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VW-Abgasaffäre
Ex-Kommissare wollen vom Betrug nichts gewusst haben

In der VW-Abgasaffäre mussten zwei ehemalige EU-Kommissare aussagen: Im EU-Parlament wehrte sich Ex-Industriekommissar Antonio Tajani gegen den Vorwurf der Rücksichtnahme auf die Automobilbranche. Ex-Umweltkommissar Janez Potocnik gab zu, von erhöhten Werten gewusst zu haben.

05.09.2016
    Bildkombo von Janez Potocnik und Antonio Tajani, jeweils im Porträt
    Janez Potocnik, früherer EU-Umweltkommissar und Antonio Tajani, ehemaliger EU-Industriekommissar, äußern sich vor dem VW-Untersuchungssausschuss in Brüssel. (dpa/picture alliance/EFE/Alejandro Bolivar/EPA/Olivier Hoslet)
    Tajani war von 2008 bis 2014 EU-Industriekommissar und damit auch für die Regulierung der Autobranche zuständig. Potocnik war von 2010 bis 2014 Umweltkommissar - mit Zulassungen für Testverfahren hatte er nichts zu tun. Er war jedoch zuständig für die Einhaltung der Richtlinie für Luftqualität. Der Untersuchungsausschuss wirft der Kommission vor, schon viel früher über die Abgas-Manipulation informiert gewesen zu sein als bisher geglaubt.
    Umweltthemen während der Finanzkrise nicht umsetzbar gewesen?
    Potocnik sagte vor dem Untersuchungsausschuss: "Es war mir klar, dass Diesel-Fahrzeuge sehr viel höhere Schadstoffe freisetzten als während der Testverfahren auf dem Prüfstand. Ich wusste auch um die ungenügenden Testverfahren bei der Messung der Stickoxide bei Dieselfahrzeugen." Seine Versuche, darauf einzuwirken, hätten aber nicht funktioniert: Potocnik schrieb bereits im Februar 2013 einen Brief an seinen damaligen Kommissionskollegen Antonio Tajani - mit der Bitte um Hilfe und Unterstützung. Der ehemalige Industriekommissar habe jedoch lediglich darauf verwiesen, die Zulassungsverfahren spätestens 2017 ändern zu wollen. Aktiv wurde er nicht.
    Potocnik beschrieb außerdem die Schwierigkeiten beim Kampf für Umwelt- und Gesundheitsbelange vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise: "Man muss die Tatsache nicht unter den Teppich kehren, dass das Hauptaugenmerk europäischer Politiker auf der Ankurbelung unserer Wirtschaft lag", erklärte er vor dem Ausschuss. Es sei ein engagierter Auftritt Potocniks gewesen, berichtet DLF-Brüssel-Korresondent Jörg Münchenberg.
    Potocnik: Ausmaß der Betrugsaffäre hat niemand erkannt
    Ähnlich wie Potocnik zog auch Tajani die Wirtschaftskrise für seine Verteidigung heran. Er wehrte sich gegen Vorwürfe, zuviel Rücksicht auf die Automobilbranche genommen zu haben. Im Jahr 2012 hatte er ein Gesetzgebungs-Moratorium für eben diese Branche gefordert. Das sei jedoch vor dem Hintergrund der "tiefen Krise" des Sektors zu sehen, der im fünften Jahr in Folge geschrumpft sei, erklärte Tajani.
    Medienrecherchen zufolge soll Tajani bereits im Sommer 2012 über die Betrugsmethode von einem Insider informiert worden sein - also vor dem Brief von Potocnik. Das wies der Ex-Kommissar aber zurück. Er habe niemals eine solche Information erhalten.
    Potocnik stellte klar: Das Ausmaß der Betrugsaffäre habe niemand in der Kommission erkannt. "Ich wusste nicht, dass ein Autohersteller gezielt betrogen hat, durch die Verwendung einer speziellen Software. Das habe ich erst mit dem VW-Skandal gelernt - und selbst dann konnte ich es nicht glauben, dass sich ein Konzern wie Volkswagen so unverantwortlich und dumm verhalten würde, so etwas zu tun." Die Möglichkeit eines gezielten Betrugs sei niemandem in den Sinn gekommen. Er gab sich aber auch selbstkritisch: Die EU-Kommission hätte sich als Hüterin der Verträge bei solch einem offenkundigen und anhaltenden Verstoß mehr engagieren müssen.
    (cvo/nin)