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Vorstand Seelmann-Eggebert steht zu UNICEF

Vorstandsmitglied Rolf Seelmann-Eggebert verteidigt UNICEF Deutschland gegen Untreuevorwürfe. Es habe "Unbedachtsamkeiten" in der Geschäftsstelle gegeben, "aber mehr eben nicht", sagte Seelmann-Eggebert. Allerdings sei die Krise nach Bekanntwerden der Vorwürfe schlecht gemanagt worden.

Moderation: Bettina Klein | 06.02.2008
    Bettina Klein: Wenn eine UNO-Hilfsorganistaion selbst in Misskredit gerät, dann haben Vorwürfe vielleicht noch einmal eine besondere Dimension. Eine Vereinigung, die sich der Probleme in der Welt annehmen soll, dabei auch auf freiwillige Helfer und Spender angewiesen ist, für die ist es äußerst peinlich, wenn sie sich Vorwürfen wie Schlamperei und Untreue gegenüber sieht. Die Bundesregierung macht bei den aktuellen Entwicklungen um UNICEF Druck, inzwischen en haben sich viele Spender bereits abgewendet, der Imageschaden zumindest ist beträchtlich. Heute will der Vorstand Stellung nehmen.

    Und ich habe vor der Sendung bereits mit Rolf Seelmann-Eggebert gesprochen, er ist Vorstandsmitglied bei UNICEF, und habe ihn zunächst gefragt, wie groß seine Sorge um die Organisation ist.

    Rolf Seelmann-Eggebert: Sie ist natürlich groß, weil aus kleinen Anfängen und unbedachten Anfängen mittlerweile erst eine Kampagne und dann eben doch ein GAU geworden ist, und es überrascht mich in gewisser Weise schon sehr. Man muss auf der anderen Seite natürlich auch sagen, dass wir jetzt sozusagen pars pro toto als UNICEF gesehen werden, als Zielscheibe für all die vorsorglichen, sagen wir mal, Besorgnisse, die unser Publikum hat im Hinblick auf Spenden, wie viel von den Spenden kommen wirklich an? Es gibt ja ganz viele Fragen, die die Öffentlichkeit letztlich beunruhigen.

    Klein: Weshalb sprechen Sie von Kampagne?

    Seelmann-Eggebert: Ich spreche von einer Kampagne, weil das, was die "Frankfurter Rundschau" zunächst losgetreten hat, so etwas wie eine Kampagne gewesen ist. Da ist auch zum Teil von falschen Behauptungen die Rede gewesen. Wir haben später dazu beigetragen, dass es eine Kampagne wurde, einfach deshalb, weil UNICEF nicht mit einer Zunge geredet hat, sondern mit mehreren Zungen geredet hat.

    Klein: Das heißt, es gab auch ein ganz klares Missmanagement bei UNICEF?

    Seelmann-Eggebert: Es gab ein klares Missmanagement der Krise bei UNICEF, aber es gab kein klares Missmanagement bei UNICEF.

    Klein: Die Vorsitzende Heide Simonis tritt zurück, weil sie Transparenz verlangt und nicht weiß, wie sie die herstellen soll. Ihr Nachfolger Schlagintweit beharrt darauf, es gebe genug Transparenz. Allein das schafft doch schon ein Bild, das nach außen hin nicht überzeugen kann.

    Seelmann-Eggebert: Die Transparenzvorstellungen, die da sind, sind mit Frau Simonis gemeinsam entwickelt worden. Es gab sozusagen Überlegungen, die vorher nicht angestellt worden waren aufgrund dieses Briefes, der die Öffentlichkeit später auch erreicht hat.

    Klein: Was meinen Sie damit genau?

    Seelmann-Eggebert: Auf der einen Seite klare Geschäftsgänge, klarere Geschäftsgänge, als wir sie vorher hatten. Und das andere, was ich meine, ist das, was wir eine Leitbilddiskussion nennen, die wir vor allem auch mit den Arbeitskreisen führen. Da geht es eben um die Frage, was darf UNICEF gerade auch im Sponsorenbereich tun, was darf UNICEF nicht tun?

    Klein: Aber ich verstehe es noch nicht ganz. Wo hat UNICEF tatsächlich Nachholbedarf, oder andersherum gefragt, weshalb tritt Frau Simonis zurück, wenn alles in Ordnung ist?

    Seelmann-Eggebert: Sie ist zurückgetreten, weil sie selber wohl auch verstanden hat, dass das Krisenmanagement, das ja in erster Linie in ihrer Hand gelegen hat, nicht funktioniert hat. Sie hat die Krise letztlich auch dadurch mit verschuldet, dass eben mit zwei Zungen geredet worden ist und dass sie auch rückwirkend die Frage gestellt hat, ob bei UNICEF eben alles immer so gelaufen ist, wie es hätte laufen sollen.

    Klein: Das heißt, sie trägt die Verantwortung für die Krise?

    Seelmann-Eggebert: Ich denke nicht, dass sie sie alleine trägt, aber jedenfalls hat sie ein gutes Stück dieser Verantwortung zu tragen und hat wohl deshalb auch, denke ich, die Konsequenz gezogen und ist zurückgetreten.

    Klein: Aber niemand verstand so richtig in der Öffentlichkeit, weshalb sie zurücktritt. Der Geschäftsführer aber, an den sich vor allen Dingen die Vorwürfe richten, bleibt im Amt.

    Seelmann-Eggebert: Der Vorstand hat dem Geschäftsführer zweimal sozusagen sein Vertrauen ausgesprochen, weil der Vorstand der Auffassung gewesen ist, dem Geschäftsführer ist nichts vorzuwerfen. Und beim zweiten Mal ist ja gewissermaßen dieser Freispruch durch den Vorstand zustande gekommen aufgrund eines betriebswirtschaftlichen Urteils, das festgestellt hat, dass da keine zu inkriminierenden Handlungen vorgekommen sind. Es sind ihm Unbedachtsamkeiten, Ordnungswidrigkeiten vorgeworfen worden, aber das war kein Grund ihn aufzufordern zurückzutreten.

    Klein: Aber, Herr Seelmann-Eggebert, die Folgen für das Image von UNICEF sind bereits beträchtlich. Die Spender laufen weg, 5000 Dauerspender haben sich abgemeldet, die Einnahmen im Dezember sind um Millionen hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Welche Konsequenzen muss UNICEF jetzt ziehen, sofort?

    Seelmann-Eggebert: Es gibt eine Sofortmaßnahme, die gezogen worden ist. Wir sind auf der Suche nach einem neuen oder einer neuen Vorsitzenden, nachdem die alte Vorsitzende ihr Amt niedergelegt hat. Wir haben, denke ich, die Schritte in die Wege geleitet noch mit Frau Simonis gemeinsam, die wir für notwendig erachteten, indem wir über eine Geschäftsordnung, eine neue Geschäftsordnung, geredet haben und eben über einen Leitlinienpapier, das der Transparenz des Unternehmens dienen soll. Und ich denke, dass wir am Ende des Tages in der Lage sein werden zu erklären, dass das, was wir gemacht haben, vielleicht Unbedachtsamkeiten gewesen sind in der Geschäftsstelle, aber mehr eben nicht.

    Im Übrigen sind wir das, was im Grunde jedes Hilfswerk sein kann, leicht anzugreifen in dem Augenblick, in dem es immer um die Frage geht, wie viel Spenden gehen tatsächlich raus, und wie viel Spenden bleiben im Lande. Da ist es den Menschen oft schwer verständlich zu machen, dass Spenden, die rausgehen, auch eine Verwaltung im Lande brauchen. Dann geht es noch um die Höhe sozusagen des Betrages, wobei UNICEF bis auf den heutigen Tag feststellt, dass nur 10 Prozent der Spendeneinnahmen im Lande selbst bleiben für Verwaltungszwecke und 90 Prozent rausgehen. Das ist das eine.

    Und das andere ist, wir haben zum Beispiel festgestellt bei den Gesprächen mit unseren Arbeitsgruppen, dass den Arbeitsgruppen gar nicht klar ist zum großen Teil, dass es abgesehen von ihrer eigenen Arbeit eben noch einen großen Teil der Arbeit gibt in der Geschäftsstelle, die auf eine andere Art und Weise Sponsorengelder und Spenden versucht, für UNICEF einzuwerben als dadurch, dass man, wie das unsere Gruppen tun, Weihnachtskarten verkauft. Diese 8000 Freiwilligen sind eigentlich unser Kapital. Sie sind nicht unser Kapital allein unter der Perspektive, die bringen viel Geld ein. Das tun sie auch, eben durch ihre Arbeit. Aber sie sind auch die Multiplikatoren für das, was UNICEF tut. Die sprechen in den Familien, im Freundeskreis mit großer Begeisterung von der UNICEF-Arbeit, und das ist für uns wichtig. Nur, es gibt eben ein zweites Bein, und das sind diese wichtigen Sponsorenaktivitäten, die heutzutage alle Hilfswerke betreiben, und dabei gibt es immer wieder Konfliktsituationen. Es gibt die Konfliktsituationen, wie viel bekommt ein Spendeneinwerber von der eingeworbenen Spende zum Beispiel, wenn er das professionell und auf dem Markt tut? Das sind Fragen, die zum Beispiel auch unserer Basis schwer zu vermitteln gewesen sind. Die haben wir aber jetzt, denke ich, darüber hinreichend informiert.

    Klein: Abschließend: Sie selbst engagieren sich für UNICEF. Haben Sie Sorge, dass auch Ihr guter Name beschädigt wird im Zuge dieser Affäre?

    Seelmann-Eggebert: Man kann das nicht ausschließen. Ich werde immer zu UNICEF stehen. Ich habe UNICEF über acht Jahre als Afrika-Korrespondent bei der Arbeit erlebt. Ich habe mich, als ich in den Vorstand berufen worden bin so vor zwölf Jahren, gerne zur Verfügung gestellt. Man muss es aushalten können, dass man elf Jahre eine Schönwetterperiode bei UNICEF erlebt und dann durch eine Verkettung von wirklich unglückseligen Umständen mal Sturm ins Gesicht weht. Das ist das, was im Augenblick passiert. Und solange das Schiff in schweren Wassern ist, wird man sicher an Bord bleiben.