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Wahl der EU-Kommission
EU-Parlament soll von der Leyens Team bestätigen

Exakt 134 Tage nach der Wahl von Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin steht heute die Abstimmung des EU-Parlaments über ihr Personal auf der Tagesordnung - dann kann von der Leyen endlich loslegen. Die erste Frau an der Kommissionsspitze hat für ihre Amtszeit drei Kernaufgaben ausgemacht.

Von Bettina Klein | 27.11.2019
Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 10.09.2019 in Brüssel bei der Vorstellung ihrer neuen EU-Kommisssare.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (picture alliance/ Nicolas Landemard / Le Pictorium/ MAXPPP)
Es ist der offenkundigste Unterschied zu allen bisherigen EU Kommissionen, und Ursula von der Leyen hat ihn selbst zum Thema gemacht, als sie am 16. Juli in Straßburg um die Stimmen der Abgeordneten warb: 40 Jahre nach Simone Veil, der ersten Parlamentspräsidentin, steht eine Frau zur Wahl für den Chefposten der Kommission, verkündete sie voller Stolz.
Globales Umfeld prägt neue Kommission
Die Gendergerechtigkeit war dann auch eines ihrer Ziele. So liegt der Anteil von Frauen in der neuen Kommission bei 12 zu 15 - das sind, immerhin, 44 Prozent. Doch es ist das globale Umfeld, das diese Kommission vor allem von der vorherigen unterscheiden wird. Nicht mehr geht es in erster Linie um innereuropäische Zielstellungen und Verfeinerungen vom Projekt Europa, sondern zunehmend auch um globale Fragen und darum wie Europa sich in der Welt sich positioniert.
"Wer mit mir dieses Europa stärken, wachsen und blühen lassen will, hat mich als leidenschaftliche Kämpferin an seiner oder ihrer Seite. Wer aber dieses Europa schwächen, spalten und ihm seine Werte nehmen will, der findet in mir eine erbitterte Gegnerin."
Von der Leyens Worten im Juli war noch die Sorge über ein auseinanderbrechendes Europa anzuhören, dass bis zur Europawahl die Diskussionen dominierte. Die neue Kommission anno 2019 spiegelt auch den fundamentalen Wandel wieder, den Europa und vor allem die westliche Welt in den vergangenen fünf Jahren durchlebt hat. Der Zulauf für Populisten und Nationalisten, für die die Stichworte Brexit und Trump-Wahl zum Symbol wurden, hat den Fokus stärker auf dahinter liegende Probleme gerichtet. Allen voran die fortschreitende Globalisierung, die Digitalisierung, aber auch der Klimawandel und seine Folgen.
Das Foto zeigt Ursula von der Leyen.
Die neue EU-Kommission - Von der Leyens Team für Europa
Die Zusammensetzung der neuen EU-Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen steht: 15 Männer und elf Frauen sollen ab dem 1. Dezember die Spitzenposten in Europa übernehmen.
Von der Leyens Antwort sind sechs Leitlinien – die sie so formuliert hat:
Ein europäischer Grüner Deal. Eine Wirtschaft, deren Rechnung für die Menschen aufgeht. Ein Europa, das für das digitale Zeitalter gerüstet ist. Schützen, was Europa ausmacht. Ein stärkeres Europa in der Welt. Neuer Schwung für die Demokratie in Europa.
Mit einer Bündelung von Kompetenzen in der Kommission will die neue den Weg der alten fortschreiben. Aber es kommen weitere Elemente hinzu. Drei exekutive Vizepräsidenten die es vorher nicht gab mit besonderen Befugnissen. Jeweils zuständig für die drei Kernaufgaben Green Deal, Digitalisierung und Wirtschaft. Nahezu alle Themen sind jeweils einem Vizepräsidenten und einem weiteren Kommissar zugedacht.
Balanceakt zwischen Rat und Parlament
Ohnehin wird auch diese Kommission nicht wie eine Regierung arbeiten können. Ein Missverständnis, dass sich durch die bis jetzt sehr stabilen Verhältnisse eingeschlichen hat, wo Christdemokraten und Sozialdemokraten in einer Art informellen großen Koalition das Europäische Parlament quasi kontrolliert haben, sagte Josef Janning von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations:
"Das hat ein wenig die Vorstellung genährt, als sei die Kommission so etwas wie eine Regierung nur auf europäischer Ebene. Und das ist sie ja eigentlich nicht."
Von der Leyen wird stattdessen einen Balanceakt zwischen dem Rat der Mitgliedstaaten einerseits und einem jetzt viel diverseren Parlament andererseits hinbekommen müssen. Ein Parlament das zudem durch das gescheiterte Spitzenkandidatenprinzip Wunden davon getragen hat. Die Grünen, die von der Leyen im Juli noch abgelehnt haben, wollen sich heute nur noch enthalten. Die deutschen Sozialdemokraten versprechen sogar ein überwiegendes Votum für sie.
Hoffen auf wenig Abweichler
Die Erwartungen an sie von Seiten der Staaten werden sich im Alltag der Kommissionsarbeit wohl abschleifen, glaubt Josef Janning. Zu vielfältig sind die Themen, zu komplex sind die verschiedenen Handlungsstränge, als dass einzelne Länder genügend Druck auf die Kommissionspräsidentin aufbauen könnten:
"Und ich glaube, dass das auch für den französischen Präsidenten Macron gilt, dessen kraftvolle Ankündigungen in der europäischen Politik ja auch sonst nicht die Wirkung entfalten oder die Reaktionen auslösen, die er gerne sehen würde."
Die Bestätigung der Kommission heute Mittag ist jedenfalls nicht mehr geheim. wie noch die Wahl Ursula von der Leyens im Juli. Ihr Unterstützer hoffen, dass dies die Zahl der Abweichler in den eigenen Reihen in Grenzen halten wird.