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Wahlen in Österreich

Heuer: Die Deutschen haben ihren Wahlgang gerade mal acht Wochen hinter sich und viele haben ihre Entscheidung für Rot-Grün schon bereut. Wie schön wäre es da, mag da der eine oder andere denken, einfach noch einmal wählen zu können. Aber jetzt sind erst einmal die Österreicher dran. Im Nachbarland finden an diesem Sonntag vorgezogene Nationalratswahlen statt. Ihr Ausgang entscheidet über die neue Regierung in Wien. Darüber wollen wir jetzt mit dem Kollegen, Herbert Lackner sprechen. Er ist Redaktionsleiter für Politik beim Magazin Profil, dem österreichischen Pendant zum deutschen Spiegel. Guten Morgen, Herr Lackner.

    Lackner: Guten Morgen.

    Heuer: Nach der letzten Meinungsumfrage liegen SPÖ und ÖVP, die großen Volksparteien ungefähr gleich auf. Die kleinen, potenziellen Koalitionspartner Grüne und FPÖ ebenfalls. Ihr Tipp: Wer stellt nach dem Sonntag die österreichische Regierung?

    Lackner: Es gibt eine hauchdünne Wahrscheinlichkeit, die größer ist, dass diese Regierung wieder bleibt, als dass es zu Rot-Grün kommt. Aber, wie gesagt, diese Wahrscheinlichkeit hat nur einen hauchdünnen Vorsprung.

    Heuer: Die Koalition in Wien ist ja an der FPÖ gescheitert, an den Störmanövern Jörg Haiders, sagen die meisten. Ist denn da eine Neuauflage dieser Koalition ÖVP/FPÖ wirklich sinnvoll? Kann Wolfgang Schüssel, der Bundeskanzler von der ÖVP, das wagen?

    Lackner: Ich glaube, wenn es so ausgeht, wird er sagen, dass sein eigenes Schicksal damit verbunden ist. Herr Schüssel würde sicher nicht als Juniorpartner in eine von den Sozialdemokraten geführte Regierung gehen, und er müsste, wenn er auf Platz 3 landet, sein Heil in einer schwarz-blauen Koalition suchen, sofern das eine Mehrheit hat. Und wenn es eine Mehrheit dafür gibt, dann wird sie auch nur hauchdünn sein.

    Heuer: Und Sie meinen, er wird es tun?

    Lackner: Er wird es versuchen. Ob ihn seine Partei das tun lässt, ist eine andere Frage. Es gibt in seiner Partei doch sehr viele Skeptiker eines solchen Experiments.

    Heuer: Rechnerisch ist alles möglich, auch eine rot-grüne Koalition. Im österreichischen Wahlkampf ist das deutsche Vorbild allerdings sogar von SPÖ-Politikern als Abschreckung benutzt worden. So sehr als Abschreckung benutzt worden, dass der deutsche Bundeskanzler Schröder einen Wahlkampfauftritt in Österreich verärgert abgesagt hat. Haben die österreichischen Wähler jetzt Angst vor Rot-Grün?

    Lackner: Na ja, Rot-Grün liegt in den Meinungsumfragen an zweiter Stelle. An erster Stelle liegt bei uns immer eine große Koalition und die ist traditionell die beliebteste Regierungsform in Österreich, wenn gleich es immer wieder Kritik an ihr gibt. Wenn eine solche Koalition besteht, ist dann natürlich die Gefahr einer Stagnation sehr groß. Rot-Grün ist im Laufe der vergangenen Monate durchaus beliebter geworden, als es ursprünglich war.

    Heuer: Das heißt, der Wahlkampf hat dieser Option nicht geschadet?

    Lackner: Nein, und das deutsche Beispiel wirkt auch nicht so wahnsinnig stark auf uns ein. Man merkt, dass Deutschland große Probleme hat, aber nicht zuletzt durch den Preis der Wiedervereinigung. Das ist ein anderes Land, und das darf man nicht eins zu eins übertragen.

    Heuer: Sie haben gesagt, Herr Lackner, eine große Koalition sei in Österreich traditionell die beliebteste Regierungsform. Wäre dies denn auch eine Option, die Österreich gut bekäme?

    Lackner: Wir hatten ja sehr lange Strecken in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ein große Koalition. Zuletzt hatten wir eine von 1986 bis 1999, und es ist natürlich so, dass man dann, obwohl eine solche Regierung mehr als eine Zweidrittelmehrheit im Parlament hat, nicht viel weiter kommt, wenn man sich gegenseitig lähmt beziehungsweise wenn eine Partei ihre Klientel bedient, auch die anderen Partei sozusagen etwas bekommen will. Die Kosten einer solchen Koalition sind sehr hoch.

    Heuer: Die FPÖ Jörg Haiders, um auf diese Partei noch zu sprechen zu kommen, verliert nach den Umfragen sagenhafte 17 Prozent der Stimmen. Glauben Sie, dass viele FPÖ-Wähler den Meinungsforschern bloß nicht sagen, dass sie die Partei doch wieder wählen wollen?

    Lackner: Ich glaube, dass die FPÖ mehr bekommen wird als diese 10 Prozent, die von den Meinungsforschern vorhergesagt werden. Es gibt jetzt schon in den letzten Tagen Umfragen, die zeigen, dass die FPÖ durchaus auf 13 oder 14 Prozent kommen kann.

    Heuer: Auch unter einer neuerlichen Führung Jörg Haiders?

    Lackner: Haider hat jetzt in den letzten Wochen sehr massiv in den Wahlkampf eingegriffen. Ich glaube demnach, dass sein Stern sehr stark im Sinken ist.

    Heuer: Es wird also kein Comeback geben?

    Lackner: Er wird alles versuchen, aber ich glaube, es wird nicht erfolgreich sein.

    Heuer: Danke. Herbert Lackner war das, der Redaktionsleiter für Politik beim österreichischen Magazin Profil. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio