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VW-Dieselbetrug
Skandal ohne Ende

Vor zwei Jahren wurde einer der größten deutschen Industrie-Skandale der Nachkriegszeit bekannt: Der Autobauer VW hat die Messung des Schadstoffausstoßes bei Dieselfahrzeugen in den USA manipuliert. Es folgten Razzien, Strafzahlungen, Rückrufaktionen - und Diskussionen, die die Bundestagswahl überdauern werden.

Von Nadine Lindner | 18.09.2017
    Abgase strömen aus dem Auspuff eines Fahrzeuges mit Dieselmotor, aufgenommen bei Saarbrücken (Saarland) am 03.08.2017.
    Der Abgas-Skandal um den deutschen Autobauer Volkswagen dauert bis heute an (dpa/Daniel Karmann)
    Es ist ein Freitagabend, an dem einer der größten Industrie-Skandale der Nachkriegszeit in Deutschland seinen Ausgang nimmt. Tagesthemen-Meldung: "Volkswagen drohen in den USA hohe Bußgelder wegen Verstößen gegen ein Klimaschutzgesetz. Die Umweltbehörde EPA wirft dem deutschen Autobauer vor, mit einer speziellen Software die Messung des Schadstoffausstoßes bei Dieselfahrzeugen manipuliert zu haben."
    Am 18. September 2015 war es nur eine kleine Meldung in den Tagesthemen von der - so wird es später deutlich - selbst VW-Aufsichtsrats-Mitglieder nicht 100-prozentig wussten, wie sie sie einordnen sollten. Es geht weiter am 20. September: Meldung: "Der VW-Konzern hat massive Manipulationen bei Abgas-Tests in den USA eingeräumt. Die Vorwürfe der EU-Umweltbehörde träfen zu, sagte heute ein Sprecher in Wolfsburg."
    Am 25. September wird das Ausmaß langsam deutlich, der langjährige VW-Chef Martin Winterkorn muss gehen. Matthias Müller folgt. Winterkorn wird später vor dem Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestags aussagen, von den illegalen Manipulationen vor Auffliegen nichts gewusst zu haben.
    Razzien, Strafzahlungen, Rückrufaktion
    Es folgen erstens: Razzien der Staatsanwaltschaft in Wolfsburg und anderen Standorten. Happige Strafzahlungen in den USA, im Frühjahr 2016 fährt der Konzern den größten Verlust aller Zeiten ein.
    Zweitens: Eine Untersuchungskommission im Verkehrsministerium, die später eine verpflichtende Rückrufaktion für 2,4 Millionen VW-Fahrzeuge anordnet, für 630.000 Autos anderer Hersteller bieten die Autobauer freiwillige Updates an, die noch nicht abgeschlossen sind, ausgeweitet werden sollen.
    Drittens: Hat der Staat versagt, haben Regierung und Behörden durch konsequentes Wegschauen den Skandal erst möglich gemacht? Mit diesen Fragen hat sich ein Untersuchungsausschuss des Bundestags befasst. Am Ende bleiben verhärtete Fronten:
    Ulrich Lange: "Der Ausschuss hat eines klar hervorgebracht, dass die Bundesregierung keine Kenntnis von den Manipulationen hatte." - Oliver Krischer: "Lieber Uli Lange, ihre Rede hat wieder mal gezeigt, wie das Wegdrücken der Probleme geht, sie wollen einfach nicht das wahrhaben, was sie regeln müssen und sie versuchen das auszusitzen." Die Abgeordneten Ulrich Lange, CSU, Oliver Krischer, Grüne exemplarisch.
    Merkel: "Ich bin stocksauer"
    Die Kanzlerin mischt sich nun zunehmend aktiver - und ungewohnt emotional in die Debatte ein - so im TV-Duell: "Ich bin entsetzt, ich bin stocksauer." Zur Eröffnung der Automesse IAA vor wenigen Tagen knöpfte sie sich die Industrie noch einmal vor. "Heute, zwei Jahre später, bleibt festzuhalten: Unternehmen der Automobil-Industrie haben Regelungslücken exzessiv ausgenutzt. Sie haben sich damit nicht nur selbst Schaden zugefügt, sondern vor allem auch Verbraucher und Behörden getäuscht und enttäuscht."
    Um kurz darauf zu betonen, wie wichtig die Autobranche für die deutsche Wirtschaft ist, es sei eine Schlüsselindustrie. "870.000 Beschäftige erwirtschaften einen Umsatz von weit über 400 Milliarden Euro." Innerhalb ihrer Bundesregierung - so zeigt sich kurz vor der Wahl - gibt es nach wie vor keine Einigkeit bei der Strategie.
    Software-Update oder Fahrverbot?
    Auf einem Diesel-Gipfel von Bund, Ländern und Herstellern Anfang August wurden Software-Updates, Rückkauf-Prämien der Hersteller und ein Mobilitätsfonds beschlossen. Doch reichen Software-Updates von geplant insgesamt fünf Millionen Wagen aus, um gerichtlich angeordnete Fahrverbote wegen zu hohen Stickoxid-Werten zu vermeiden? Oder sind technische Umbauten nötig? Die Konfliktlinie verläuft zwischen Verkehrsminister und Umweltministerium.
    Verkehrsminister Alexander Dobrindt: "Wir haben Software-Manipulationen. Und ich muss darauf bestehen, dass die Manipulationen auch behoben werden und aus den Fahrzeugen rauskommen. Deswegen muss die Software optimiert werden und damit auch der NoX-Ausstoß reduziert." - Umweltministerin Babara Hendricks: "Es wird nicht ausreichen. Um sicher zu sein, dass wir Fahrverboten vermeiden können, denn darum geht es ja."
    Im November folgt der nächste Diesel-Gipfel. Das Thema Abgas-Skandal und seine Folgen wird den Wahltag überdauern. Egal, welche Bundesregierung künftig am Steuer sein wird.