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Vorwurf der Geheimdienst-Tätigkeit
Aktenfund belastet Lech Walesa

Die Gerüchte halten sich in Polen schon seit Jahren, jetzt soll ein neues Dokument sie belegen: Der frühere polnische Präsident Lech Walesa soll zu Zeiten der kommunistischen Herrschaft ein bezahlter Informant des Geheimdienstes gewesen sein. Das behauptet das polnische Institut für Nationales Gedenken. Walesa bestreitet die Vorwürfe.

Von Sabine Adler | 18.02.2016
    Der ehemalige polnische Präsident Lech Walesa im Februar 2015.
    Der ehemalige polnische Präsident Lech Walesa im Februar 2015. (picture alliance / dpa / Markus Schreiber)
    Die für Walesa möglicherweise gefährlichen Akten entstammen dem Schrank des ehemaligen Innenministers der Volksrepublik Polen, General Czeslaw Kiszczak.
    Der Chef des polnischen Instituts für Nationales Gedenken Lukasz Kaminski teilte mit:
    "Die durchgesehenen Akten enthalten zwei Ordner. Einen Personal-Ordner und einen Ordner über die Arbeit eines geheimen Mitarbeiters mit dem Pseudonym 'Bolek'. In dem Personalordner befanden sich 90 Seiten. Unter anderem die von Hand geschriebene Verpflichtungserklärung über die Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst - unterschrieben von Lech Walesa, 'Bolek'. Außerdem mit dem Pseudonym 'Bolek' unterschriebene Quittungen über erhaltene Geldsummen. In dem Arbeitsordner, der 297 Blätter umfasst, sind persönliche Berichte des Geheimdienstmitarbeiters 'Bolek', sie sind zum Teil mit der Hand und mit dem Pseudonym 'Bolek' unterschrieben. Sie stammen aus der Zeit 1970 bis 1976."
    Walesa wurde von Spitzelei schon einmal freigesprochen
    Der Verdacht, dass Lech Walesa für den kommunistischen Geheimdienst Polens gespitzelt hat, kursiert seit Jahrzehnten. Für viele Polen ist es kein Verdacht, sondern eine Tatsache, Unklarheit bestand bislang lediglich darüber, wie lange er gespitzelt haben soll, ob von 1970 bis 1976 oder bis 1978. In jedem Fall vor der Gründung der freien Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc.
    Walesa selbst hat die Geheimdiensttätigkeit stets bestritten, auch vor Gericht, mit Erfolg.
    50 Kilogramm Papier, maschinen- und mit der Hand geschriebene Dokumente sowie Fotos, hat das nationale Geschichtsinstitut jetzt aus dem Besitz des Ex-Innenministers der Volksrepublik bekommen. Der kommunistische Amtsträger hatte in der Wendezeit gehandelt wie viele wichtige Spitzenfunktionäre: Er nahm Aktenordner aus seinem Ministerium, dem auch die Geheimdienste unterstanden, einfach mit nach Hause, quasi als eine Versicherung für die eigene Unantastbarkeit, sagen jetzt Kritiker.
    Die Witwe des Generals und Ministers hat jetzt die Akten herausgegeben. Die Ehefrau soll in den vergangenen 14 Tagen immer wieder Gespräche mit drei Mitarbeitern des polnischen Instituts für Nationales Gedächtnis geführt haben. Darin ging es um einen großen Stapel Dokumente und wohl auch um Geld, die Summe von 90.000 Zloty, umgerechnet über 20.000 Euro wurde genannt. Ob die Witwe das Geld gefordert hat oder es ihr angeboten wurde, ist unklar.
    Walesa will sich juristisch wehren
    In Polen wird nun darüber diskutiert, warum so lange geduldet wurde, dass Ex-Amtsträger Akten im Privatbesitz verwalten, ohne dass eine Instanz einschreitet und sie dafür haftbar macht.
    Und ob die Dokumente nun tatsächlich den Nachweis über Walesas Geheimdienstmitarbeit bringen, was für den Vorsitzenden der Partei Recht und Gerechtigkeit Jaroslaw Kaczynski eine späte Genugtuung sein könnte. Seinem Bruder Lech Kaczynski, dem bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Präsidenten, hatte viel daran gelegen, dem Ex-Solidarnosc-Führer dieses dunkle Kapitel in dessen Biografie nachzuweisen.
    Walesa, der sich in Venezuela aufhält, hat in seinem Blog auf die neuerlichen Vorwürfe reagiert: Er werde sich juristisch dagegen wehren, es könnten keine Dokumente gefunden worden sein, da es keine gebe. Aus dem Kreis seiner Solidarnosc-Mitstreiter waren jedoch immer wieder Verdächtigungen geäußert worden, dass Walesa Werftarbeiter ausgehorcht haben soll.