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Vorsorgevollmacht

Neben der finanziellen Altersvorsorge ist es auch wichtig, sich um eventuelle rechtliche Hilfe im Alters- oder Krankheitsfall zu kümmern. Eine Vorsorgevollmacht kann die Lösung sein, aber dabei müssen bestimmte Richtlinien beachtet werden.

Von Annette Eversberg |
    Anna Berger aus Kiel kennt sich aus. Sie hat es erlebt, wie einem Verwandten vom Gericht beinahe ein Fremdbetreuer gestellt wurde - gegen seinen Willen.

    "Wir haben Erfahrungen gemacht mit einem Onkel, der war im Altenheim, und er hat immer diese Betäubungsmittel bekommen, wollte das nicht mehr einnehmen. Und der Onkel hatte einen Vormund da gestellt bekommen von der Stadt. Und Gott sei Dank hat der die Verwandtschaft anrufen können, die das rückgängig gemacht haben. Und das hat uns zu denken gegeben."

    Das wollen Anna Berger und ihr Mann auf keinen Fall.

    "Wir haben vorgesorgt und haben das sogar in der Notariatskammer bestätigen lassen, dass da ein Bevollmächtigter eingetragen ist. Und wir haben also einen Ausweis bekommen. Da steht der Bevollmächtige drauf. Und wenn man den bei sich hat, dann kann kein anderer die Vollmacht übernehmen. Wenn es ganz schlimm kommt, und die übernehmen die Vollmacht, dann kann das sofort rückgängig gemacht werden, und auch die Kosten werden erstattet."

    Die Kielerin scheint alles richtig gemacht zu haben. Sie hat auch für einen Fall vorgesorgt, den Wolfgang Wittek, Richter am Amtsgericht in Bad Segeberg, genau kennt.

    "Das Problem ist dabei, in der Krise vergessen viele Bevollmächtigte, dass sie bevollmächtigt sind, das heißt. sie finden ihre Urkunde nicht, weil sie sie irgendwo hingelegt haben, wo sie nicht greifbar ist im Stress. Sie wissen gar nicht, dass das, was sie haben, eine Vollmacht ist. Oder sie wird nicht anerkannt von den Krankenhäusern, weil da irgendeine unklare Formulierung drin ist oder weil der Bevollmächtigte nicht ja sagt, sondern nein sagt zu der vorgeschlagenen Maßnahme."

    Dass bedeutet, der Arzt weigert sich möglicherweise, die Vollmacht anzuerkennen. Und der Bevollmächtigte kann dann nicht so handeln, wie es der alte Mensch einmal gewollt hat, als er die Vollmacht verfasste. Wolfgang Wittek:

    "Das ist auch das Problem, das wir bei den Banken oft haben, wo das ja noch viel gravierender ist, weil die Banken darauf bestehen, dass die Vollmacht auf ihren Formularen erteilt wird und selbst notarielle Vollmachten nicht anerkannt werden."

    Mit diesem Fall hat auch Doktor Martin Probst, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Schleswig und Buchautor zum Betreuungsrecht, eigene Erfahrungen gemacht.

    "Ich habe das bei meiner eigenen Oma erlebt, dass deren Bank - nur weil sie ihr EDV-System umstellte - immer neue Vollmachten haben wollte. Wir haben damals auch geschwitzt und uns gefragt, was ist denn eigentlich, wenn die irgendwann nicht mehr kann, wenn die nicht mehr noch einmal neue Vollmachten austeilen kann. Vollmachten müssen im Rechtsverkehr auch akzeptiert werden. Zwingen, mit einem Bevollmächtigten zu tun zu haben und nicht mit dem Vollmachtgeber selbst, kann man einen Dritten im Rechtsverkehr nicht."

    Auch die Richter an den Vormundschaftsgerichten schauen sich die Vollmachten genau an. Wie sie entscheiden, hängt dann davon ab, welche Auffassung sie vertreten, weiß Martin Probst durch die Recherchen für sein Buch.

    "Das hängt einfach schon damit zusammen, dass Sie die Vollmacht zu einem Zeitpunkt errichten, der ja zeitlich immer vorgelagert sein muss. Es können sich Auffassungen und Anforderungen einfach geändert oder verschärft haben."

    Wolfgang Wittek sieht das als Amtsrichter noch ganz anders. Für ihn hat die Vollmacht einen hohen Stellenwert.

    "Weil bei mir die Selbstbestimmung ganz weit oben steht. Das heißt: wenn der Betroffene irgendwann gesagt hat, so soll es sein, müssen schon ganz gewichtige Gründe dafür gegeben sein, dass es anders gemacht wird."

    Das käme für den Bad Segeberger Richter nur infrage, wenn sich der Bevollmächtigte als ungeeignet erweist. Dennoch: Eine Vorsorgevollmacht kann durchaus nur von begrenztem Wert sein; selbst wenn sie - wie bei Anna Berger -bei der Bundesnotarkammer in Berlin registriert ist und die Justizminister der Länder angesichts gestiegener Betreuungszahlen zu einer Vorsorgevollmacht raten. Wolfgang Wittek:

    "Das Problem ist, der Gesetzgeber hat zwar die Vorsorgevollmacht erfunden, und er findet sie auch ganz toll, und sie ist auch ganz toll. Er hat aber vergessen, sie mit einer Absolutheit auszustatten."