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"VW-Gesetz verstößt gegen Europarecht"

Das VW-Gesetz verstößt nach Einschätzung des FDP-Politikers Alexander Graf Lambsdorff gegen das Europarecht. Die allgemein übliche Sperrminorität eines Aktionärs liege bei 25 Prozent, sagte der EU-Parlamentarier. Das Land Niedersachsen halte aber nur gut 20 Prozent der Aktien und bestehe dennoch auf seinem Vetorecht. Ein Grund für die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit von Volkswagen sehe er in der Landesbeteiligung am Unternehmen. "Der Staat hat sich aus solchen Unternehmen am besten rauszuhalten", so der FDP-Politiker.

Alexander Graf Lambsdorff im Gespräch mit Jochen Fischer |
    Alexander Graf Lambsdorff: Ja, schönen guten Morgen, Herr Fischer!

    Jochen Fischer: Die Frage war gut oder schlecht? Darf Niedersachsen mit nur 20 Prozent Anteilen bei VW sein Veto gegen wichtige unternehmerische Entscheidungen einlegen?

    Graf Lambsdorff: Die Antwort ist ganz klar. Das darf das Land Niedersachsen nicht nach dem Europarecht. An das Europarecht sind alle Länder gebunden in der Europäischen Union, nicht nur Deutschland, auch nicht nur Niedersachsen. Das ist eine Sonderregelung, die den Staat hier bevorzugt als Aktionär mit 20,4 Prozent. Das ist insofern, passt das nicht in die Landschaft. Wir müssen uns nur mal vorstellen, wie es denn gewesen wäre, wenn Spanien einen Seat-Gesetz oder die Tschechoslowakei damals noch ein Skoda-Gesetz gehabt hätte, dann würden diese Marken heute nicht zum Volkswagen-Konzern gehören. Schon daran sieht man, dass eine solche Sonderregelung einfach nicht zu vereinbaren ist mit europäischem Recht.

    Fischer: Ministerpräsident Wulff in Niedersachsen hat mit Hinweis auf § 179 Aktiengesetz gesagt, dass das hergebe. Er interpretiert das anders als Sie jetzt.

    Graf Lambsdorff: Na ja, ich meine, was geht, was nationales Recht ist, ist eine Sperrminorität festzulegen. Die liegt in Deutschland bei 25 Prozent für alle Unternehmen. Wenn Niedersachsen 25 Prozent halten würde, dann wäre es ein normaler Aktionär mit einer Sperrminorität, dann würde niemand sich darüber beklagen können. Da aber Niedersachsen weniger hält als den allgemeingültigen Anteil für eine Sperrminorität, ist es eine rechtliche Sonderregelung, ein VW-Gesetz, ein Niedersachsen-Gesetz, wenn man so will. Und dann geht es eben nicht und ist nicht zu vereinbaren mit dem europäischen Recht.

    Fischer: Sollte Niedersachsen Aktien dazukaufen, bis die 25 Prozent erreicht sind?

    Graf Lambsdorff: Das ist eine Entscheidung der Landesregierung von Niedersachsen. Meine persönliche Auffassung dazu ist natürlich, dass sich der Staat aus solchen Unternehmen am besten rauszuhalten hat. Unternehmen, die in Privateigentum sind, operieren am Markt normalerweise erfolgreicher als Staatsunternehmen. Aber wie gesagt, rechtlich gesehen hat das Land Niedersachsen hierzu die Möglichkeit.

    Fischer: Bis jetzt ist VW ja, im Moment fährt VW ja ganz gut mit der Staatsbeteiligung. Sie könnten sagen jetzt natürlich, trotz der Staatsbeteiligung, auch im Ergebnis zeigen die Indikatoren doch nach oben. Warum die Aufregung?

    Graf Lambsdorff: Gut, da kann man drüber streiten, ob die Indikatoren bei VW nach oben zeigen. Volkswagen hat ja nun einige Probleme auch im Unternehmen, was die Effizienz angeht. Die VW-Vorstände verweisen ja immer darauf, auch die VW-Arbeitnehmer verweisen immer darauf, dass bei Volkswagen zwölfmal so viele Menschen arbeiten wie bei Porsche, deswegen Porsche nicht die entsprechenden Rechte haben dürfte, was die Mitbestimmung angeht, was die Kontrolle des Konzerns angeht. Wenn man sich aber klarmacht, dass mit zwölfmal so viel Menschen nur sechsmal so viel Autos gebaut werden, sieht man schon, dass hier ein Effizienzproblem vorliegt. Ich glaube in der Tat, und ich muss sagen, ich kann die Sorge der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer da zum Teil auch verstehen, dass bei Volkswagen noch was passieren muss, was die Effizienzsteigerung angeht. Das ist schon so.

    Und ich glaube, dass die Ineffizienz, die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit von Volkswagen auch einen Grund darin hat, dass eben der Staat daran beteiligt ist, dass die Arbeitnehmerrechte so stark ausgebaut sind, dass es nicht gelungen ist, das Unternehmen fit zu machen für den Markt des 21. Jahrhunderts. Schauen Sie, ich meine, ich will es nur kurz ergänzen. Der neue Golf ist gerade wieder auf den Markt gekommen. Es heißt jetzt allgemein, und das ist auch eine Stellungnahme von Volkswagen selber, dass das Schicksal des Konzerns an diesem Modell hänge. Das kann es ja nicht sein, dass jedes Mal, wenn ein neuer Golf rauskommt, das Schicksal des gesamten Konzerns da dranhängt.

    Fischer: Noch mal zurückzukommen zu Ihrem Modellvergleich. Dazu muss man aber auch sagen, dass der Porsche etwa fünfmal so teuer ist im Einzelmodell als der von Ihnen angesprochene Golf. Aber um noch mal zurückzukommen zu der Aktienmehrheit bei Volkswagen. Es wird ja niemand daran gehindert, Aktien zu kaufen. Man kann sie unbeschränkt kaufen. Das sieht man ja eben am Engagement von Porsche. Die machen das doch, um vom Erfolg von VW zu profitieren?

    Graf Lambsdorff: Die machen das, um vom Erfolg von VW zu profitieren, sie machen es auch, um in die erste Liga der Autohersteller aufzusteigen und ein Hersteller zu werden, der die gesamte Palette von Fahrzeugen, vom Kleinwagen bis zum Luxusauto abzudecken. Weg von der Nischenherstellerpositionierung hin zu einer Positionierung als Universalautobauer. Das ist eine Konzernentscheidung. Da hat auch die Politik eigentlich sich nicht reinzuhängen. Das sind Dinge, die müssen Porsche-Vorstand und Aufsichtsrat entscheiden und dann eben gemeinsam mit Volkswagen-Vorstand und Aufsichtsrat eine Unternehmensstrategie entwickeln. Der entscheidende Punkt hier ist Folgender. Solange es eine Sonderregelung gibt, und die gibt es nach wie vor, auch nach dem neuen Volkswagengesetz für das Land Niedersachsen und Sachsen, mit einer Sperrminorität, die abweicht von der allgemeinen Regelung, hat die Kommission immer ein Druckmittel, mit dem sie gegen Volkswagen vorgehen kann. Und die Kommission geht ja und das muss man dabei wissen, nicht gegen ein einzelnes Unternehmen vor, sondern sie wird vorgehen gegen die Bundesregierung als Mitgliedsstaat der Europäischen Union, und dann kann es hingehen bis zu Zwangsgeldern. Und ich glaube, das ist der Punkt, wo wir uns ganz klar sein müssen. Es kann nicht sein, dass wir mit Steuergeldern Strafe zahlen müssen an Brüssel, weil Niedersachsen seinen Einfluss bei Volkswagen behalten möchte. Ich glaube, da ist ein Umgang mit Steuermitteln, der uns da bevorsteht, den keiner sich wünschen kann.

    Fischer: Denn ein Kommissar McGreevy hält ja auch das neue Gesetz für nicht EU-konform. Sie treten ihm da bei, unterstützen Sie ihn auch in der Klage?

    Graf Lambsdorff: Nun, ich denke, dass er einen wichtigen Punkt hat, eine abweichende Regelung, das ist ein starker rechtlicher Punkt. Der Europäische Gerichtshof hat ja bereits entschieden, dass dieser Punkt rechtswidrig ist. Die Bundesregierung ist dann hingegangen und hat sich einfach geweigert, diesen Punkt zu ändern. Man darf sich dann nicht wundern, wenn die Kommission in einer zweiten Runde hingeht und noch mal vor Gericht zieht, wenn ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht so umgesetzt wird, wie das vorgeschrieben ist. Dann hat die Kommission einen starken Punkt. Insofern war die Klage zu erwarten, sie ist auch zu unterstützen, weil sie nun offenkundig schon einmal diskutiert worden ist vom Gericht. Ja, insofern ist die Klage zu unterstützen.

    Fischer: Ministerpräsident Wulff sagt, die Mängel, die in dem ersten Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof festgestellt worden waren, seien mit dem Entwurf des VW-Gesetzes abgestellt. Insbesondere hat das Gericht damals ja die Stimmrechtsbeschränkung verworfen, die besagt, dass egal wie viel man bei Volkswagen hält, man höchstens für 20 Prozent abstimmen darf. Das werde geändert und Wulff sieht jetzt einer gerichtlichen Auseinandersetzung gelassen entgegen, und er ist nicht der Einzige.

    Graf Lambsdorff: Richtig ist, dass Ministerpräsident Wulff auf diesen Punkt hinweist. Auf der anderen Seite sind drei Punkte beanstandet worden vom Europäischen Gerichtshof, von denen sind nur zwei geändert worden durch das VW-Gesetz. Der dritte Punkt ist eben, die Sperrminorität schon bei 20 Prozent anzusetzen. Das ist angesichts der Tatsache, dass Niedersachsen 20,4 Prozent der Aktien hält, eine Lex Niedersachsen, wenn man so möchte. Vor Gericht ist man, das wissen auch alle, in Gottes Hand, wie auf hoher See auch. Wie der Europäischer Gerichtshof entscheidet, wird man sehen. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass er so entscheidet, wie die Europäische Kommission sich das wünscht, nach meiner Einschätzung deutlich höher, als dass er so entscheidet, wie Ministerpräsident Wulff sich das wünscht.

    Fischer: Die Gewerkschaften befürchten ja nun ein neues, von Porsche dominiertes Unternehmen Volkswagen. Dort würden sie ihre Arbeitnehmerrechte verlieren, sie würden den Bach runtergehen, Opfer werden von Wirtschaftlichkeitsentscheidungen à la Nokia, wir haben es eben gehört am Anfang unseres Gespräches. Können Sie den Mitarbeitern die Ängste nehmen?

    Graf Lambsdorff: Nein. Ich glaube, das sollte die Politik auch nicht tun. Ein Unternehmen muss sich erfolgreich am Markt bewegen, muss gute Modelle auf den Markt bringen, muss eine entsprechende Kapitalrendite erwirtschaften. Das gilt für alle Unternehmen. Wo man allerdings den Arbeitnehmern die Angst nehmen kann, ist bei der Frage von Betriebsverlagerungen à la Nokia, die ja nun von Bochum weitergezogen sind nach Rumänien. Der VW-Konzern stellt andere Produkte her, Produkte mit einer viel höheren Komplexität, als dass bei Handys der Fall ist. So leicht wird man da die Fabriken nicht verlagern können. Im Übrigen ist ja Volkswagen längst ein europäisches Unternehmen mit verschiedenen Produktionsstätten, mit Zulieferern in der ganzen Europäischen Union und auch mit Zuliefern, die außerhalb der Europäischen Union angesiedelt sind. Volkswagen ist im Prinzip so aufgestellt, dass es bereits die Verlagerung vorgenommen hat. Ich glaube nicht, dass es zu einem Szenario à la Nokia oder Siemens kommen wird, was die Handysparte angeht. Der Vergleich hinkt, einfach weil die Produkte nicht vergleichbar sind.

    Fischer: Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Abgeordneter im Europa-Parlament zu den Diskussionen um das VW-Gesetz. Vielen Dank!

    Graf Lambsdorff: Auf Wiederhören!