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Wahl in den Niederlanden
"Holland hat ein positives Signal gesendet"

Der in den Niederlanden geborene CDU-Bundestagsabgeordnete Kees de Vries hat das Wahlergebnis in seinem Heimatland begrüßt. Es habe sich gezeigt, dass sich die Wähler, wenn es wirklich darauf ankommt, ihrer Verantwortung bewusst seien, sagte er im Deutschlandfunk. Das sei auch ein positives Signal für Europa.

Kees de Vries im Gespräch mit Jasper Barenberg | 16.03.2017
    Der gebürtige Niederländer und CDU-Politiker Kees de Vries
    Kees de Vries (picture-alliance / dpa / Jan Woitas)
    Die niederländischen Wähler hätten klar und deutlich gezeigt, dass die rechtspopulistische PVV von Geert Wilders trotz aller Probleme keine Alternative sei, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Kees de Vries im Deutschlandfunk. Auch Wähler, die möglicherweise Sympathien für einige Forderungen von Wilders hätten, hätten sich dann in der Wahlkabine für Kontinuität und Stabilität entschieden. "Wir sind uns doch bewusst, dass Europa ein Erfolgsmodell ist, das nicht scheitern darf an Populisten wie Geert Wilders."

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Mitgehört hat der CDU-Bundestagsabgeordnete Kees de Vries, in den Niederlanden geboren, inzwischen in Sachsen-Anhalt zuhause und Bundestagsabgeordneter der CDU. Schönen guten Morgen.
    Kees de Vries: Guten Morgen, Herr Barenberg.
    Barenberg: Mark Rutte hat ja von einer Wegmarke gesprochen für die Niederlande, aber auch für Europa. Zurecht?
    de Vries: Ja, kann man so sagen. Die Holländer haben klar und deutlich gezeigt, dass bei allen Problemen die PVV in Holland oder die Rechtspopulisten keine Alternative sind. Es gibt nun mal keine einfachen Antworten auf schwierige Probleme.
    Barenberg: Aber hat Sie der Ausgang jetzt nicht doch ein wenig überrascht? Denn lange sah es ja wirklich ganz anders aus.
    "Das wichtigste doch ist die Demokratie und die europäische Einheit"
    de Vries: Wirklich überrascht bin ich nicht. Das hat sich vor zwei Jahren in Frankreich schon angedeutet. Ich vermute, das wird bei uns auch kommen. Wenn es wirklich darauf ankommt, dann ist der Wähler sich schon seiner Verantwortung bewusst. Und was die Holländer auch klar und deutlich ausgesprochen haben und das erwarte ich bei uns auch: Wir sind uns doch bewusst, dass Europa ein Erfolgsmodell ist, das nicht scheitern darf an Populisten wie Geert Wilders.
    Barenberg: Das wäre auch dieses Bild, was gerade unsere Korrespondentin auch ein wenig gezeichnet hat: Die Wählerin, der Wähler, der Sympathien möglicherweise für Geert Wilders hat oder für einige Aspekte dessen, was er fordert, dann aber in der Wahlkabine sich für Kontinuität und Stabilität entscheidet.
    de Vries: Ja, so sehe ich das auch. Natürlich ist der Durchschnittswähler nicht so informiert wie ein Bundestagsabgeordneter, aber er hat trotzdem verstanden, dass bestimmte kleinere Probleme nicht das große beherrschen dürfen und dass das wichtigste doch ist die Demokratie und dazu auch die europäische Einheit.
    Barenberg: Nun scheint das Land ja zwei Gesichter zu haben. Auf der einen Seite die starke Wirtschaft, die sinkende Arbeitslosigkeit; auf der anderen Seite aber doch ein erhebliches Potenzial an Wut, auch an Unbehagen über die Schwächen des Sozialstaats und Probleme bei der Integration. Woher kommt, wenn Sie es uns erklären wollen, diese Wut?
    "Ein Teil unserer Wähler fühlt sich irgendwie abgehängt"
    de Vries: Ist es Wut oder ist es Angst oder Unzufriedenheit? Es ist eine Mischung dieser drei Sachen, glaube ich, und ich denke mal, das wird in Holland nicht viel anders sein, als was wir hier erleben. Es gibt einen Teil unserer Wähler, die sich irgendwie abgehängt fühlen, aus welchen Gründen auch immer. Manchmal ist es tatsächlich die Unzufriedenheit über die Verteilung und manchmal ist es einfach die zu schnelle Entwicklung. Ein drittes Mal ist es zu viel Bürokratie, die auf uns zukommt. Es ist so ein Mischmasch, das eine bestimmte Unzufriedenheit produziert. Wir haben hier bei uns erlebt, dass das jahrelang die Linken genutzt haben, und jetzt nutzt es die AfD. In Holland ist es zurzeit Geert Wilders mit seiner PVV, der das auszunutzen weiß. Aber ich freue mich einfach, dass die Mehrheit am Ende vernünftig war und die wichtigsten Sachen doch als Priorität gesehen haben.
    Barenberg: Das kann ich gut nachvollziehen. Sie freuen sich sicherlich auch darüber, dass die Christdemokraten recht gut abgeschnitten haben. Aber noch mal zurück zu dieser Frage. Viele sagen uns ja dieser Tage, eigentlich gründen sich die Niederlande auf diesem Modell von Toleranz, von Einbeziehung, von Inklusion, und steht gerade nicht für die Ausgrenzung des Fremden. Und doch muss man ja sagen, dass das in den vergangenen Jahren erheblich mehr geworden ist und es eine starke Minderheit gibt mit diesen Ängsten. Wie kommt das?
    de Vries: Auch in Holland hat man natürlich mit diesem Migrantenproblem zu tun, wo unwahrscheinlich viele Menschen von außen auf einmal kommen. Und auch wenn Holland seine Erfahrungen hat mit, ich sage mal, Menschen mit einer anderen Hautfarbe, weil wir nun mal die Antillen und so weiter hatten, kommt trotzdem natürlich eine Angst, was passiert mit uns. Ich kann nur die Parallele immer wieder ziehen mit meiner heutigen Arbeit. Wir tun vieles, um diese Probleme anzugehen, aber das wird nicht immer so kolportiert, dass die Menschen das verstehen. Man kann nicht alle Ängste wegresignieren, das ist einfach so, und dann kommen solche Ergebnisse.
    Barenberg: Macht Sie ein wenig besorgt, dass ja auch die anderen Parteien erkennbar im Ringen mit Geert Wilders in die rechte Richtung sich geneigt haben und schärfere Töne angeschlagen haben? Mark Rutte ja selbst auch persönlich in diesem Brief, die Ausländer sollen sich entweder benehmen oder das Land verlassen. Macht Ihnen das Sorgen, diese Entwicklung?
    "Sorgen macht mir, dass unsere Gesellschaft egoistischer wird"
    de Vries: Sorgen macht mir, dass unsere Gesellschaft insgesamt, ich sage, egoistischer wird. Man hat manchmal das Gefühl, dass man glaubt, es allein zu schaffen, seinen Nachbarn oder sein Nachbarland nicht mehr braucht. Im übertragenen Sinne ist das auch, was in Europa los ist. Das macht mir schon Sorgen. Ich kann nur hoffen, dass das passiert, was jetzt in Holland auch passiert ist, dass am Ende die Menschen doch verstanden haben, dass es so einfach nicht liegt. Und an diesen Sorgen, da arbeite ich dran, indem ich immer wieder versuche, die Menschen aufzuklären, was Politik eigentlich macht. Aber das ist nicht so einfach.
    Barenberg: Noch mal eine letzte Frage zu den Niederlanden. Nun haben sich alle an Geert Wilders und seinen kruden Thesen, sage ich mal, abgearbeitet. Bleibt das so, weil es diese starke Minderheit auch weiter geben wird?
    de Vries: Ich schätze schon, dass diese Bewegung noch nicht vorbei ist. Wir werden auf Dauer von solchen Leuten begleitet werden. Das schätze ich schon. Nur mit Einkehr, ich hoffe, der Einheit wieder in Europa werden wir die größten Probleme lösen. Dann wird auch dieses Problem weniger wichtig werden. Mal gucken, es sind schon spannende Zeiten, aber ich freue mich, dass Holland dieses positive Signal gesendet hat.
    Barenberg: Vorsichtiger Optimismus bei Kees de Vries, dem CDU-Bundestagsabgeordneten. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.
    de Vries: Gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.