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Wahl Köhlers ein Erfolg für Angela Merkel

Peter Lange: Zwei Sozialdemokraten, zwei Liberale und demnächst zum fünften Mal ein Konservativer. Auf Johannes Rau folgt am 1. Juli Horst Köhler, gestern gewählt von der Bundesversammlung mit der absoluten Mehrheit von CDU/CSU und FDP. Ein Präsident für alle Deutschen will er sein und auch diejenigen überzeugen, die ihn gestern nicht gewählt haben, so Horst Köhler gestern in einer Ansprache nach seiner Wahl. Gleichwohl fiel das Wort von der Zeitenwende und die Bemerkung, dass es nun eine Mehrheit jenseits von Rot-Grün gäbe. Was bedeutet die Wahl von Horst Köhler für die Machtverhältnisse zwischen Koalition und Opposition, und was bedeutet sie für die Gewichtsverteilung innerhalb der Union? Darüber sprechen wir nun mit Professor Uwe Andersen. Er ist Politikwissenschaftler an der Ruhruniversität in Bochum. Herr Andersen, seit Gustav Heinemann ist immer mal wieder die Rede von dem Stück Machtwechsel, wenn ein Bundespräsident gewählt wird, der nicht die politische Farbe der Regierung hat. War das gestern ein Stück Machtwechsel?

Moderation: Peter Lange |
    Uwe Andersen: Also ich denke, man sollte den Begriff Machtwechsel in diesem Zusammenhang vermeiden. Aber zweifellos war es ein wichtiges politisches Symbol, insbesondere für diejenigen, die diese Kandidatur von Herrn Köhler besonders betrieben haben. Also es war schon ein Erfolg für Frau Merkel, Herrn Stoiber und Herrn Westerwelle. Andrerseits war das Risiko des Scheiterns für diese drei auch besonders groß. Hätte das nicht geklappt, dann bin ich sicher, dass wir heute über einen Scherbenhaufen geredet hätten, obwohl es vordergründig "nur" um die Wahl des Bundespräsidenten ging, der in der deutschen Verfassungskonstruktion ein repräsentatives Amt primär ist und über wenig politische Macht verfügt.

    Lange: Aber wenn man schon Machtwechsel sagt, müsste man nicht präziser sagen, ein weiteres Stück Machtwechsel, denn im Bundesrat hat die Union schon die Mehrheit und im Verfassungsgericht hat es ja auch schon einen Farbenwechsel gegeben?

    Andersen: Zweifellos ist die Zusammensetzung des Bundesrates sehr viel bedeutsamer für die konkrete politische Macht, wenn es etwa um Gesetzgebung geht. Insofern ist der Bundespräsident doch etwas anders einzuschätzen. Aber wie immer muss man sozusagen die direkte Wirkung und die indirekte Wirkung auseinanderhalten. Es ist schon ein wichtiges politisches Symbol, das nochmals nach außen verdeutlicht, dass bei Bundesversammlung, die ja die Machtverteilung in Bund und Ländern exakt wiederspiegelt, sich eine Unionskoalition aus Union und FDP sich gebildet hat, die mehrheitsfähig ist.

    Lange: Ist für Sie damit ausgemacht, dass Schwarz-Gelb 2006 zusammengehen wird, wenn es das Ergebnis der Bundestagswahl zulässt?

    Andersen: Also ich wäre da immer noch vorsichtig, aber das ist das, was sich im Moment abzuzeichnen scheint. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Haltung der FDP natürlich interessant, die ja auf ihre Unabhängigkeit bei der letzten Bundestagswahl besonderen Wert gelegt hat, während erstaunlicherweise - zumindest wenn man das mit der Situation vorher vergleicht - gerade die Grünen als ausgesprochene Koalitionspartei auch in den Wahlkampf gegangen sind. Dass jetzt bei der Bundespräsidentenwahl sich hier eine Koalition abzeichnet, hat sicherlich auch Folgen für die weitere Entwicklung. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass sich ja Rot und Grün nochmals schon im vorhinein für 2006 sozusagen versucht haben festzulegen, und das hat offensichtlich dann auch bei Herrn Westerwelle, der ja ein besonderer Exponent einer unabhängigen Position der FDP war, dazu geführt, hier deutlich zu machen, dass es sozusagen eine Gegenkoalition gibt.

    Lange: Vor Monaten hieß es, wenn Frau Merkel das mit Horst Köhler hinbekommt, dann wäre das ihr Meisterstück. Nun hat sie das hinbekommen. Heißt die glatte Wahl von Horst Köhler auch, dass es innerhalb der Union keine, sagen wir mal, innerparteiliche Fronde gibt, die stark genug wäre, Frau Merkel jetzt noch in Schwierigkeiten zu bringen?

    Andersen: Also ich denke, es ist wiederum ein weiterer Meilenstein für sie. Es hat sie zweifellos gestärkt. Das war das, was man eigentlich von der Konstellationsbestimmung erwarten konnte. Es ist ja noch relativ knapp ausgegangen, aber das wird schnell vergessen sein. Herr Köhler ist im ersten Wahlgang gewählt worden, und das stärkt nicht zuletzt die Position von Frau Merkel. Ob bei den fehlenden Stimmen auch Stimmen dabei waren, die also etwa das Verfahren, das zur Wahl von Herrn Köhler geführt hat, missbilligt haben innerhalb der Partei oder die ihr sonst noch Stolpersteine in den Weg legen wollten, das weiß man nicht. Aber es ist auch nicht auszuschließen. Auf jeden Fall war das nicht hinreichend; die Zahl war nicht groß genug. Das Risiko war für sie sicherlich größer. Insofern war es für sie zweifellos ein Erfolg.

    Lange: Es wird nun wieder diskutiert über eine Direktwahl des Staatsoberhaupts. Ganz abgesehen von Pro und Kontra, wird diese Diskussion weitergehen oder ist das übermorgen vorbei?

    Andersen: Sie wird erst mal wieder vorbei sein, das wäre meine Prognose. Aber spätestens wenn die nächste Bundespräsidentenwahl ansteht, werden wir diese Diskussion wahrscheinlich wiederbekommen. Es liegt sozusagen im Trend der Zeit. Wenn Sie sich die Meinungsumfragen angucken, werden Sie immer finden, wenn Bürger gefragt werden, wollt ihr das selbst entscheiden, dass wir Mehrheiten zwischen zwei Drittel und vier Fünftel für eine direkte Bürgerentscheidung haben. Meines Erachtens wird zu wenig dabei bedacht, dass wenn wir eine Direktwahl des Bundespräsidenten hätten, dann als Nächstes die Diskussion kommen würde, ja, dann müssten wir ihm aber mehr Kompetenzen geben, und dann stünden wir vor der Frage, ob wir die Verfassungskonstruktion mit der sehr starken Position des Kanzlers und der relativ schwachen Position des Bundespräsidenten ändern wollten. Ich denke, die wenigsten Politiker wären dazu bereit, und ich muss auch sagen, es gibt eigentlich wenige überzeugende Argumente dafür. Gerade die Bundespräsidenten, die so zu Stande gekommen sind, waren eigentlich bisher eine ganz überwiegend glückliche Wahl. Wir haben mit unseren Bundespräsidenten ausgesprochen Glück gehabt.

    Lange: Vielen Dank für das Gespräch.