von fachlich sehr kompetenten, politisch erfahrenen und auch rhetorisch beschlagenen Politikerinnen und Politikern. Da ist mir nicht bange. Programmatisch werden wir uns sicher in der Opposition noch einmal neu orientieren, unseren Akku neu aufladen müssen. Das gilt etwa für eine konsistente Steuerpolitik, aber auch für die ganze Debatte um die Zukunft der Arbeit und die Bewältigung des demographischen Wandels.
Meurer: Aber sehen Sie nicht die Gefahr, in der Opposition, dass man da ein bisschen weg kommt von Realpolitik?
Fücks: Nein, das glaube ich nicht. Es wird keinen Rückzug in eine Wünsch-Dir-was-Politik geben. Die Grünen haben bei einer Großen Koalition sogar die große Chance, die Oppositionsführung zu übernehmen gegenüber PDS und FDP, die sich doch eher an den Rändern des politischen Spektrums bewegen, und zu ihrer alten Rolle als Innovationsmotor und Ideenschmiede zurückzufinden. Da bin ich ganz zuversichtlich.
Meurer: Ist es vielleicht den Grünen jetzt sogar leichter mit den Großen - ohne den großen Mann Joschka Fischer an der Spitze?
Fücks: Nein. Joschka Fischer hat ja in den letzten Jahren auch schon viel Raum gelassen in der operativen Politik, auch im Koalitionsmanagement. In der öffentlichen Wirkung wird er uns sicher fehlen. Aber das ist vielleicht auch das Ende einer bestimmten politischen Kultur und es kommt jetzt mehr auf die Teambildung an, als dass alle auf den einen schauen, wenn es ernst wird.
Meurer: Und die Teambildung wird funktionieren, mit der neuen Spitze?
Fücks: Das hoffe ich doch.
Meurer: Das war Ralf Fücks, der Vorsitzende der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung bei uns im Deutschlandfunk. Herr Fücks, besten Dank und auf Wiederhören.
Fücks: Ich danke auch, tschüss!