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VW-Abgasskandal
Die Politik - Lösung oder Teil des Problems?

Die personelle Verflechtung zwischen der deutschen Politik und der Autoindustrie war schon immer eng, das gilt ganz besonders für Volkswagen. Wie eng, zeigt sich gerade am Skandal um manipulierte Abgaswerte. Ob die Verbindung der Industrie genutzt hat, ist mehr als fraglich.

Von Benjamin Dierks | 24.09.2015
    Das Kraftwerk am VW Werk in Wolfsburg (Niedersachsen) zeichnet sich vor dem Abendhimmel ab.
    Weltweit arbeiten bei VW mehr als 600.000 Mitarbeiter, unter anderem in Wolfsburg. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Wer hat was gewusst in der Affäre um manipulierte Abgaswerte bei VW – oder wer hätte was wissen können? Opposition und Lobbywächter erheben schwere Vorwürfe nicht nur gegen die Industrie, sondern auch gegen die Bundesregierung und insbesondere Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Klar ist: Die Bundesregierung wusste, dass deutsche Autos auf der Straße schlechtere Abgaswerte abliefern als bei Testläufen. Und ihr war auch bekannt, dass es jene Abschalteinrichtungen gibt, die VW bei den Abgasmanipulationen in den USA verwendet hat. Das geht aus der Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag vom 28. Juli hervor. Fraktionsvize Oliver Krischer:
    "Im Falle dessen, was jetzt in den USA offenbar geworden ist, dass eine Software benutzt wird, die die Messungen explizit manipuliert, danach haben wir ganz konkret gefragt. Und da antwortet der Verkehrsminister frank und frei, dass ihm das Problem bewusst sei und dass er darüber mit der EU-Kommission gesprochen habe."
    In der Antwort auf die Grünen-Anfrage räumt die Bundesregierung ein, dass solche Abschalteinrichtungen bislang nicht wie gewünscht verhindert würden. Darin stimme sie mit der EU-Kommission überein. Verkehrsminister Dobrindt wies den Vorwurf zurück, dass er vom Einsatz einer solchen Software gewusst habe. Martin Häusler sitzt für die Grünen im Verkehrsausschuss des EU-Parlaments. Ihn überrascht der Einsatz solcher Technik an sich nicht.
    "Überrascht hat eigentlich nur die Dreistigkeit, dass man so eine Abschaltautomatik in die Software einbaut."
    Die deutsche Automobilindustrie sollte keinen Wettbewerbsnachteil haben
    Die Automatik hatte dafür gesorgt, dass die Autos erkennen, ob sie gerade im Testbetrieb oder auf der Straße fahren. Entsprechend wurde der Schadstoffausstoß gedrosselt. Auch in Europa soll solche Technik eingesetzt worden sein, gab der Konzern nun an. Dass grundsätzlich manipuliert wird, war hingegen bekannt. Die Bundesregierung hatte bereits im Herbst 2014 auf ein entsprechendes Mahnschreiben der EU-Kommission geantwortet. Darin schreibt sie, dass auch moderne deutsche Diesel-6-Motoren überhöhte Stickoxidwerte aufwiesen. Die Bundesregierung will aber nicht allein gegen solche Verstöße vorgehen, weil sie befürchtet, damit der deutschen Industrie zu schaden. Schützenhilfe nennt das die Opposition. Das Problem sei ein europäisches, sagt hingegen Martin Burkert. Der SPD-Politiker sitzt dem Verkehrsausschuss im Deutschen Bundestag vor.
    "Wir sind seit vier Jahren damit beschäftigt, einen Systemwechsel in Europa bei der Zulassung, was die Abgase von Fahrzeugen angeht, hinzubekommen. Es ist ein Unterschied, ob ich im Labor Abgase messe oder im aktuellen Straßenverkehr, wenn das Auto ein paar Monate dort unterwegs ist. Das geht aber nur in ganz Europa oder auf Kosten der deutschen Automobilindustrie, die dann Nachteile hätte, wenn wir hier unterschiedlich handeln würden."
    Es geht also darum, der deutschen Automobilindustrie im europäischen Vergleich keinen Wettbewerbsnachteil zu bescheren. Anders herum hat die deutsche Politik sich sehr wohl schon dafür eingesetzt, dass europäische Regeln der deutschen Industrie entgegenkommen, sagt Christina Deckwirth von der Organisation Lobby Control.
    "Zahlreiche personelle Verflechtungen"
    "Bei den Diskussionen um CO2-Grenzwerte, wo es also auch um Abgase ging, gab es einen sehr starken Einfluss der deutschen Politik, die wiederum sehr stark von der deutschen Automobillobby beeinflusst war."
    Die Kanzlerin hatte vor zwei Jahren mit ihrem Veto in letzter Minute verhindert, dass die EU schärfere Beschränkungen für den Ausstoß von Kohlendioxid für Pkw einführt. Lobby Control hält die Automobilindustrie für eine der einflussreichsten Einflussnehmer auf die Politik.
    "Es gibt zahlreiche personelle Verflechtungen, die prominenteste ist sicherlich Matthias Wissmann, der Präsident des Verbands der deutschen Automobilindustrie, also des mächtigsten Verbands der Autobranche, das ist ein früherer Kabinettskollege von Frau Merkel."
    Weitere Überwechsler sind Eckard von Klaeden, früher Staatsminister im Kanzleramt, und Thomas Steg. Der niedersächsische Sozialdemokrat war unter Bundeskanzler Gerhard Schröder wie unter Merkel Regierungssprecher. Die enge Verbindung von Politik und Industrie solle die deutsche Industrie schützen, sagt Grünen-Fraktionsvize Krischer.
    "Die Entwicklung bei VW zeigt jetzt, dass diese Politik ins exakte Gegenteil führt, dass diese Industrie Schaden nimmt."