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Wahlkampf in Israel
Direkte Ansprache ohne kritische Fragen

Im israelischen Wahlkampf spielen soziale Medien eine zentrale Rolle. Vor allem Premierminister Benjamin Netanjahu nutzt intensiv Facebook, Twitter und YouTube, um die Wähler direkt anzusprechen. Kritische Fragen muss er hier nicht fürchten - auch nicht im parteieigenen Fernsehkanal.

Von Tim Aßmann | 08.04.2019
Eine Frau mit Regenschirm läuf an einem großen, blauweißen Wahlplakat vorbei, das Benjamin Netanjahu in selbstbewusster Pose zeigt.
Auch auf Israels Straßen ist die anstehende Wahl präsent - doch vor allem im Netz findet der Wahlkampf statt (imago/UPI Photo/Debbie Hill)
Vor einigen Monaten startete in Israel ein ganz besonderes Programm. Der Moderator von Likud-TV begrüßte die Zuschauer. Israels national-konservative Regierungspartei sendet mit dem eigenen Kanal nur über Facebook und zum Start kam Partei- und Regierungschef Netanjahu gleich persönlich ins Studio.
"Das Studio gefällt mir gut", sagt Netanjahu. Der Moderator freut sich und entgegnet: "Es gibt Leute, die sagen, dass es Nordkorea ist." Netanjahu antwortet ohne Zögern: "Natürlich werden sie das sagen. Vergleichbar mit Nordkorea ist ja, dass ganz Israel auf Kanal 11, 12 oder 13 immer das Gleiche zu hören bekommt: die Linie der Linken. Es fällt ihnen einfach schwer zu verdauen, dass wir nicht in Nordkorea leben. Hier gibt es etwas, was es in Nordkorea nicht gibt – Facebook!"
Benjamin Netanjahu nutzt Facebook, Youtube und Twitter schon seit Jahren, um sich direkt ans Volk zu wenden. Exklusive Interviews für Israels größte Tageszeitungen oder die drei wichtigsten Fernsehsender - Kanal 11, 12 und 13 - gibt der Regierungschef nur selten.
"Die Presse ist und bleibt frei"
Die Korruptionsvorwürfe gegen ihn, wegen denen er angeklagt werden soll, stellt er als Verschwörung dar und wirft Teilen der Presse vor, sich an einer Hexenjagd gegen ihn zu beteiligen. Netanjahu wird unter anderem vorgeworfen, dass er versucht haben soll, positive Berichterstattung regelrecht zu kaufen, durch Absprachen mit einem Zeitungsverleger und einem Telekommunikationsunternehmer. Netanjahu wies das zurück und hob die Bedeutung der Pressefreiheit hervor.
"Die Presse ist und bleibt frei. Ich wünsche mir mehr Wettbewerb, Vielfalt und Pluralismus. Das Letzte, was ich will, ist das Gegenteil davon."
Die Vielfalt, die die sozialen Medien bieten, nutzt Netanjahu. So könne die Stimme des Likud ertönen, ohne die Filter der Medien passieren zu müssen, sagt der Premierminister. Natürlich haben direkte Botschaften über Facebook und Youtube auch den Vorteil, dass keine möglicherweise unangenehmen Fragen gestellt werden.
Vorwürfe von Manipulationen im Netz
Die Bedeutung des Internets zum Transport politischer Botschaften ist groß im israelischen Wahlkampf. Alle wichtigen Parteien nutzen Facebook, Youtube, Twitter und Instagram. Und auch in Israel gibt es den Vorwurf, dass das Netz zu Manipulationsversuchen genutzt wird. Wissenschaftler erklärten, ein Netzwerk von sogenannten Social-Bots entdeckt zu haben. Die Social-Media-Profile dieses Netzwerks würden positive Botschaften über Netanjahu verbreiten und negative über seine Gegner. Yuval Adam von der Organisation Big Bots Project ist einer der Autoren der Studie.
"Das nun entdeckte Netzwerk wurde von Leuten betrieben, die dem Likud nahestehen. Die Profile wurden teils von echten Personen betrieben, aber es gab auch hunderte von Profilen, die wir als fiktiv ansehen. Es ist auch möglich, dass eine Person zehn oder sogar hunderte unterschiedliche Profile gleichzeitig betreibt."
Netanjahus direkte Ansprache
Eine direkte Verbindung zwischen dem Likud und den fiktiven Nutzerprofilen auf Twitter fanden die Experten nicht, der Likud bestritt jede Verbindung zu den Bots. Benjamin Netanjahu sagte, hinter der Studie stünden Linke, deren Plan nicht aufgehen werde: "Es funktioniert nicht. Denn ihr seid Bürger Israels und keine Bots. Eine Million Likud-Wähler sind keine Bots."
Da war sie wieder - die direkte Ansprache, mit der sich Israels Langzeit-Premier an seine Basis wendet. Netanjahu kann sich Hoffnungen auf einen Wahlsieg machen. Falls es so kommt, schaut er danach bestimmt wieder im Studio von Likud-TV vorbei.