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Wahlen in Nigeria
"Es gab schon sehr viele Mängel"

Der CDU-Europaabgeordnete Joachim Zeller war offizieller EU-Wahlbeobachter in Nigeria. Dort habe es viele Probleme gegeben und es sei nicht auszuschließen, dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Er rechne dennoch mit einer klaren Mehrheit für die Opposition, sagte Zeller im DLF.

Joachim Zeller im Gespräch mit Bettina Klein | 30.03.2015
    Joachim Zeller beim Europafest der Berliner CDU anlässlich der Europawahl am Breitscheidplatz am 14.05.2014 in Berlin. Angela Merkel besucht Europafest der Berliner CDU.
    Zeller glaubt an einen Wechsel in Nigeria. (imago / Mauersberger)
    Zeller berichtete, die meisten Wahllokale hätten verspätet geöffnet und die Helfer hätten oft mit der neuen Technik zur Registrierung von Wählern nicht umgehen können. "Das hat dazu geführt, dass es zu mannigfaltiger Verzögerung kam." Der Wille, zur Wahl zu gehen, sei bei den Menschen aber da gewesen.
    Der Wahlbeobachter der EU sagte weiter, dass es in den Wahllokalen selbst wohl keine Wahlfälschung gegeben habe. Auf der Bezirksebene, wo die Ergebnisse gesammelt werden, sei das aber nicht auszuschließen. "Da erlebten wir schon ein kleines Chaos."
    Mit Blick auf den Ausgang der Wahl zeigte sich der CDU-Europaabgeordnete relativ sicher, dass der Amtsinhaber Goodluck Jonathan von der Bevölkerung abgestraft wird. Es sehe nach einem Wechsel aus. Allerdings bedeute ein Wahlsieg des Militärdiktators Muhammadu Buhari nicht unbedingt eine bessere Situation für die Bevölkerung.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Wir schauen um 6:48 Uhr auf die Wahlen in Nigeria an diesem Wochenende. Sie wurden ja noch einmal verlängert, wegen der Probleme dort bei der Durchführung. Inzwischen wartet man aber auf Ergebnisse.
    Wir können jetzt direkt mit einem der offiziellen Wahlbeobachter in Nigeria sprechen: Joachim Zeller von der CDU. Er ist Mitglied des Europaparlaments und wir erreichen ihn heute Morgen in der Stadt Abuja. Ich grüße Sie, Herr Zeller.
    Joachim Zeller: Guten Morgen, Frau Klein.
    Klein: Die Wahlen mussten ja schon verlängert werden, wegen der Mängel im Ablauf. Die elektronische Erfassung hat in vielen Wahllokalen nicht funktioniert. Haben Sie den Eindruck, dass man inzwischen alles in den Griff bekommen hat?
    Zeller: Nun, wir warten auch, wie Ihr Korrespondent schon sagte, noch auf das Ergebnis, das heute im Laufe des Tages verkündet werden soll, und es gab schon sehr viele Mängel in der Wahldurchführung, was zur Verlängerung führte. Nicht nur, dass die meisten Wahllokale - ich war in Lagos und nicht in Abuja - dort verspätet begannen, es mit der Akkreditierung Schwierigkeiten gab, manchmal die Besatzung der Wahllokale mit der Technik nicht umgehen konnte, weil man eine neue Methode der Wählerregistrierung eingeführt hat. Dies hat dort dazu geführt, dass es zu mannigfaltiger Verzögerung kam, auch zu Unmut bei den Wählern selbst, wobei ich sagen muss: Der Wille, zur Wahl zu gehen, war da. Das ist uns auch immer wieder von den Menschen vor Ort bestätigt worden.
    "Wahlunregelmäßigkeiten sind nicht auszuschließen"
    Klein: Wir haben jetzt die formalen Probleme angesprochen. Es gab ja durchaus auch schon Proteste wegen befürchteter Wahlfälschung. Können Sie dazu etwas sagen?
    Zeller: Meine Erfahrung ist - und nicht nur hier in Nigeria -, dass es zu Wahlfälschungen selbst auf der Ebene der Wahllokale meistens nicht kommt, weil da eine Transparenz gegeben ist. Die Auszählung ist öffentlich, da sind die Parteienvertreter da, viele Wähler beobachten das ebenfalls.
    Aber was wir dann auch erlebt haben auf dieser mittleren Ebene, wo die Wahlergebnisse gesammelt werden - und das ist meistens auf der Bezirksebene -, da erlebten wir dann schon, man muss sagen, ein kleines Chaos und da ist nicht auszuschließen, dass es da zu Unregelmäßigkeiten kommen kann, wobei ich denke, dass diesmal auch ein ziemlich eindeutiges Ergebnis da sein könnte.
    Klein: Wie müssen wir uns Ihre Arbeit als Wahlbeobachter dort vorstellen in diesem Land?
    Zeller: Wir beginnen unsere Arbeit damit, dass wir etwas bevor die eigentliche Öffnungszeit der Wahllokale beginnt vor Ort sind, ein Wahllokal uns aussuchen und dann in unserem Einsatzgebiet noch mehrere Wahllokale besuchen, bis dann am Abend wir der Auszählung beiwohnen, zunächst einmal auf der Ebene der Wahllokale selbst, um dann auf die nächst höhere Stufe, dort wo die Wahlergebnisse gesammelt werden, also auf der Bezirksebene, würden wir sagen, zu beobachten, wie das dann geschieht, um dann letztendlich zu einem Gesamtergebnis zu kommen.
    Klein: Welchen Einfluss haben denn Wahlbeobachter der Europäischen Union am Ende dann tatsächlich, wenn Sie wirklich jetzt Unregelmäßigkeiten feststellen?
    Zeller: Wir geben einen vorläufigen Bericht ab, wo wir zunächst einmal das, was wir selbst, aber auch das, was die von der Europäischen Union hierher entsandten Langzeitbeobachter festgestellt haben, zusammenfassen, und unsere Langzeitbeobachter bleiben ja noch für die nächsten drei, vier Wochen im Land, um die weitere Entwicklung sich anzusehen. Das mündet dann in einen Gesamtbericht, der verkündet wird, und dem ist dann zu entnehmen, wie der Wahlablauf war, wie die Wahlvorbereitungen sich gestaltet haben und wie glaubwürdig dann auch das Wahlergebnis einzuschätzen ist, und danach richten sich dann natürlich auch die Beziehungen der Europäischen Union insgesamt zu den Staaten, in denen die Wahlen stattgefunden haben.
    "Gewalt gehört in Nigeria leider zum Alltag"
    Klein: Es hat ja bereits Gewalt gegeben, zumindest im Norden, Anschläge der Boko Haram mit einigen Todesopfern zumindest. Welchen Einfluss hatte das in den vergangenen Tagen auf den Wahlablauf?
    Zeller: Gewalt gehört hier in diesem Land, in Nigeria leider zum Alltag. Nicht nur im Nordosten, auch in Lagos gibt es alltägliche Gewalt auch mit vielen Todesopfern. Das ist leider zu beklagen und uns wurde bestätigt, auch von den Menschen hier, dass das, was wir erlebt haben, auch an Ausschreitungen, beziehungsweise von dem wir Kenntnis bekamen, dass das eher unterhalb der Erwartungen war, was befürchtet wurde.
    Klein: Herr Zeller, wir warten noch auf das Ergebnis. Es wird wahrscheinlich heute Abend erst oder morgen Früh vorliegen. Wovon gehen Sie denn im Augenblick aus nach dem, was Sie dort erkennen können?
    Zeller: Wenn ich das Ergebnis in Lagos ansehe - und Lagos ist mittlerweile ein Siedlungsgebiet, Stadt kann man das kaum noch nennen, wo 20 Millionen Menschen wohnen -, dort war allgemein erwartet worden und so sah dann auch das Ergebnis aus, dass die Oppositionspartei mit ihrem Kandidaten Buhari weit vor dem jetzigen Amtsinhaber Jonathan Goodluck lag. Und Ihr Korrespondent erwähnte ja auch, dass in der Provinz Rivers, wo Goodluck Jonathan eigentlich zuhause ist und seine Hochburg hatte, im Südosten, dass auch dort eher die Opposition die Nase vorn hatte, was dann zu Protesten der Anhänger der bisherigen Regierungspartei führte.
    "Es sieht so aus, als wenn es zu einem Machtwechsel kommt"
    Klein: Das heißt, Sie gehen durchaus davon aus, dass es zu einem relativ klaren Ergebnis kommen könnte und dass ein solcher Machtwechsel in Nigeria durch diese Wahlen zustande kommen wird?
    Zeller: Nach meinen und den Beobachtungen auch der anderen Kolleginnen und Kollegen und auch der Langzeitbeobachter landesweit sieht es so aus, dass es zum Wechsel kommt, ja.
    Aber wir müssen da ganz vorsichtig sein, weil wie gesagt die Wahl selber noch verlängert wurde auf den gestrigen Tag und in vielen Bezirken immer noch gezählt wird und die hiesige zentrale Wahlkommission dann das letzte Wort hat. Aber ich denke, wenn es ein Ergebnis geben sollte, das nicht heißt, dass es zum politischen Wechsel kommt, würde mich das erstaunen.
    Klein: Das würde aber auch heißen, dass ein ehemaliger Diktator per Wahlen an die Macht gelangt. Was würde sich dadurch zum Besseren ändern für das Land?
    Zeller: Das ist die große Frage, die wir uns auch stellen, weil die Oppositionspartei APC, deren Spitzenkandidat Buhari ist - und Herr Buhari ist auch schon 72 Jahre alt -, erst 2013 aus vier anderen kleineren Oppositionsparteien gegründet wurde, und das einzige Programm, was sie verkündet haben, war ein Wechsel. Über weitere Inhalte schweigt man sich aus. Das ist dann eine Frage, die dann die Zukunft beantworten muss.
    Aber die Menschen haben erst einmal die Regierung und den Amtsinhaber, denke ich, insoweit abgestraft, als er seine Versprechungen, die er vor vier Jahren gegeben hat, nicht erfüllt hat, und ich hoffe, dass dann, wenn eine neue Regierung gebildet wird, ein neuer Präsident gewählt wird, es zum Besseren kommt. Ansonsten befürchte ich Schlimmes für dieses Land und die Menschen hier.
    Klein: Der Europaabgeordnete Joachim Zeller. Er ist derzeit als offizieller Wahlbeobachter in Nigeria, heute Morgen bei uns live im Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen für diese Eindrücke, Herr Zeller.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.