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Wachstum ermöglicht "gesunde Finanzen der öffentlichen Hand"

Im Steuerstreit mit den unionsgeführten Bundesländern hat der FDP-Finanzpolitiker Carl-Ludwig Thiele es abgelehnt, das Paket der geplanten Milliardenentlastungen erneut aufzuschnüren.

Carl-Ludwig Thiele im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Keine vorweihnachtliche Ruhe im Kabinett. Nach den Chaostagen um Franz-Josef Jung sorgen nun die Landesfürsten der Union für Missstimmung bei der Kanzlerin. Der Steuerstreit eskaliert, hart in der Sache und laut im Ton. Ein Teil der Ministerpräsidenten stellt sich quer und will angesichts leerer Landeskassen die geplanten Milliardenentlastungen nicht mittragen. Vor allem die CDU/FDP-Koalition in Schleswig-Holstein mit Peter Harry Carstensen hat offen Widerstand angekündigt. Doch ohne die geschlossene Zustimmung der schwarz-gelben Landesregierungen im Bundesrat wird das Steuerpaket der Koalition scheitern. Noch in dieser Woche ist ein Krisengipfel in Berlin geplant. Carl-Ludwig Thiele, finanzpolitischer Sprecher der FDP, hat Ihr Parteichef Guido Westerwelle schon ein ernstes Wort mit Ihren Parteifreunden in Kiel geredet?

    Carl-Ludwig Thiele: Ich glaube, man muss erst einmal klarstellen: Wir sind jetzt gerade zwei Monate nach der Bundestagswahl. Die Koalition hat sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt und die Sofortmaßnahmen, auf die wir uns geeinigt haben, sollen in dieser Woche vom Finanzausschuss des Deutschen Bundestages und vom Bundestag beschlossen werden. Das ist momentan die Aufgabe. Parallel muss natürlich mit den Ländern gesprochen werden, damit die Zustimmung zu dem Gesetz auch im Bundesrat am 18. Dezember sichergestellt wird.

    Heinlein: Warum hat man denn bisher versäumt, mit den Ländern, mit den Ministerpräsidenten zu reden?

    Thiele: Gespräche gab es schon, wobei es nicht unsere Aufgabe ist, mit den Ministerpräsidenten direkt zu sprechen, aber auch dort gab es Gespräche, es gab Gespräche mit dem Bundesfinanzminister und den Finanzministern der unionsgeführten Länder. Gespräche sind da, aber auch in anderen Gesetzgebungsverfahren in der Vergangenheit hat es Gespräche geben müssen, weil nicht alle Interessen und Ansichten der Länder und des Bundes zwingend deckungsgleich sind.

    Heinlein: Aber offensichtlich, Herr Thiele, haben Sie Ihren Parteifreund Wolfgang Kubicki in Kiel in diesen Gesprächen bisher nicht überzeugen können?

    Thiele: Die Gespräche wurden geführt, sie werden weiter geführt und, ich sage mal, der Bundesrat entscheidet nicht diese Woche, sondern diese Woche entscheidet der Bundestag. Aber eines ist vollkommen klar: Diese Koalition hat einen klaren Vertrag geschlossen, der Vertrag muss eingehalten werden von Union und FDP und dieser Vertrag ist auch auf Sonderparteitagen von Union und FDP einstimmig angenommen worden, sodass er eben auch gilt.

    Heinlein: Aber die CDU-Ministerpräsidenten waren nicht Teil der Koalitionsverhandlungen?

    Thiele: Ein großer Teil der Ministerpräsidenten war Teil der Koalitionsverhandlungen und es haben auch Ministerpräsidenten den Vertrag unterschrieben. Aber gleichwohl: Die Union wie auch die FDP ist vor die Bürger mit einem Wahlprogramm getreten, in dem gesagt wird, wir wollen die Bürger entlasten, wir wollen die Leistungsträger in unserer Nation entlasten, und das, was im Wahlkampf versprochen wurde, muss auch nach der Wahl durchgesetzt werden. Das ist, glaube ich, ganz klar und ist auch wichtig, um die einheitliche Linie der Partei, die im Bundestagswahlkampf sowohl bei Union wie FDP gehalten hat, dann auch direkt so umzusetzen, wie es den Wählern versprochen wurde.

    Heinlein: Will die FDP ihre Wahlversprechen also auf dem Rücken der Länder erfüllen?

    Thiele: Nein, überhaupt nicht. Aber wenn wir sehen, wir sind immer noch in der stärksten Wirtschafts- und Finanzkrise unseres Landes, wir werden in diesem Jahr ein Minuswachstum von fast fünf Prozent erreichen, wir sind noch nicht über den Berg und da ist es zwingend erforderlich, die Wachstumskräfte in unserem Land zu stärken. Das ist die Voraussetzung, dass mehr Arbeitsplätze bestehen bleiben können und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist zentrales Anliegen, denn ohne Wachstum sind auch die Haushalte der Länder nicht in den Griff zu kriegen. Wir benötigen dafür Wachstum und insofern sollte man anerkennen, dass in diesem Gesetz deutliche Wachstumsimpulse gesetzt werden.

    Heinlein: Warum, Herr Thiele, ist es denn gut für das Wachstum in den Ländern, wenn künftig Hotelzimmer billiger werden?

    Thiele: Weil an der Stelle es eine internationale Wettbewerbsungleichheit, die wir an der Stelle beseitigen wollen. Das ist vereinbart. Aber es sind andere Bereiche ja auch drin. Es wird insbesondere für Familien, insbesondere auch für erwerbstätige Familien Kindergeld erhöht und das ist eine ausgesprochen wichtige Maßnahme, weil bei Erwerbstätigen sich Arbeit weiter lohnen muss. Insbesondere bei Bürgern mit niedrigem Einkommen und steigender Kinderzahl ist der Abstand zwischen den Nichterwerbstätigen, denen der Staat das Existenzminimum auch für die Kinder in bar zahlt, nicht ausreichend. Dieses wollen wir verbessern und da kann ich wirklich nur auch an die Kolleginnen und Kollegen der Länder appellieren, diese Maßnahme als zentral anzusehen und nicht durch die Anrufung eines Vermittlungsausschusses zu blockieren.

    Heinlein: Im Fokus der Kritik, Herr Thiele, stehen ja vor allem diese geplanten Steuerentlastungen für Hotels. Warum kann dieser Teil nicht verschoben werden? Diesen Vorschlag gibt es ja bereits.

    Thiele: Weil dieser Teil vereinbart wurde und wenn Vereinbarungen geschlossen wurden, dann sollten sie auch gehalten werden, insbesondere wenn die Koalitionsverhandlungen noch gar nicht so lange her sind und man sich einvernehmlich auf solche Maßnahmen geeinigt hat. Dann sollten diese Einigungen auch durchgesetzt werden.

    Heinlein: Sie sind trotz der Kritik Ihrer Parteifreunde in Kiel also nicht bereit, dieses Paket noch einmal aufzuschnüren?

    Thiele: Nein! Es ist ja verhandelt worden, es ist in den Gremien behandelt worden, es ist zugestimmt worden und es basiert letztlich auf dem Wahlprogramm und damit sind die Parteien auch in Schleswig-Holstein vor die Wähler getreten und insofern gilt, dass die Verträge, die geschlossen wurden, jetzt auch einzuhalten sind.

    Heinlein: Haben Sie denn Vorschläge für Peter Harry Carstensen und Wolfgang Kubicki, wie die Steuermindereinnahmen für Kiel in Höhe von geschätzten 70 Millionen Euro kompensiert werden können?

    Thiele: Wenn Sie sich einmal anschauen, wie natürlich die Wirtschafts- und Finanzkrise sich in den privaten Haushalten niederschlägt, durch Kurzarbeit, durch den Verlust von Arbeitsplätzen, dann muss man eben wirklich sagen, wir brauchen Wachstum. Mir hat der Staatssekretär der SPD während der Bundestagswahl noch geantwortet, dass ein Prozent mehr Wachstum bedeutet 5,5 Milliarden mehr Steuereinnahmen pro Jahr und 3,5 Milliarden mehr Sozialeinnahmen pro Jahr. Dann ist dieses zentral und da kann ich nur an die Länder appellieren, alles daran zu setzen, dass das Wachstum in unserem Land wieder kommt, dass es wieder stabiler wird, weil das auch die Voraussetzungen für gesunde Finanzen der öffentlichen Hand sind.

    Heinlein: Also Peter Harry Carstensen muss sich keine Sorge machen, die Konjunktur wird auch in Schleswig-Holstein anspringen, weil es mehr Kindergeld gibt und die Hotelzimmer billiger werden?

    Thiele: Natürlich! Es ist ja nicht der einzige Bereich. Es sind Korrekturen in der Unternehmenssteuerreform, die aus Sicht der FDP in vielen Bereichen komplett verkorkst ist, aber erste notwendige Korrekturen sind in dem Gesetz enthalten, denn es kann ja nicht sein, dass Kosten Bemessungsgrundlage für Steuern werden und damit Betriebe, die keine Gewinne erwirtschaften, auf diese Kosten sogar noch Steuern zu zahlen haben mit der Folge, dass das Kapital der Unternehmen leidet und sie erheblich krisenanfälliger werden. Das ist ein Unsinn, der ist auch in dem Gesetz und muss in dem Gesetz geändert werden. Ein zweiter Punkt: die Erbschaftssteuer wird reformiert. Jetzt gibt es einen eigenständigen Tarif für Geschwister, der besser ist als die derzeitige Rechtslage der Großen Koalition. Auch bei der Fortführung von Unternehmen im Erbschaftsfall sind deutliche Verbesserungen, weil die derzeitigen Regelungen der Großen Koalition so gar nicht praktikabel sind und krisenverschärfend wirken.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der finanzpolitische Sprecher der FDP, Carl-Ludwig Thiele. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Thiele: Gerne! Einen schönen Tag, Herr Heinlein.