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Vorwürfe gegen Google sind nichts anderes "als Lobbyismus"

Google handelt auf dem US-Markt rechtens, wenn es Bücher digitalisiert, sagt Matthias Spielkamp. Dies sei mit der Diskussion um wissenschaftliche Publikationen, die über "Open Access" publiziert werden sollen, vermischt worden.

04.09.2009
    Jasper Barenberg: Am Telefon begrüße ich jetzt den Publizisten Matthias Spielkamp, der sich besonders auch mit den Rechten und den Regulierungen in der Informationsgesellschaft beschäftigt und befasst. Einen schönen guten Morgen!

    Matthias Spielkamp: Guten Morgen, Herr Barenberg!

    Barenberg: Herr Spielkamp, auf den ersten Blick scheint der Vorwurf von Verlagen und Autoren doch plausibel: Google schlägt sich geistiges Eigentum unter den Nagel. Sie haben die Argumentation dieser Kritiker von Google als haarsträubend bezeichnet, warum eigentlich?

    Spielkamp: Also das größte Problem mit dem Heidelberger Appell, der ist ja nun schon älter, wie Sie berichtet haben, war einfach, dass da dieses Google-Booksearch-Projekt und das sogenannte Open Access Publishing in den Wissenschaften in einen Topf geworfen wurde und im Grunde genommen gleichgesetzt. Und das ist ein sehr komplexes Thema, aber die beiden Dinge haben einfach überhaupt nichts miteinander zu tun, weil dieses Open Access Publishing eine Art Selbsterhaltungsbewegung in den Wissenschaften ist, die gesagt haben, wir müssen unsere mit Steuermitteln finanzierten wissenschaftlichen Erkenntnisse allen zur Verfügung stellen und nicht nur irgendwelchen internationalen Großverlagen, die alle Rechte von uns wollen und anschließend müssen die Bibliotheken der Universitäten und der Städte diese sogenannten Scientific Journals wieder zurückkaufen, ebenfalls mit Steuergeld. Und das wurde gleichgesetzt mit diesem Digitalisierungsprogramm von Google, das zu Recht sehr umstritten ist. Also das habe ich auch von Anfang an deutlich gemacht, dass ich jetzt nicht der Ansicht bin, das ist alles in Ordnung so, aber es wurde einfach in dem Heidelberger Appell sehr, sehr unehrlich argumentiert. Zum Beispiel ist ja ganz eindeutig der Eindruck erweckt worden, als sei das illegal, was Google da macht, und das stimmt eben überhaupt nicht, denn nach amerikanischem Recht ist das sehr umstritten. Und es gibt sehr viele amerikanische Rechtswissenschaftler, die sagen, wenn Google damit vor Gericht gegangen wäre, dann wären sie erfolgreich gewesen, sie hätten das gedurft nach amerikanischem Recht, aber sie haben sich eben mit den amerikanischen Autoren und Verlegerverbänden auf einen Vergleich eingelassen. Wenn die das in Deutschland gemacht hätten, wäre das in der Tat nicht rechtens gewesen, aber diese Argumentation, die ist ungefähr so richtig, wie wenn man sagen würde, in Deutschland wird gegen Zensurgesetze verstoßen, weil's die in China gibt.

    Barenberg: Nun ist es aber doch offensichtlich so – das räumen Sie ja auch ein –, dass Google massenhaft Autorenrechte, Urheberrechte verletzt, oder?

    Spielkamp: Nein, das habe ich gerade versucht zu erklären, das ist eben genau nicht so.

    Barenberg: Aber es hat die Folge für die Autoren in Deutschland?

    Spielkamp: Bitte?

    Barenberg: Es hat aber die Folge für die Autoren in Deutschland?

    Spielkamp: Na ja, wie man's nimmt. In verschiedenen Ländern gelten verschiedene Gesetze, und die Firma Google richtet sich nach den Gesetzen, die in den USA gelten. Und dagegen ist eigentlich aus einer juristischen, rechtsstaatlichen, auch politischen Sicht eigentlich überhaupt nichts einzuwenden. Die Frage ist, wie deutsche Autoren dann damit umgehen. Und es ist jetzt auch nicht so, dass ich der Ansicht bin, dass deutsche Autoren zum Beispiel gar nicht ihre Rechte wahrnehmen sollten oder beziehungsweise ihre Interessen wahrnehmen sollten. Und wenn sie der Ansicht sind, dass das für sie sinnvoll ist, zum Beispiel Druck aufbauen, was ja passiert durch ein Einschreiten der VG Wort, durch den sogenannten Amicus Curiae Brief, das ist also eine Stellungnahme der deutschen Bundesregierung durch das Justizministerium. Ich sage nicht, dass das grundsätzlich falsch ist, das zu tun, überhaupt nicht. Es ist nur so, dass man sich einfach vor Augen halten muss, dass diese Vorwürfe zum Beispiel, Google habe Urheberrechte verletzt, deutsche Urheberrechte verletzt, dass die nichts anderes sind als Lobbyismus.

    Barenberg: Wie wird es – mit der Bitte um eine kurze Antwort – ausgehen, wird es demnächst, wird es bald Bücher in dieser Weise öffentlich im Internet geben?

    Spielkamp: Na, ich hoffe das sehr, denn das, was Google vor allen Dingen tun wird, ist, Bücher wieder zur Verfügung zu stellen oder zugänglich zu machen, die jetzt nicht mehr gelesen werden konnten, weil die urheberrechtlich geschützt sind, aber eben die Autoren nicht bekannt beziehungsweise die Rechteinhaber nicht bekannt.

    Barenberg: Vielen Dank, Matthias Spielkamp, für dieses Gespräch. Wir müssen leider zum Ende kommen. Danke!

    www.iRights.info