Jelena Hoffmann: Guten Tag.
Probst: Sie waren als offizielle Wahlbeobachterin für den Europarat da. Was haben Sie denn vor Ort für Beobachtungen machen können? Trifft der Vorwurf der Manipulation zu?
Hoffmann: Technisch gesehen sind die Wahlen gut verlaufen. "Technisch gesehen" unterstreiche ich, aber es sind sehr viele Möglichkeiten zur Wahlfälschung gegeben.
Probst: Was heißt das im Einzelnen?
Hoffmann: Im Einzelnen heißt das zum Beispiel, dass die Listen wieder nicht ganz exakt gewesen sind. In einigen Wahllokalen ziemlich gut zusammengestellt worden sind, in anderen weniger. Des weiteren gibt es hier eine Möglichkeit, mit so einem Schein abzustimmen, wenn man nicht am Ort seines Wohnsitzes abstimmt. Man bekommt so einen Schein und kann irgendwo in irgendeinem Wahllokal abstimmen. Juschtschenko hat uns gesagt, dass fünf Millionen solcher Scheine gedruckt worden sind und unters Volk gebracht worden sind, obwohl im vorigen Wahlgang lediglich nur 300.000 verbraucht worden sind. Hier gibt es sehr viele Möglichkeiten, doppelt und dreifach abzustimmen und außerdem waren zum Beispiel dort möglicherweise, wo wir beobachten und die Auszählung am Abend, in der Nacht beobachtet haben, sehr viele ungültige Stimmen und zwar dadurch, dass die Mitglieder der Wahlkommission vergessen haben, die Wahllisten zu unterschreiben. Man kann sich natürlich die Frage stellen, ist das gewollt oder nicht gewollt. Nachprüfen, wir sind keine Detektive in dem Sinne, nachprüfen können wir jetzt konkret in dieser kurzen Zeit nichts. Aber die Möglichkeiten gab es ausreichend.
Probst: Die Beobachtungen, die Sie gerade geschildert haben, Frau Hoffmann, haben die auch andere Ihrer Wahlbeobachterkollegen gemacht? Haben Sie sich mit denen inzwischen austauschen können?
Hoffmann: Ja, wir haben heute früh ein Briefing gehabt unter uns und den Kollegen der parlamentarischen Vertretung des Europarates und wir haben alle gemerkt, dass technisch gesehen die Wahlen wirklich gut gelaufen sind. Das ist auch eines der Verdienste des ukrainischen Volkes, dass sie wirklich dem Gesetz entsprechend ihre Stimme abgeben wollten und auch selber darauf geachtet haben. Aber, wie gesagt, wir waren eigentlich alle, vor allem hier in Kiew ist die Stimmung für Juschtschenko gewesen. Man konnte sehr viele orangene Farben für Juschtschenko sehen. Es war in der Nacht, wir haben um vier Uhr heute Früh mit seinen Anhängern gesprochen, wir haben Zelte aufgestellt auf dem freien Platz und Straßen in Kiew, es gab heute Früh auch Kundgebungen und Juschtschenko hat eigentlich dazu aufgerufen, nicht aufzugeben, weil die Zeichen, dass die Wahlen gefälscht werden könnten, die verdichten sich.
Probst: Wenn Sie eben vom ukrainischen Volk gesprochen haben und vom technischen Ablauf und der politischen Entscheidung, ist es dann ohne Zweifel ein Rückschlag für die Menschen, wenn die so engagiert zur Wahl gegangen sind?
Hoffmann: Zuerst muss ich feststellen, dass wirklich, was das ukrainische Volk angeht, es ein großer Schritt dort in Richtung Demokratisierung ist. Ich muss sagen, vielleicht sogar, das Volk geht etwas schneller in diese Richtung als, wie man so schön sagt, als die da oben. Das Volk will seinen Willen ordentlich und richtig mitteilen und will richtig abstimmen, aber natürlich wenn durch die Wahlfälschung der neue Präsident Janukowitsch ernannt wird, ist es ein sehr großer Rückschritt für das Land, für die Ukraine.
Probst: Dann ist es tatsächlich die im Vorfeld kolportierte Richtungsentscheidung mit dem Oppositionskandidaten Richtung Westen, mit dem anderen zurück zu Moskau?
Hoffmann: Das muss man abwarten. Ich glaube nicht, dass diese ganz gravierende Entscheidung stattfinden wird, möglich ist es aber.
Probst: Sehen Sie denn Einflussmöglichkeiten des Westens in dieser Frage auf die praktische Politik, wenn das Ergebnis dann offiziell wird?
Hoffmann: Ich glaube, dass der Westen sich selber erst mal die Frage stellen soll, wie gehen wir in diesem Fall oder in diesem Fall mit der Ukraine um. Ich glaube, momentan ist es noch ein bisschen zeitig, darüber zu reden. Ich kann nur darauf hinweisen, dass die Europäische Union mit der Ukraine einen Aktionsplan zustandegebracht hat, als erstes Land, als Nachbarschaftsland. Dann muss man sehen, inwieweit und wie intensiv dieser Aktionsplan umgesetzt wird. Ich wünsche mir, dass wir uns, egal wer in der Ukraine die Wahlen gewinnen wird, doch die Bedeutung dieses Landes vor Augen führen und entsprechend mit diesem Land zusammenarbeiten.
Probst: Wenn ich Sie richtig verstehe, die Einflussmöglichkeiten wären schon gegeben, dass man nach dem bewährten Motto, "Zuckerbrot und Peitsche", vorgehen könnte?
Hoffmann: Von der europäischen Seite?
Probst: Ja.
Hoffmann: Die Möglichkeiten sind natürlich immer gegeben. Es geht darum, wie auch unsere Angebote, die wir der Ukraine machen, bis jetzt gemacht haben und machen würden, wie sie von der Ukraine aufgenommen werden und umgesetzt werden. Ich meine, man kann mit jedem reden, aber wenn die andere Seite mit uns nicht reden will, dann muss man auch Konsequenzen ziehen. Deshalb sage ich, jetzt ist es noch ein bisschen zu früh, aber ich glaube, wenn die Sache sich aussortiert hat und ein bisschen gelegt hat, müssen wir uns darüber intensiver Gedanken machen, wie wir in dieser Situation, welche Schritte wir in dieser Situation machen sollen.
Probst: Frau Hoffmann, ich danke Ihnen für dieses Gespräch. Meine Damen und Herren, das war Jelena Hoffmann, SPD-Bundestagsabgeordnete. Sie ist Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe.
Probst: Sie waren als offizielle Wahlbeobachterin für den Europarat da. Was haben Sie denn vor Ort für Beobachtungen machen können? Trifft der Vorwurf der Manipulation zu?
Hoffmann: Technisch gesehen sind die Wahlen gut verlaufen. "Technisch gesehen" unterstreiche ich, aber es sind sehr viele Möglichkeiten zur Wahlfälschung gegeben.
Probst: Was heißt das im Einzelnen?
Hoffmann: Im Einzelnen heißt das zum Beispiel, dass die Listen wieder nicht ganz exakt gewesen sind. In einigen Wahllokalen ziemlich gut zusammengestellt worden sind, in anderen weniger. Des weiteren gibt es hier eine Möglichkeit, mit so einem Schein abzustimmen, wenn man nicht am Ort seines Wohnsitzes abstimmt. Man bekommt so einen Schein und kann irgendwo in irgendeinem Wahllokal abstimmen. Juschtschenko hat uns gesagt, dass fünf Millionen solcher Scheine gedruckt worden sind und unters Volk gebracht worden sind, obwohl im vorigen Wahlgang lediglich nur 300.000 verbraucht worden sind. Hier gibt es sehr viele Möglichkeiten, doppelt und dreifach abzustimmen und außerdem waren zum Beispiel dort möglicherweise, wo wir beobachten und die Auszählung am Abend, in der Nacht beobachtet haben, sehr viele ungültige Stimmen und zwar dadurch, dass die Mitglieder der Wahlkommission vergessen haben, die Wahllisten zu unterschreiben. Man kann sich natürlich die Frage stellen, ist das gewollt oder nicht gewollt. Nachprüfen, wir sind keine Detektive in dem Sinne, nachprüfen können wir jetzt konkret in dieser kurzen Zeit nichts. Aber die Möglichkeiten gab es ausreichend.
Probst: Die Beobachtungen, die Sie gerade geschildert haben, Frau Hoffmann, haben die auch andere Ihrer Wahlbeobachterkollegen gemacht? Haben Sie sich mit denen inzwischen austauschen können?
Hoffmann: Ja, wir haben heute früh ein Briefing gehabt unter uns und den Kollegen der parlamentarischen Vertretung des Europarates und wir haben alle gemerkt, dass technisch gesehen die Wahlen wirklich gut gelaufen sind. Das ist auch eines der Verdienste des ukrainischen Volkes, dass sie wirklich dem Gesetz entsprechend ihre Stimme abgeben wollten und auch selber darauf geachtet haben. Aber, wie gesagt, wir waren eigentlich alle, vor allem hier in Kiew ist die Stimmung für Juschtschenko gewesen. Man konnte sehr viele orangene Farben für Juschtschenko sehen. Es war in der Nacht, wir haben um vier Uhr heute Früh mit seinen Anhängern gesprochen, wir haben Zelte aufgestellt auf dem freien Platz und Straßen in Kiew, es gab heute Früh auch Kundgebungen und Juschtschenko hat eigentlich dazu aufgerufen, nicht aufzugeben, weil die Zeichen, dass die Wahlen gefälscht werden könnten, die verdichten sich.
Probst: Wenn Sie eben vom ukrainischen Volk gesprochen haben und vom technischen Ablauf und der politischen Entscheidung, ist es dann ohne Zweifel ein Rückschlag für die Menschen, wenn die so engagiert zur Wahl gegangen sind?
Hoffmann: Zuerst muss ich feststellen, dass wirklich, was das ukrainische Volk angeht, es ein großer Schritt dort in Richtung Demokratisierung ist. Ich muss sagen, vielleicht sogar, das Volk geht etwas schneller in diese Richtung als, wie man so schön sagt, als die da oben. Das Volk will seinen Willen ordentlich und richtig mitteilen und will richtig abstimmen, aber natürlich wenn durch die Wahlfälschung der neue Präsident Janukowitsch ernannt wird, ist es ein sehr großer Rückschritt für das Land, für die Ukraine.
Probst: Dann ist es tatsächlich die im Vorfeld kolportierte Richtungsentscheidung mit dem Oppositionskandidaten Richtung Westen, mit dem anderen zurück zu Moskau?
Hoffmann: Das muss man abwarten. Ich glaube nicht, dass diese ganz gravierende Entscheidung stattfinden wird, möglich ist es aber.
Probst: Sehen Sie denn Einflussmöglichkeiten des Westens in dieser Frage auf die praktische Politik, wenn das Ergebnis dann offiziell wird?
Hoffmann: Ich glaube, dass der Westen sich selber erst mal die Frage stellen soll, wie gehen wir in diesem Fall oder in diesem Fall mit der Ukraine um. Ich glaube, momentan ist es noch ein bisschen zeitig, darüber zu reden. Ich kann nur darauf hinweisen, dass die Europäische Union mit der Ukraine einen Aktionsplan zustandegebracht hat, als erstes Land, als Nachbarschaftsland. Dann muss man sehen, inwieweit und wie intensiv dieser Aktionsplan umgesetzt wird. Ich wünsche mir, dass wir uns, egal wer in der Ukraine die Wahlen gewinnen wird, doch die Bedeutung dieses Landes vor Augen führen und entsprechend mit diesem Land zusammenarbeiten.
Probst: Wenn ich Sie richtig verstehe, die Einflussmöglichkeiten wären schon gegeben, dass man nach dem bewährten Motto, "Zuckerbrot und Peitsche", vorgehen könnte?
Hoffmann: Von der europäischen Seite?
Probst: Ja.
Hoffmann: Die Möglichkeiten sind natürlich immer gegeben. Es geht darum, wie auch unsere Angebote, die wir der Ukraine machen, bis jetzt gemacht haben und machen würden, wie sie von der Ukraine aufgenommen werden und umgesetzt werden. Ich meine, man kann mit jedem reden, aber wenn die andere Seite mit uns nicht reden will, dann muss man auch Konsequenzen ziehen. Deshalb sage ich, jetzt ist es noch ein bisschen zu früh, aber ich glaube, wenn die Sache sich aussortiert hat und ein bisschen gelegt hat, müssen wir uns darüber intensiver Gedanken machen, wie wir in dieser Situation, welche Schritte wir in dieser Situation machen sollen.
Probst: Frau Hoffmann, ich danke Ihnen für dieses Gespräch. Meine Damen und Herren, das war Jelena Hoffmann, SPD-Bundestagsabgeordnete. Sie ist Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe.