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Vorwürfe gegen Rosenrevolutionär

Der georgische Präsident Micheil Saakaschwili gilt vielen als eine Art Musterschüler. Nach der sogenannten Rosenrevolution hat er in Georgien radikale Wirtschaftsreformen durchgesetzt und erstmals seit dem Ende der Sowjetunion ernsthaft mit der Korruption aufgeräumt. Die Weltbank kürte Georgien 2006 zum "Reformland Nr. 1". Doch allmählich legt sich Schatten auf den Ruhm des Rosenrevolutionärs. Warum, weiß Gesine Dornblüth.

    Oppositionelle und Menschenrechtler klagen seit geraumer Zeit über den autoritären Führungsstil Saakaschwilis, über Folter in Gefängnissen. Einige nennen Saakaschwili gar einen "Diktator". In der vergangenen Woche nun sorgte ein ehemaliger Weggefährte Saakaschwilis für Aufsehen. Der ehemalige Verteidigungsminister beschuldigte den Präsidenten, der habe vor zwei Jahren einen politischen Mord bei ihm in Auftrag gegeben. Wenige Tage darauf wurde der Ex-Minister verhaftet. Der sieht sich nun als politischen Häftling. Die Opposition fordert Neuwahlen. Beginn einer innenpolitischen Krise, oder nur ein Beleg der niedrigen politischen Kultur in dem Südkaukasusstaat?

    Die Anschuldigungen gegen Präsident Micheil Saakaschwili kamen von Irakli Okruaschwili, dem einstigen Innen- und späteren Verteidigungsminister Georgiens. Vor knapp einem Jahr hatte Saakaschwili ihn nach einem Zerwürfnis entlassen. Vor zwei Wochen nun war der Ex-Minister aus der Versenkung wieder aufgetaucht und hatte die Gründung einer neuen Oppositionspartei angekündigt. Kurz darauf hatte er, am vergangenen Dienstag, in einer Live-Sendung des georgischen Fernsehens die massiven Vorwürfe gegen Präsident Saakaschwili erhoben.

    Am Freitag wurde Okruaschwili verhaftet, offiziell wegen Geldwäsche und Erpressung. Tausende gingen daraufhin im Zentrum der Hauptstadt Tiflis auf die Straße. Die Opposition sieht den verhafteten Okruaschwili als politisches Opfer. Kacha Kukava, Abgeordneter der oppositionellen Konservativen Partei, traut dem Präsidenten einen Auftragsmord zu.

    "Saakaschwili ist ein Mensch ohne politische Werte. Er ist genau wie der Präsident Kasachstans, Nazarbajev, oder Lukaschenko in Weißrussland. Sie tun alles, um an der Macht zu bleiben. Saakaschwili tut alles, was ihm nützt. "

    Beweise für seine Anschuldigungen gegen den Präsidenten lieferte der inzwischen verhaftete Okruaschwili allerdings nicht. Die georgische Opposition beklagt seit langem den autoritären Führungsstil Saakaschwilis. Dessen Partei, die "Nationale Bewegung", dominiert das Parlament mit einer satten Zwei-Drittel-Mehrheit, und auch fast alle Gouverneure und Bürgermeister sind Parteimitglieder. Die Opposition gilt als schwach und hat dem Reformkurs der Regierung nichts Substantielles entgegenzusetzen. Der Oppositionsabgeordnete Kacha Kukava:

    "Saakaschwili war vor der Rosenrevolution ein glühender Demokrat. Er trat für Demokratie, Menschenrechte und Pressefreiheit ein. Seit er Staatsoberhaupt ist, hat er andere Prioritäten. Öffentlich redet er gar nicht mehr von Demokratie oder Menschenrechten, sondern nur noch davon, dass wir eine starke Armee brauchen und eine starke Polizei."

    Der Politikwissenschaftler David Aphrasidze findet diese Vorwürfe überzogen. Die Oppositionsparteien versuchten, aus der Verhaftung Okruaschwilis politisches Kapital zu schlagen - so Aphrasidze. Schon vor Jahren hätten georgische Medien belastendes Material gegen den damaligen Minister Okruaschwili veröffentlicht. Allerdings sei damals nicht ermittelt worden, eben weil Okruaschwili damals noch auf der Seite Saakaschwilis war. Dass die Verhaftung ausgerechnet letzte Woche erfolgte, nach dem politischen Auftritt Okruaschwilis, sei ein Armutszeugnis für die Regierung und Ausdruck der niedrigen politischen Kultur. Viele Georgier sähen sich nun in ihrem Glauben bestätigt, Präsident Saakaschwili mache einfach, was er wolle. Nach dem Motto, "Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns." Aphrasidze:

    "Wir haben realistisch gesehen keine Differenzierung in politischen Kräften, wir haben zu große Mehrheit, wirklich, wir sind noch nicht Demokraten in unseren Seelen, wir sind noch postsowjetische Menschen."

    In der Parteizentrale der "Nationalen Bewegung" versucht man, die Ereignisse der vergangenen Tage herunterzuspielen. Der Abgeordnete Giga Bokeria gilt als zweiter Mann im Staat. Er will von einem autoritären Führungsstil des Präsidenten nichts wissen. Saakaschwili selbst habe vorgeschlagen, die Verfassung dahingehend zu ändern, dass das Parlament wieder mehr Macht erhalte. Und schließlich könne er ja nichts dafür, wenn die Leute ihn und nicht die Opposition wählten.

    "Wenn mich einer fragt, was Georgiens politisches Problem Nummer eins ist, dann ist das die schwache Opposition. Das ist ein Ergebnis der Rosenrevolution: Danach haben die meisten Parteien politischen Selbstmord begangen. Man kann die Menschen nicht dazu zwingen, so oder anders zu wählen. Historisch ist es immer so, dass sich Regierungen nach Krisen lange halten."

    Die nächste Möglichkeit für einen Machtwechsel ist im kommenden Jahr, denn voraussichtlich im Herbst 2008 finden Präsidentenwahlen statt. Sie könnten zu einer Nagelprobe für die Demokratie in Georgien werden. Die Opposition befürchtet schon jetzt, dass Saakaschwili keine fairen Wahlen zulassen wird. Der Politikwissenschaftler David Aphrasidze will sich da nicht festlegen:

    "2008 - das wird wirklich ein Prüfstein sein. Weil 2008 wird nicht so einfach sein für die Regierung, wieder die Mehrheit im Parlament zu gewinnen, und da bin ich auch gespannt. "