Spiller: Noch ist ja keine Entscheidung getroffen. Da hat es jetzt in den letzten Tagen ein bisschen Spekulationen gegeben. Die SPD-Bundestagsfraktion hat ja gemeinsam mit unserem Koalitionspartner vor der Sommerpause ein paar Eckpunkte für eine umfassende Gemeindefinanzreform festgelegt, und dazu gehört eben auch die modernisierte Gewerbesteuer. Das ist ein Kernpunkt der Gemeindefinanzreform. Natürlich brauchen die Gemeinden auch eine Entlastung bei den Ausgaben. Das ist ein Extrakapitel. Da geht es insbesondere um die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe. Das würde im Kern die Gemeinden stark bei den Ausgaben entlasten. Aber bei den Einnahmen geht es darum, dass die Haupteinnahmequelle der Gemeinden, nämlich die Gewerbesteuer, auf verlässlichere Grundlagen gestellt wird. Da haben die Gemeinden, die kommunalen Spitzenverbände ein sehr detailliertes und ordentliches Modell vorgelegt, und das wird von der Bundestagsfraktion unterstützt.
Wiese: Was halten Sie denn persönlich von dem Modell im Gegenzug für den Verzicht auf die Besteuerung von gewinnunabhängigen Elemente, der Anteil der Kommunen an der Mehrwert- beziehungsweise Umsatzsteuer von derzeit 2,2 auf 3 Prozent zu erhöhen. Glauben Sie, dass diese Erhöhung auf 3 Prozent ausreichend ist, um den Kommunen zu ermöglichen, ihre Aufgaben dann auch richtig zu erledigen?
Spiller: Also zunächst einmal wäre das ja nur eine Hilfskonstruktion. Das würde ja dann auch die Steuereinnahmen von Bund und Ländern vermindern, wenn man den Gemeinden einen größeren Anteil an Steueraufkommen bei der Umsatzsteuer zubilligte. Zum anderen würde aber ein Kernelement leider nicht berücksichtigt werden, nämlich das Interesse der Gemeinden am Gewerbe. Wir möchten, dass es ein Band gibt zwischen dem Unternehmen und der Gemeinde. Wir möchten, dass die Gemeinden ein Interesse am Gewerbe behalten.
Wiese: Und wie soll das Band geknüpft werden? Wie stellen Sie sich das vor?
Spiller: Das heißt eben auch, dass das Kernelement sein muss, dass die in der Gemeinde tätigen Wirtschaftsunternehmen allerdings eben auch einschließlich der Dienstleister - und dazu gehören viele Freiberufler - einen Beitrag leisten müssen zu den Gemeindefinanzen. Jetzt ist die Rede gewesen von einer sogenannten Substanzbesteuerung. Das ist ein Missverständnis. Wir haben derzeit die Situation, dass es geradezu Anreize gibt, Eigenkapital durch Fremdkapital zu ersetzen. Wir haben eine Situation, wo Eigenkapital diskriminiert wird gegenüber Fremdkapital, und deswegen ist es keine Substanzbesteuerung, sondern ein Element der Finanzierungsneutralität, wenn man sagt, auch Leasingausgaben oder Zinsen müssen im höheren Umfange als bisher angerechnet werden auf die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer. Das heißt, das Unternehmen, das aus seiner eigenen erwirtschafteten Kapitalkraft eben beispielsweise eine Maschine kauft, darf nicht schlechter gestellt werden als derjenige, der sie least. Oder wenn es sich nicht um Maschinen handelt, beispielsweise um die Anbietung von Räumlichkeiten, darf nicht derjenige besser gestellt werden, der von einem verbundenen Unternehmen im Konzern die Gebäude mietet, gegenüber demjenigen, der das aus eigener Kraft angeschafft hat.
Wiese: Die Wirtschaft, wenn ich das richtig verstanden habe, verlangt ja, die Gewerbesteuer völlig abzuschaffen und durch einen Zuschlag auf die Einkommenssteuer zu ersetzen. Mit welcher Begründung fordern die Unternehmer diese Befreiung? Was halten Sie davon?
Spiller: Ich halte davon überhaupt nichts, denn das würde dieses wünschenswerte Band noch stärker lockern. Das Interesse der Gemeinden an dem Gewerbe in der Gemeinde wäre dann noch stärker aufgelockert, und zum anderen - das ist ein richtig dickes Problem - gäbe es eine Verzerrung zwischen den wohlhabenden Gemeinden im Speckgürtel einer Großstadt und der Großstadt selbst, die die ganzen Ausgaben zu tragen hat. Das ist ein Modell, das nach sorgfältiger Diskussion dann doch auch in dieser Kommission bei Seite gelegt worden ist.
Wiese: Nun ist die Diskussion um die Gewerbesteuer ja nur eine Facette innerhalb der Gesamtdiskussion um die Steuerreform, und die ist ja nun alles andere als ausgestanden. Gestern drohte der bayrische Ministerpräsident Stoiber damit, den Haushalt von Eichel im Bundesrat zu blockieren. Gleichzeit unterstützte er aber erneut die vorgezogene Steuerreform. Wie geht das eigentlich zusammen? Das hängt doch beides irgendwie miteinander zusammen, oder?
Spiller: Ich glaube, die Union hat im Augenblick noch eine Menge Probleme, ihre Linie zu finden. Dass der bayrische Ministerpräsident in Zeiten des Landtagswahlkampfes sich da besonders weit aus dem Fenster hängt, ist nachvollziehbar, es trägt aber nicht immer zur Sachlichkeit bei.
Wiese: Andrerseits hat Stoiber ja aber durchaus Recht, wenn er von unrealistischen Erwartungen im Haushaltsentwurf spricht, oder glauben Sie tatsächlich an 2 Prozent Wachstum im nächsten Jahr?
Spiller: 2 Prozent Wachstum sind natürlich eine sehr zuversichtliche Einschätzung - möglich ist es. Es wären eben auch gerade durch eine vorgezogene Steuerreform Impulse für die Konjunktur zu erwarten. Das, worauf es ankommt, ist, dass man durch dieses einmalige Vorziehen der Steuerentlastung, die, wenn nichts geschähe, 2005 ohnehin käme - das sind ja schon beschlossene Maßnahmen - einen Impuls gibt, aber auf der anderen Seite die strukturellen Wachstumshemmnisse, die wir in Deutschland haben, abbaut. Dazu gehört ja das ganze Paket der Agenda 2010, Beseitigung von Wachstumshemmnissen, die auf die Dauer unsere Wachstumsentwicklung in Deutschland gefährdet haben.
Wiese: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Wiese: Was halten Sie denn persönlich von dem Modell im Gegenzug für den Verzicht auf die Besteuerung von gewinnunabhängigen Elemente, der Anteil der Kommunen an der Mehrwert- beziehungsweise Umsatzsteuer von derzeit 2,2 auf 3 Prozent zu erhöhen. Glauben Sie, dass diese Erhöhung auf 3 Prozent ausreichend ist, um den Kommunen zu ermöglichen, ihre Aufgaben dann auch richtig zu erledigen?
Spiller: Also zunächst einmal wäre das ja nur eine Hilfskonstruktion. Das würde ja dann auch die Steuereinnahmen von Bund und Ländern vermindern, wenn man den Gemeinden einen größeren Anteil an Steueraufkommen bei der Umsatzsteuer zubilligte. Zum anderen würde aber ein Kernelement leider nicht berücksichtigt werden, nämlich das Interesse der Gemeinden am Gewerbe. Wir möchten, dass es ein Band gibt zwischen dem Unternehmen und der Gemeinde. Wir möchten, dass die Gemeinden ein Interesse am Gewerbe behalten.
Wiese: Und wie soll das Band geknüpft werden? Wie stellen Sie sich das vor?
Spiller: Das heißt eben auch, dass das Kernelement sein muss, dass die in der Gemeinde tätigen Wirtschaftsunternehmen allerdings eben auch einschließlich der Dienstleister - und dazu gehören viele Freiberufler - einen Beitrag leisten müssen zu den Gemeindefinanzen. Jetzt ist die Rede gewesen von einer sogenannten Substanzbesteuerung. Das ist ein Missverständnis. Wir haben derzeit die Situation, dass es geradezu Anreize gibt, Eigenkapital durch Fremdkapital zu ersetzen. Wir haben eine Situation, wo Eigenkapital diskriminiert wird gegenüber Fremdkapital, und deswegen ist es keine Substanzbesteuerung, sondern ein Element der Finanzierungsneutralität, wenn man sagt, auch Leasingausgaben oder Zinsen müssen im höheren Umfange als bisher angerechnet werden auf die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer. Das heißt, das Unternehmen, das aus seiner eigenen erwirtschafteten Kapitalkraft eben beispielsweise eine Maschine kauft, darf nicht schlechter gestellt werden als derjenige, der sie least. Oder wenn es sich nicht um Maschinen handelt, beispielsweise um die Anbietung von Räumlichkeiten, darf nicht derjenige besser gestellt werden, der von einem verbundenen Unternehmen im Konzern die Gebäude mietet, gegenüber demjenigen, der das aus eigener Kraft angeschafft hat.
Wiese: Die Wirtschaft, wenn ich das richtig verstanden habe, verlangt ja, die Gewerbesteuer völlig abzuschaffen und durch einen Zuschlag auf die Einkommenssteuer zu ersetzen. Mit welcher Begründung fordern die Unternehmer diese Befreiung? Was halten Sie davon?
Spiller: Ich halte davon überhaupt nichts, denn das würde dieses wünschenswerte Band noch stärker lockern. Das Interesse der Gemeinden an dem Gewerbe in der Gemeinde wäre dann noch stärker aufgelockert, und zum anderen - das ist ein richtig dickes Problem - gäbe es eine Verzerrung zwischen den wohlhabenden Gemeinden im Speckgürtel einer Großstadt und der Großstadt selbst, die die ganzen Ausgaben zu tragen hat. Das ist ein Modell, das nach sorgfältiger Diskussion dann doch auch in dieser Kommission bei Seite gelegt worden ist.
Wiese: Nun ist die Diskussion um die Gewerbesteuer ja nur eine Facette innerhalb der Gesamtdiskussion um die Steuerreform, und die ist ja nun alles andere als ausgestanden. Gestern drohte der bayrische Ministerpräsident Stoiber damit, den Haushalt von Eichel im Bundesrat zu blockieren. Gleichzeit unterstützte er aber erneut die vorgezogene Steuerreform. Wie geht das eigentlich zusammen? Das hängt doch beides irgendwie miteinander zusammen, oder?
Spiller: Ich glaube, die Union hat im Augenblick noch eine Menge Probleme, ihre Linie zu finden. Dass der bayrische Ministerpräsident in Zeiten des Landtagswahlkampfes sich da besonders weit aus dem Fenster hängt, ist nachvollziehbar, es trägt aber nicht immer zur Sachlichkeit bei.
Wiese: Andrerseits hat Stoiber ja aber durchaus Recht, wenn er von unrealistischen Erwartungen im Haushaltsentwurf spricht, oder glauben Sie tatsächlich an 2 Prozent Wachstum im nächsten Jahr?
Spiller: 2 Prozent Wachstum sind natürlich eine sehr zuversichtliche Einschätzung - möglich ist es. Es wären eben auch gerade durch eine vorgezogene Steuerreform Impulse für die Konjunktur zu erwarten. Das, worauf es ankommt, ist, dass man durch dieses einmalige Vorziehen der Steuerentlastung, die, wenn nichts geschähe, 2005 ohnehin käme - das sind ja schon beschlossene Maßnahmen - einen Impuls gibt, aber auf der anderen Seite die strukturellen Wachstumshemmnisse, die wir in Deutschland haben, abbaut. Dazu gehört ja das ganze Paket der Agenda 2010, Beseitigung von Wachstumshemmnissen, die auf die Dauer unsere Wachstumsentwicklung in Deutschland gefährdet haben.
Wiese: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio