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Wahlkampf in den Palästinensergebieten
Angst vor U-Booten mit Hamas-Besatzung

Für Anfang Oktober sind in den Palästinensergebieten Kommunalwahlen angesetzt. Im Gazastreifen könnte die gemäßigtere Fatah der radikalislamischen Hamas die Macht entreißen. Auch unabhängige Kandidaten treten an - doch an ihrer Unabhängigkeit bestehen Zweifel.

Von Peter Kapern | 07.09.2016
    Palästinensische Bauarbeiter räumen Trümmer in Gaza-Stadt weg. Während des 50 Tage andauernden Krieges zwischen Israel und der Hamas im Sommer 2014 wurden dort viele Häuser zerstört.
    Palästinensische Bauarbeiter räumen Trümmer in Gaza-Stadt weg. Während des 50 Tage andauernden Krieges zwischen Israel und der Hamas im Sommer 2014 wurden dort viele Häuser zerstört. (AFP/ Mohammed Abed)
    Es muss wohl zwei Gazastreifen geben. Den einen, den die Welt aus den Fernsehnachrichten kennt. Mit elenden Flüchtlingslagern, kriegszerstörten Häusern und desolater Infrastruktur. Und den anderen, den die Hamas mit flott geschnittenen Bildern und knackiger Musik in einem Wahlwerbespot feiert.
    Zu sehen sind moderne Gebäudekomplexe in grünen Oasen, nagelneue Schulen und Wohnhäuser - und strahlende Moscheen. Und immer wieder glückliche Menschen, die Schilder in die Kamera halten. "Danke, Hamas!", steht darauf zu lesen. Dieser Gazastreifen aus dem Werbespot der Hamas ringt Said Fahti Zorob ein bitteres Lachen ab:
    "Als ich mir das angeschaut habe, war ich amüsiert. Fast alles in dem Spot der Hamas ist falsch und unwahr. Wenn sie ehrlich wären, dürften sie gar nicht behaupten, dass sie hier irgendetwas aufgebaut haben. Sie haben nur zerstört. Die meisten Gebäude, die in dem Video zu sehen sind, hat Ramallah hier bauen lassen, nicht die Hamas."
    Ex-Bürgermeister versucht Comeback
    Ramallah: Damit meint er die in der Westbank regierende Fatah. 14 Jahre lang war Zorob Bürgermeister von Rafah, der Stadt im Süden des Gazastreifens an der Grenze zu Ägypten. Bis ihn die Hamas nach der Revolte von 2007 aus dem Amt jagte. Jetzt versucht er sein politisches Comeback.
    Wie damals tritt er für die Fatah an. Aber das, erklärt Zorob, sei in Rafah zweitrangig. Viel wichtiger sei sein familiärer Hintergrund:
    "Ich komme aus einer alteingesessenen Familie, wir sind nicht als Flüchtlinge hierhergekommen. Mein Großvater war auch schon Bürgermeister von Rafah. Die Geschichte unserer Familien beweist, dass wir gute Leute sind, wir dienen der Gemeinschaft. Und wir sind nicht wie die anderen."
    Die anderen, das ist die Hamas. Experten waren überrascht, als die Islamisten einwilligten, an den Kommunalwahlen teilzunehmen. Riskiert die Hamas etwa freiwillig den Machtverlust in den Kommunen des Gazastreifens? Dass die Menschen nach zehn Jahren und drei Kriegen die Nase von der Hamas voll haben, das hört man hier immer wieder. Aber verlässliche Umfragen gibt es nicht.
    Kommunale Wahllisten schießen aus dem Boden
    Und die politische Landschaft sortiert sich völlig neu. Kommunale Wahllisten schießen aus dem Boden. Eine davon heißt "Aufruf für Gaza-Stadt", sie wird vom Mediziningenieur Isam Hammad angeführt:
    "Erst hat die Fatah hier über zehn Jahre regiert und die Leute waren damals sehr unzufrieden. Jetzt regiert die Hamas seit zehn Jahren, und auch davon haben die Leute die Nase voll. Deshalb sehen wir eine echte Chance. Die Leute wollen weder die Fatah noch die Hamas, und das ist unsere Chance, gewählt zu werden."
    Hamads Wählerliste verspricht, sich um die Stromversorgung, die Schulen und den Arbeitsmarkt zu kümmern. Sie hat dabei aber gegen einen Verdacht anzukämpfen. Bei den letzten Kommunalwahlen waren nämlich viele vermeintlich unabhängige Kandidaten angetreten, die sich als Hamas-Politiker entpuppten, als sie dann in den Gemeinderäten saßen. Nun glauben viele Palästinenser, dass auch die angeblich unabhängigen Wahllisten U-Boote mit Hamas-Besatzung seien. Ob das stimmt, werden wohl erst die Monate nach den Wahlen zeigen.