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Voyage surprise
Korrekturvorschläge für ein aufgeblasenes Turnier

Der neue EM-Modus hat Albanien zu Schrödingers Katze gemacht – niemand weiß, ob die Nationalmannschaft im Achtelfinale ist, oder nicht. Deutschland könnte sich schon heute ohne eigenes Zutun qualifizieren. Und in der Partie des Gastgebers treten Zerfallserscheinungen zutage. Hier kommen einige Korrekturvorschläge für den Turniermodus.

Von Victoria Reith | 20.06.2016
    Erst die Trikots, dann der Ball: Der Schweizer Nationalspieler Valon Behrami hält das geplatzte Leder in der Partie Schweiz gegen Frankreich bei der Fußball-Europameisterschaft
    Erst die Trikots, dann der Ball: Der Schweizer Nationalspieler Valon Behrami hält das geplatzte Leder in der Partie Schweiz gegen Frankreich bei der Fußball-Europameisterschaft (picture alliance/dpa - Grigoriy Sisoev)
    Es wurde vielfach geschrieben und gesprochen über die recht absurde Ausweitung der Europameisterschaft auf 24 Mannschaften. Praktisch jeder durfte nach Frankreich fahren (okay, die Holländer sind nicht dabei, und der Europameister von 2004, Griechenland auch nicht). Aber erst gestern Abend, als die erste Gruppe ihre Vorrunde beendete, sickerte bei mir richtig durch, was das bedeutet.
    24 Mannschaften für ein Achtelfinale von 16 Teilnehmern, das geht rechnerisch gar nicht mal so gut auf. Deshalb qualifizieren sich nicht wie bislang nur die Gruppenersten und -Zweiten (das wären ja nur zwölf), sondern auch vier von sechs Gruppendritten.
    Die Albaner sind seit gestern der erste Dritte und wie bei Schrödingers Katze weiß man nicht so genau: Sind sie nun weiter oder sind sie es nicht?
    Die albanische Mannschaft trainiert nun also fröhlich in Frankreich weiter, und erfährt gegebenenfalls erst Mittwochabend, ob sie im Achtelfinale ist, oder nicht. Das wäre sie, sobald zwei Gruppendritte schlechter wären als sie selbst. Deutschland hingegen könnte schon heute weiterkommen. Gruppendritter sind die Deutschen mindestens, Albanien ist bereits ein schlechterer Dritter. Gewinnt nun England gegen die Slowakei, gäbe es noch einen weiteren schlechteren Dritten und Deutschland wäre das Achtelfinale nicht mehr zu nehmen.
    Da mir aufgrund der Turnierarithmetik die Spannung abhandengekommen ist (sofern sie jemals vorhanden war), schlage ich eine erneute Änderung des Turniermodus vor. Und da ich mich nicht als Revisionistin sehe, sondern als progressive Reformerin, möchte ich nicht zurück zu einem Turnier mit 16 Mannschaften.
    32 Mannschaften, keine Qualifikationsrunde
    Meine Idee ist, das Turnier auf 32 Mannschaften zu erweitern. Dann würde die Logik wieder greifen, dass Gruppenerster und -Zweiter sich fürs Achtelfinale qualifizieren, wenn acht statt sechs Gruppen gegeneinander antreten. Das Turnier würde dadurch auch nur unwesentlich länger - wieso zum Beispiel sind für gestern und heute nur jeweils zwei Spiele angesetzt? - Da könnte man noch mehr unterbringen! - Und die Mannschaften könnten sich nicht darauf ausruhen, dass sie ja ohnehin eine recht komfortable Chance aufs Weiterkommen haben.
    Damit allerdings das Turnier nicht weiter aufgebläht wird - und, um im Gegenzug für die von mir eingeladenen weiteren acht Mannschaften Kosten einzusparen, würde ich auf die Qualifikationsphase in ihrer bisherigen Gestalt verzichten.
    Für die Endrunde der Europameisterschaft 2016 haben sich 53 Mannschaften beworben. Um daraus 32 Teilnehmer zu ermitteln, könnte ich mir folgende Alternativen vorstellen:
    • Schere, Stein, Papier (kostengünstiger geht’s nicht mehr)
    • Ein ähnlicher Mechanismus wie beim Eurovision Song Contest (die besten fünf Europas und der Gastgeber werden gesetzt, die übrigen Mannschaften spielen an maximal zwei Abenden um den Einzug ins Turnier. Vielleicht könnte dann auch Australien mal mitmachen, um den Beliebtheitsgrad des Turniers über die Europäischen Grenzen hinweg zu erhöhen)
    • Alle Teams, deren Trikots im Vorfeld des Turniers reißen, werden automatisch disqualifiziert - Achtung Schweiz und Puma, das ist eure letzte Chance zur Qualitätssicherung)
    Falls es jemand verpasst hat: Nicht nur die Trikots mehrerer Schweizer Spieler in der Partie gegen den Gastgeber Frankreich rissen, auch der Ball barst (und da sag noch einer, meine Vorschläge klingen absurd, die Realität ist viel absurder!).
    Jedes Kleinkind weiß, dass die Dinge platzen, wenn man sie zu stark aufpumpt. Ob nun Luftballons, Fahrradreifen oder Fußballturniere.
    Unter "Voyage surprise" (dt.: "Fahrt ins Blaue") bildet die DLF-Sportredaktion in den kommenden Wochen Hintergründiges, Humorvolles, Abseitiges rund um die Europameisterschaft in Frankreich ab.